Nach 20 Jahren: PKK Verbot endlich aufheben!

Im Frühjahr 2013 verkündete die PKK einen einseitigen Waffenstillstand und begann mit dem Rückzug von bewaffneten Einheiten aus der Türkei. Damit soll ein erneuter Versuch gestartet werden den Krieg in Kurdistan zu beenden und einen nachhaltigen politischen Prozess für einen gerechten Frieden in der Region herzustellen. Vor bereits 20 Jahren scheiterte der erste Waffenstillstand, einer militärischen Eskalation in der Türkei folgte damals auch das Verbot der PKK in Deutschland. Es ist höchste Zeit es aufzuheben! Aber zunächst ein Blick zurück ...

 

Vor 20 Jahren – zum kurdischen Neujahrsfest Newroz – im März 1993 verkündete die PKK ihren ersten Waffenstillstand. 15000 Kämpfer und Kämpferinnen gehörten damals den Guerilla-Einheiten an und sie genossen große Sympathie in weiten Teilen der Bevölkerung. Doch der 1984 begonnene bewaffnete Kampf sollte beendet, die kurdische Frage politisch gelöst werden. Schon damals war klar, dass es in diesem Krieg keine militärischen Sieger geben kann. Das türkische Militär hingegen setzte auf Vernichtung und Krieg. Dem Waffenstillstandsangebot der PKK folgte eine militärische Großoffensive und die weitere Eskalation des schmutzigen Krieges gegen die kurdische Bevölkerung. Die türkische Armee überzog die kurdischen Gebiete mit einem Krieg der verbrannten Erde. 2.000.000 Menschen waren auf der Flucht, Tausende getötet, verletzt, inhaftiert, verschleppt und gefoltert. Alleine im Jahr 1993 zählte der türkische Menschenrechtsverein IHD 874 zerstörte Dörfer.

Mit der Eskalation des Krieges in der Türkei wuchsen aber auch Protest und Widerstand der geflüchteten Kurden und Kurdinnen in Deutschland und in West-Europa. Im Mai 1993 demonstrierten über 100.000 Menschen in der damaligen Hauptstadt Bonn für die Beendigung des Krieges. Bündnisse wurden geschlossen, Delegationsreisen organisiert sowie die immensen deutschen Waffenlieferungen an die Türkei scharf kritisiert. Auf die deutsche Regierung sollte Druck ausgeübt werden, die Unterstützung des Krieges gegen die kurdische Bevölkerung aufzugeben. Vergebens.

Während die türkische Regierung „die endgültige Vernichtung der PKK“ ankündigte, erklärte Deutschland die PKK zum „Staatsfeind Nr. 1“. Am 26. November 1993, verkündete der damalige CDU-Innenminister Manfred Kanther das Verbot der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in Deutschland. Noch am selben Tag wurden landesweit 35 kurdische ArbeiterInnen- und Kulturvereine geschlossen und ihre Räumlichkeiten durchsucht, die kurdische Europavertretung und Nachrichtenagentur verboten. Damit erreichte eine jahrelange Repression gegen die kurdische Freiheitsbewegung in Deutschland ein neues, bis dahin unbekanntes Niveau, das bis heute die Grundlage der Verfolgung darstellt. Tausende Aktive wurden seither mit Strafverfahren überzogen, wegen des Rufens von Parolen oder des Zeigens von Bildern des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan verurteilt oder als sog. Rädelsführer über die Terrorismus-Paragraphen 129a/b StGB über Jahre inhaftiert. Brutalen Polizeiübergriffen auf Demonstrationen folgten Hausdurchsuchungen und Einschüchterungen durch Geheimdienste und Abschiebeandrohungen. Scheinbar gleichgeschaltete Medien vermittelten parallel dazu das passende Bild: Kurde = PKK = Terrorist! Kurden und Kurdinnen, die vor dem Krieg aus der Türkei geflohen waren, die den Menschenrechtsverletzungen und Dorfzerstörungen entkommen konnten oder nach der Folter in den Gefängnissen glaubten nun in einem sicheren Land zu leben wurden eines besseren belehrt. Wie in Kurdistan, wie in der Türkei war nun alles verboten: Kulturhäuser, Bücher, Zeitschriften und Verlage, Demonstrationen, Feste und Versammlungen. Wer sich dagegen wehrte wurde mit massiver Repression überzogen. Eine aufstrebende und gut organisierte Freiheitsbewegung sollte auch hier zerschlagen werden, Demokratie- und Menschenrechte hin oder her.

Die deutsche Verbotsverfügung gegen die kurdische Freiheitsbewegung wurde noch am selben Tag von der türkischen Regierung „mit tiefer Befriedigung zur Kenntnis genommen.“ Schließlich war und ist die Türkei einer der wichtigsten wirtschaftlichen Handelspartner Deutschlands und als NATO-Bündnispartner von elementarer geostrategischer Bedeutung für die eigene wirtschaftliche Expansion in den nahen und mittleren Osten.

