Rechter Terror Ein kürzlich festgenommener süddeutscher Neonazi bastelte Bomben. WOZ-Recherchen zeigen: Er hatte auch Kontakte in die Schweiz
Von Dinu Gautier
Letzte Woche nahm die deutsche Polizei nahe der Schweizer Grenze einen Neonazi fest, der offenbar Bombenanschläge geplant hatte. Spuren führen auch in die Schweiz: Der junge Mann suchte die Zusammenarbeit mit Schweizer Neonazis. Und ein Schweizer Waffenhändler wollte ihm illegalerweise Magazine für ein Sturmgewehr zuschicken.
Die Geschichte beginnt Ende 2007. Antifaschistische AktivistInnen aus Freiburg im Breisgau wurden auf Neonaziaktivitäten in der Gegend von Lörrach bei Basel aufmerksam. Während rund eineinhalb Jahren lasen sie die E-Mails von Thomas B., einem heute 22-jährigen Krankenpfleger aus Weil am Rhein. Dieser war damit beschäftigt, lokale Neonazistrukturen aufzubauen. Die Antifa beobachtete insgesamt acht Personen aus Lörrach und Umgebung, sagt Andreas (Name geändert) von der Autonomen Antifa Freiburg.
«Der Erhalt unseres Volkes»
Wie die Gruppe an den Mailverkehr von Thomas B. kam, will er der WOZ nicht verraten. «Es stimmt, dass wir geheimdienstliche Methoden anwenden. Sie gehören zur antifaschistischen Recherche.», Spricht er Neonazis also das Recht auf Privatsphäre ab? «Manchmal heiligt der Zweck die Mittel - wobei das Ganze verhältnismässig zu sein hat.» Bei Leuten, die Auschwitz wiederauferstehen lassen wollten, seien viele Mittel erlaubt.
Bald stellen die linken PrivatermittlerInnen fest, dass Thomas B. im Internet Chemikalien bestellt, insgesamt 22 Kilo. Später lässt er sich auch Zündschnur, Präzisionswaagen und Fernzünder nach Hause liefern. «Wir haben die Liste der Chemikalien erfahrenen Chemikern gezeigt. Die sagten uns, die Kombination sei sehr gefährlich, damit liessen sich relativ einfach grössere Mengen von Sprengstoffen wie Dynamit, Nitroglycerin oder der Flüssigsprengstoff TATP herstellen», sagt Andreas.
Dass Thomas B. dabei nicht alleine handelte, belegt der Mailverkehr des 22-Jährigen: So schreibt der Lörracher NPD-Stützpunktleiter Christoph B. Im Juni 2009 an Thomas B., er müsse endlich die Chemikalien abholen kommen, die er über ihn bestellt habe.
Bereits im April 2008 hatte Thomas B. bei Christoph B. nach «Namen und Adressen von wichtigen politischen Gegnern in dieser Umgebung» gefragt. Man habe sich jetzt langsam strukturiert und gehe zum «Gegenschlag» über.
Und schon Ende 2007 hatte Thomas dem NPD-Stützpunktleiter geschrieben, dass er niemals aufgeben werde, «für den Erhalt und das Überlebensrecht unseres Volkes zu kämpfen, wenn nötig später auch militant, selbst wenn ich mein Leben opfern müsste».
Thomas B. organisiert in Lörrach eine lokale Gruppe der Jungen Nationaldemokraten (JN), der Jugendorganisation der NPD, und wird im Juni 2009 ihr Stützpunktleiter. Daneben habe er auch Kontakt zu «freien Kräften» gehabt, sagt Andreas. Diese seien zuletzt unter dem Namen «Aktionsbüro Dreiländereck» aufgetreten und hätten eine Vernetzung mit Rechtsextremen in der Schweiz und Frankreich angestrebt.
Am 23. August erhält die Lörracher Polizei eine anonyme E-Mail. Drei Tage später nimmt sie Thomas B. fest und durchsucht das Haus in Weil am Rhein, wo er zusammen mit seinen Eltern lebt. Hat die Antifa die Polizei informiert? Andreas: «Kein Kommentar.»
