In mehreren deutschen Städten haben am Wochenende Tausende Menschen gegen die israelische Militäraktion im Gazastreifen demonstriert. In Hannover und Göttingen wurden proisraelische Demonstranten attackiert. Auf mehreren Demonstrationen wurden antisemitische Parolen gerufen.
In Hannover wurde am Sonntag ein Bundestagsabgeordneter der Grünen angegriffen. Sven Kindler sagte gegenüber tagesschau.de, er habe gemeinsam mit Mitgliedern der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Hannover an einer kleinen Gegenkundgebung teilgenommen, da auf der "Free Palestine"-Demonstration judenfeindliche Plakate gezeigt worden seien. Der Grünen-Politiker berichtete, die Gruppe habe eine Israel-Fahne hochgehalten, kurz darauf hätten mehrere Männer versucht, diese herunterzureißen. "Ein junger Mann ist mit Anlauf und einem Sprungtritt auf uns gestürmt. Ein Teilnehmer von uns hat einen heftigen Tritt in den Rücken bekommen." Kindler konnte dem Tritt noch ausweichen. Die Kundgebung wurde daraufhin abgebrochen, weil dem Bundestagsabgeordneten zufolge die Polizei die proisraelischen Demonstranten nicht schützen konnte.
Auch in Göttingen kam es laut Polizei zu körperlichen Auseinandersetzungen. Hier waren Menschen unter dem Motto "Demonstration für Gaza" auf die Straße gegangen. Teilnehmer der Demonstration griffen eine Gegenkundgebung an, wie auf Bildern und Videos zu sehen ist. Laut Polizeiangaben gab es Verletzte. Die proisraelischen Demonstranten kritisierten, die Polizei habe zu wenig Beamte eingesetzt und die Kundgebung zunächst nicht schützen können.
In Berlin wurde bei einer Pro-Palästina-Demonstration am Samstag ein Passant judenfeindlich beschimpft. Der Mann sei zufällig an dem Zug vorbeigekommen, sagte ein Sprecher der Polizei am Sonntag. Als die Demonstranten ihn als Juden erkannten, hätten sie antisemitische Sprüche gerufen. Einen körperlichen Angriff hätten Ordner und Polizisten verhindert. Bereits am Donnerstag hatte es antisemitische Sprechchöre bei einer Gaza-Demonstration in Berlin gegeben. Teilnehmer skandierten die Parole "Jude, Jude, feiges Schwein - komm heraus und kämpf' allein." Polizei und Staatsanwaltschaft prüfen nun, ob strafbares Verhalten vorliegt. Die Organisation American Jewish Committee erstattete Anzeige.
In Mannheim demonstrierten rund 3000 Menschen friedlich gegen die Eskalation im Gaza-Konflikt, in Karlsruhe beteiligten sich etwa 750 Menschen an einem Marsch durch die Innenstadt.
Debatte in der Linkspartei
Nach einer Kundgebung gegen den Gaza-Krieg in Essen verhinderte die Polizei nach eigenen Angaben gewaltsame Zusammenstöße mit einer anderen Demonstrantengruppe. Rund 1000 Menschen hatten am Freitag zunächst friedlich gegen die Bombardierung des Gazastreifens durch Israel demonstriert. Im Anschluss daran seien etwa 200 Teilnehmer zu einem Platz gezogen, auf dem rund 100 Menschen gegen Antisemitismus protestierten. Vereinzelt seien Flaschen und andere Gegenstände geworfen worden. Die Polizei nahm acht Personen fest und ermittelt wegen Verstößen gegen das Waffengesetz und wegen Körperverletzung.
Aufgerufen zu der "Friedensdemonstration für Nahost" hatte die Jugendorganisation der Partei Die Linke. Wenige Stunden zuvor waren 14 Menschen festgenommen worden, die die Friedensdemonstration offenbar zu Aktionen gegen die Alte Synagoge in Essen nutzen wollten. Die Staatsanwaltschaft ermittle gegen sie wegen Verabredung zu einem Verbrechen, teilte die Polizei mit.
"Beschämend"
Der Bundesgeschäftsführer der Linkspartei, Matthias Höhn, nannte die Vorgänge bei der Demonstration in Essen beschämend. "Dass im Vorfeld einer Veranstaltung, zu der auch Linke aufgerufen hatten, der Schutz jüdischer Einrichtungen verstärkt werden musste, dass auf und nach einer solchen Kundgebung antisemitische Parolen skandiert wurden, dass die Essener Synagoge erklärtes Ziel israelfeindlicher Teilnehmer dieser Kundgebung war, dass Flaschen und Steine auf pro-israelische Demonstranten geworfen wurden - das alles beschämt mich zutiefst", sagte Höhn.
Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, forderte die Linkspartei auf, sich schärfer vom Antisemitismus abzugrenzen. "Eine demokratische Partei darf sich hier keine Unschärfen leisten und muss gegen Antisemiten in ihren Reihen konsequent vorgehen", betonte Beck.