Es folgte eine bleierne Zeit für die kurdische Bewegung, die Zerschlagung der Gemeinschaft, der Kommunikation und des öffentlichen Raums, die Einschüchterung der Individuen und ihre Isolierung in Deutschland. Doch trotz aller Repression konnten die Strukturen, Medien und sozialen Räume nie ganz zerstört werden.

Weder der fortlaufende Krieg noch die Verhaftung Abdullah Öcalans vor 15 Jahren konnten die kurdische Freiheitsbewegung brechen. 1998 musste der PKK-Vorsitzende aufgrund eines internationalen Komplotts seinen langjährigen Aufenthaltsort in den kurdischen Gebieten Syriens verlassen und wurde nach einer 4monatigen Odyssee durch die halbe Welt schließlich in Kenias Hauptstadt Nairobi gefasst und an die Türkei ausgeliefert. Seither befindet er sich als einziger Gefangner auf der Gefängnisinsel Imrali in ständiger Isolationshaft. Draußen verstand es die kurdische Freiheitsbewegung nach Rückschritten und Niederlagen immer wieder, sich selbst zu erneuern, strukturell wie inhaltlich. Durch das Konzept des demokratischen Konföderalismus, durch den Auf- und Ausbau der kommunalen Selbstverwaltung und der stetigen Erneuerung ihrer Parteistrukturen nach türkischen Verbotsorgien ist in den kurdischen Gebieten eine neue, tief verankerte zivilgesellschaftliche Gegenmacht entstanden, die mächtiger und präsenter scheint den je. Nach Sondierungsgesprächen mit Vertretern des türkischen Staates hat Abdullah Öcalan aus der Haft heraus im Frühjahr 2013 den Beginn eines neuen demokratischen Lösungs- und Friedensprozesses deklariert. Vor 2 Millionen Menschen wurde in Diyrabakir ein einseitiger Waffenstillstand und der Rückzug von Guerillaeinheiten in den Irak verkündet. Eine „Road Map für den Frieden“ soll nun in mehreren Phasen umgesetzt werden. Doch der Friedensprozess stockt, da nun die AKP-Regierung an der Reihe ist, spürbare Reformen in Gang zu setzen. Die kurdische Seite fordert den verfassungsrechtlichen Schutz der kurdischen Identität und Kultur, die Anerkennung der demokratischen Autonomie und die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung sowie das Recht auf muttersprachlichen Unterricht. Ein von Ministerpräsident Erdogan vorgestelltes „Demokratisierungspaket“ wird aber vielerorts nur als Teil einer Hinhalte- und Betrugsmasche gewertet, zumal eine Regelung zur Frage der über 9000 kurdischen politischen Gefangenen fehlt und zudem gerade mit dem Bau von 166 neuen Militärstützpunkten in den kurdischen Landesteilen der Türkei begonnen wurde. Die Anfangseuphorie ist mittlerweile wieder in starkes Misstrauen gewichen, manche glauben sogar, dass sich die AKP auf einen neuen großen Krieg vorbereitet und nicht auf eine friedliche Lösung. Erschwerend kommt hinzu, dass von Seiten der USA, der NATO und der EU keinerlei Druck auf die Türkei ausgeübt wird, sich ernsthaft um einen Friedensprozess zu bemühen. Hier setzt eine Demonstration am 16.11.2013 in Berlin an, die nach 20 Jahren die Aufhebung des PKK-Verbots sowie die Streichung der PKK von der Terrorliste der EU fordert – als wichtige Schritte auf dem Weg zum ernstgemeinten Dialog und gerechten Konfliktlösung.

Weder ein mörderischer Krieg, noch staatliche Repression und Verbote haben es geschafft, die kurdische Freiheitsbewegung zu zerschlagen. Im Gegenteil, sie hat sich immer wieder neu entwickelt und scheint heute stärker denn je. Der Aufbau von Selbstverwaltungsstrukturen in den kurdischen Gebieten Syriens stellt zudem einen der wenigen Hoffnungsschimmer im brutalen syrischen Bürgerkriegsgemetzel dar. Was vor 30 Jahren mit einer kleinen studentischen Gruppe und den Idealen der sozialistischen Befreiungsbewegungen begann hat sich bis heute zu einer tief verankerte gesellschaftliche Gegenmacht entwickelt. Die kurdische Befreiungsbewegung und Bevölkerung sehnt sich nach Gerechtigkeit und Frieden, genau das gilt es zu unterstützen - mit allen Mitteln der internationalen Solidarität.

Nähere Informationen zur Demonstration am 16.11.2013, 11 Uhr, Alexanderplatz, Berlin:

http://friedenstattverbot.blogsport.de

Nähere Informationen zur Infoveranstaltung am 12.11.2013 in der Desi, Brückenstraße 23, Nürnberg:

www.redside.tk