Eine defekte Kalaschnikow
Am 27. August präsentiert die Polizei der Presse die beschlagnahmten Gegenstände. Neben den Chemikalien hat sie verschiedene Zünder, Literatur zur Sprengstoffherstellung, zahlreiche Messer, drei Pistolen, eine defekte Kalaschnikow und ein funktionstüchtiges Schweizer Sturmgewehr 57 gefunden. Letzteres ist mit einem Bajonett und einer Abschussvorrichtung für Gewehrgranaten bestückt. Der unbewilligte Besitz eines Sturmgewehres kann in Deutschland mit bis zu fünf Jahren Gefängnis geahndet werden.
Präsentiert werden auch Bestandteile einer Rohrbombe. Thomas B. wäre laut Polizei in der Lage gewesen «innerhalb von zwei bis vier Stunden eine funktionsfähige Bombe, vergleichbar mit einer Handgranate, herzustellen», wobei bei einer Detonation auch in einem grösseren Raum «mit Schwerverletzten und Toten zu rechnen gewesen wäre.»
Die Antifa hat wenige Stunden vor der polizeilichen Pressekonferenz die Medien mit einem umfangreichen Communiqué zu Thomas B. und seinem Umfeld versorgt, so dass die JournalistInnen im Raum mehr über den Verdächtigen zu wissen scheinen als die ermittelnde Polizei. Am konkretesten wurde noch Otto Bürgelin von der Lörracher Staatsanwaltschaft: «Wir haben Anhaltspunkte dafür, dass sich als wahrscheinliches Anschlagsziel die Kreise der Antifa in Freiburg herausstellen werden.»
Die Polizei behauptet zwar, bereits länger über Informationen verfügt zu haben, muss aber einräumen, dass «das anonyme Schreiben» hilfreich gewesen sei. Dazu Andreas: «Das ist eine Schutzbehauptung der Polizei. Sie kann ja nicht zugeben, dass sie direkt vor ihrer Haustüre einen Terroristen beim Bombenbasteln übersehen hat.»
Waffen aus der Schweiz?
Anhaltspunkte für Verbindungen in die Schweiz gebe es, abgesehen vom Herstellungsort des beschlagnahmten Sturmgewehrs, bisher nicht, sagte Otto Bürgelin diese Woche zur WOZ. Ein Rechtshilfegesuch an die Schweiz sei momentan nicht in Vorbereitung.
Die WOZ weiss: Es gibt durchaus Anhaltspunkte dafür, dass sich Thomas B. in der Schweiz mit «Ausrüstung» eindeckte. Per Mail hatte er im Januar 2008 bei einem Waffenladen aus dem Kanton St. Gallen angefragt, ob er Magazine für ein Sturmgewehr 57 bestellen könne. Er sei an vier Stück à 24 Schuss interessiert. Die Antwort des Schweizer Waffenhändlers: «Selbstverständlich senden wir Ihnen solche Magazine.» Er brauche nur noch die Kreditkartenangaben.
Was der Waffenhändler in der Mail an Thomas B. nicht erwähnt: Eine Lieferung nach Deutschland wäre bewilligungspflichtig. Das bestätigt Simon Plüss, zuständig für Kriegsmaterial und Exportkontrolle beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco). «Wer gewerbsmässig und ohne Bewilligung solche Magazine ins Ausland liefert, macht sich strafbar. Das ist ein Offizialdelikt.»
Die WOZ will von besagtem Waffenhändler wissen, ob er Waffenbestandteile ins Ausland liefere. «Nein, so was machen wir nicht.» Auf die Mail angesprochen, tönt es schon anders: «Eine Bewilligung holen wir erst nach erfolgter Zahlung ein.» Im Übrigen seien die angesprochenen Produkte ja nicht geliefert worden.
Thomas B. bemühte sich auch um eine politische Vernetzung mit der rechtsextremen Schweizer Szene. Per Mail hatte er Kontakt zu einem ehemaligen Vorstandsmitglied der Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) aus dem Kanton Bern. Die beiden wollten sich treffen, um die Details einer möglichen Zusammenarbeit zwischen JN Lörrach und der Pnos zu besprechen.
Die WOZ wollte von Pnos und Inlandgeheimdienst DAP wissen, welche Kontakte die hiesige rechtsextreme Szene zu Lörracher Neonazis pflege. Weder die Pnos noch der DAP waren am Dienstag für eine Stellungnahme zu sprechen.
Dass Kontakte bestehen, zeigte sich diesen Frühling: Zu einer Pnos-Platzkundgebung in Burgdorf reisten auch mindestens zwei Neonazis in einem Auto mit Lörracher Nummernschild an. Für die Kundgebung war nicht im «Weltnetz» (Internet) geworben worden.