Berlin/Dortmund: Netzwerk „NW-Berlin“ unter Druck

Netzwerk „NW-Berlin“ unter Druck
Erstveröffentlicht: 
20.11.2013

Nach monatelangen Ermittlungen wird erstmals Anklage wegen der „NW-Berlin“-Webseite erhoben. Zudem schließt in sechs Monaten ein Lichtenberger Szenetreffpunkt. Funktionäre wurden verprügelt.

 

ahrelang hetzten Berliner Neonazis ungestört auf der Internetseite „NW-Berlin“ gegen Politiker, Journalisten und politische Gegner, riefen zu Straftaten auf und erstellen Steckbriefe von missliebigen Personen und Einrichtungen. In der Folge kam es zu Übergriffen und sogar Brandanschlägen gegen die dort Aufgeführten. Im Mai 2011 war die Homepage wegen ihrer Inhalte indiziert worden, erst Ende letzten Jahres gelang die Abschaltung des Hassportals mit seinem Serverstandort in den USA. Es benötigte langen Druck aus der Zivilgesellschaft, damit Polizei und Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen gegen das Neonazi-Netzwerk und seiner Internetseite forcierten.

Bisher blieb die Suche nach den Betreibern scheinbar ohne Erfolg. Zwar gab es Razzien beim Berliner NPD-Landesvorsitzenden Sebastian Schmidtke, der auf Publikationen des „NW-Berlin“ als Presserechtlich Verantwortlicher genannt wurde, oder beim Neuköllner NPD-Vorsitzenden Sebastian Thom, der verdächtigt wird mit dem Rudower Neonazi Patrick Weiß „an mindestens neun Hauswänden großflächige Schriftzüge mit rechtsextremistischen Inhalten aufgesprüht und Fotos“ bei NW-Berlin hochgeladen zu haben. Besonders kurios war ein Fall, als im Juni 2012 neben „NW-Berlin“-Sprühereien die Brieftasche des NPD-Politikers Alf Börm, Abgeordneter im Kreis Nordwestmecklenburg und Vorsitzender der Jungen Nationaldemokraten in Mecklenburg-Vorpommern gefunden wurde.

 

Volksverhetzung, öffentliche Aufforderungen zu Straftaten und Beleidigung

 

Wie  letzte Woche bekannte wurde, trifft die erste Anklage in dem Fall aber jemand ganz anderen, nämlich den Dortmunder Neonazi Dennis Giemsch. Offenbar führten die Daten aus einem Rechtshilfeersuchen des Berliner LKA an die USA zu Giemsch, Ex-Anführer des verbotenen „Nationalen Widerstands Dortmund“, nun „Die Rechte“- Multifunktionär in NRW. Er soll als Provider für die technische Realisierung der Homepage gesorgt und gewusst haben, was für Inhalte auf darüber verbreitet wurden. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft werden dem Dortmunder Neonazikader Volksverhetzung, öffentliche Aufforderungen zu Straftaten und Beleidigung vorgeworfen. Bereits im März 2013 war die Anklage in Berlin gegen ihn erhoben worden, allerdings ist bisher nicht absehbar, wann die Hauptverhandlung beginnt. Weitere Ermittlungen in Sachen „NW-Berlin“ sind noch nicht abgeschlossen.

Allerdings muss das rechte Netzwerk weitere Rückschläge hinnehmen: Der Szenetreffpunkt und NW-Stützpunk „Lück58“ in Berlin-Lichtenberg schließt zum Mai 2014. Es war das Ergebnis eines Vergleichs zwischen Vermieter und dem Neonazi-Tarnverein „Sozial engagiert in Berlin e.V.“ am vergangenen Freitag vor dem Verwaltungsgericht. Nach der Offenlegung des Treffpunktes klagte der Vermieter, der die Rechten so schnell wie möglich wieder loswerden wollte. Auch wenn sie im Internet das Ergebnis lapidar als „hinnehmbar“ bezeichnen, kommt der rechten Szene Berlins dadurch ein weiterer wichtiger Treffpunkt abhanden. Seit zwei Jahren fungierte der ehemalige Gardinenladen als Rückzugsraum, Lager und Veranstaltungsort. Zuletzt fand dort Anfang Oktober ein bundesweites „Metapedia“-Autorentreffen statt, bei dem sich Mitwirkende der rechtsextremen Onlineenzyklopädie austauschten.

Ebenfalls am Freitag wurde eine der Führungsfiguren des Netzwerks, Björn Wild, ehemaliger Anführer der verbotenen Kameradschaft Tor in Mitte, von Unbekannten attackiert und schwer verletzt. Nach Polizeiangaben wurde er auf seinem Fahrrad zunächst gestoppt, überfallen und seines Handys beraubt. Erst vor wenigen Wochen war Stephan Alex, Mitglied des NW-Tarnvereins und laut Szenekennern Anti-Antifa Fotograf, von Unbekannten verprügelt worden.

Für Samstag wird auf rechten Internetseiten nach Berlin mobilisiert, um für den "JN-Landesvorsitzenden aus Berlin auf die Straße zu gehen".