Ehemaliger "Schützen" wird zwangsversteigert

Seit fast zehn Jahren betreibt Trinh Sachse in dem Haus an der Merianstraße ein Vietnam-China-Restaurant.
Erstveröffentlicht: 
23.02.2012

Erst vornehmes Hotel, dann Skinhead-Kneipe: Das Haus an der Merianstraße in Wehr hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich.

 

Von: Barbara Schmidt und Hansjörg Bader

 

WEHR. Früher war es eines der besten Hotels der Stadt, dann vorübergehend ein Treffpunkt von Rechtsextremen, seit knapp zehn Jahren beherbergt es nun ein vietnamesisch-chinesisches Restaurant. Jetzt kommt ein weiteres Kapitel zu der wechselvollen Geschichte des Hauses Merianstraße 19 in Wehr hinzu: Am 11. April wird das Gebäude mitsamt Grundstück vom Amtsgericht Waldshut-Tiengen versteigert.

Das Haus stammt aus dem Jahr 1928. Erbaut hat es Karl Büche, 1929 nahm das Hotel Schützen seinen Betrieb auf. Spätere Besitzer waren Karl Büches Sohn Helmut mit zwei Schwestern. Der "Schützen" galt neben dem Hotel Wehrahof als vornehmstes der Stadt. Kommunalpolitiker und Vereine trafen sich dort, es gab gutes Essen und auch Hochzeitspaare feierten gerne im "Schützen". Ältere Wehrer erinnern sich noch gerne an die Hausbälle zur Fasnacht.

Um die Jahrtausendwende wurde dann das dunkelste Kapitel der Hausgeschichte geschrieben. Das Haus hatte inzwischen den Besitzer gewechselt, und die Gaststätte (inzwischen gab es in dem Gebäudekomplex sogar noch eine zweite) mehrfach den Pächter.

Die Musikkneipe "Reißverschluss" entwickelte sich zeitweise zu einem Treffpunkt der Skinheadszene. Die rechtsextreme Band "Blutrausch" probte eine Zeitlang im Getränkekeller, bei Konzerten drangen Heil-Hitler-Rufe aus der Kneipe nach draußen. Am 2. November 2001 schloss die Stadt das Lokal. An diesem Tag hätte wieder ein Konzert mit Musikern der rechtsradikalen Szene stattfinden sollen, doch eine Hundertschaft der Polizei rückte an und riegelte alle Zufahrtsstraßen ab. Mögliche Konzertbesucher wurden gleich wieder heimgeschickt. Keine drei Wochen später löste der Hausbesitzer den Pachtvertrag mit dem Wirt und distanzierte sich öffentlich von rechtsradikalem Gedankengut.

Aus dem "Reißverschluss" wurde das Vietnam-China-Restaurant Trúc Mai, das es bis heute geblieben ist. Um das Haus kehrte Ruhe ein. Dass es jetzt versteigert werden soll, überrascht den Pächter Trinh Sachse nicht. Vieles sei renovierungsbedürftig, daher werde er seinen Pachtvertrag Ende des Jahres auslaufen lassen, sagte der aus Vietnam stammende Gastwirt auf Anfrage der BZ. Sie seien schon auf der Suche nach einem neuen Lokal in Wehr. Wenn der neue Besitzer investiere, könnten sie ihr Restaurant aber auch am jetzigen Ort weiterbetreiben, so Sachse. Vorerst hat der Familienbetrieb ganz normal geöffnet.

Die ehemaligen Hotelzimmer sind als Ein-Zimmer-Appartments vermietet, elf Stück an der Zahl. Im Haus befinden sich außerdem zwei Wohnungen. Für das Gebäude mit 848 Quadratmetern Freifläche hat das Gericht einen Verkehrswert von 221 000 Euro festgesetzt. Der Besitzer war bis Redaktionsschluss nicht zu erreichen.