[GP] Verletzte bei Protest gegen Neonazi-Demo

[GP] Verletzte bei Protest gegen Neonazi-Demo - 1
Erstveröffentlicht: 
14.10.2013

Polizeieinsatz. Am Rande des Aufmarsches von Rechtsextremen ist es in Göppingen zu Ausschreitungen gekommen. Von Karen Schnebeck

 

Göppingen. Auch in diesem Jahr sind wieder Menschen verletzt worden, auch in diesem Jahr sind Rechtsextremisten durch Göppingen marschiert und haben ihre Parolen skandiert - doch im Gegensatz zu den Ausschreitungen im vergangenen Jahr scheint die Polizei die Lage diesmal besser im Griff gehabt zu haben: Ein großer Teil der nordwestlichen Innenstadt, vom alten Güterbahnhof über den Zentralen Omnibusbahnhof, die Grabenstraße bis über den Schillerplatz hinaus war schon am frühen Vormittag abgesperrt.

Für die Gegendemonstranten gab es deswegen kaum eine Chance, auch nur in die Nähe der Rechtsextremisten zu kommen. Insgesamt 141 von ihnen waren zu der von den Autonomen Nationalisten, der NPD und den Jungen Nationaldemokraten angemeldeten Demonstration in die Stadt gekommen. Ihnen gegenüber standen Hunderte von Gegendemonstranten.

Immer wieder gab es Zusammenstöße mit der Polizei, wenn die meist jungen Gegendemonstranten versuchten, die Absperrungen zu überwinden. Laut Polizei flogen Flaschen, Steine und Böller, insgesamt sieben Beamte wurden dabei verletzt. Einige mussten mit Verdacht auf Knalltraumata ins Krankenhaus gebracht werden. Auf der anderen Seite erlitten Demonstranten Verletzungen durch Schlagstöcke und Pfefferspray. Sanitäter bezifferten ihre Zahl auf rund 60.

Die Ankunft der Neonazis in der Stadt war verzögert worden, weil Gegendemonstranten den Bahnverkehr blockierten: Unbekannte hatten westlich von Göppingen bei Reichenbach (Kreis Esslingen) brennende Reifen auf die Gleise gelegt, später lagen Holzpaletten auf der Strecke. Nachdem diese weggeräumt worden waren, stellten sich Gegendemonstranten auf die Gleise. Ein Zug wurde beschädigt, als Unbekannte dessen Fenster mit Steinen einwarfen. Auch der Zugverkehr aus Richtung Ulm endete zeitweise in Göppingen. Neben Polizisten und Gegendemonstranten irrten Menschen in Dirndl und Lederhosen durch die Stadt, die eigentlich auf das Cannstatter Volksfest gewollt hatten.

Jeweils zwischen 30 und 50 Gegendemonstranten wurden derweil von Polizisten an drei Stellen in der Stadt eingekesselt, in der Unteren Marktstraße kurz vor dem Bahnhof, in der Nähe des Schillerplatzes beim Alten Kasten und in der Marstallstraße. Andere Gegendemonstrationen zogen weiter durch die Stadt und versuchten, an die Neonazis heranzukommen. Die Beamten hielten sie mit zweifache Absperrungen in Schach. Vielerorts fungierten übermannshohe Gitter, die mit weißen Folien bespannt waren, als Sichtschutz. Stellenweise wurden auch Mannschaftsbusse der Polizei quer über die Straßen gestellt. 'Wir wollten damit verhindern, dass sich die Gruppen gegenseitig aufstachelten', so der Polizeisprecher Rudi Bauer.

Noch bevor die ersten Neonazis gegen 13 Uhr in der Stadt ankamen, gab es Verletzte: Eine weinende 15-jährige aus Heilbronn sagte, sie sei von Polizei und anderen Gegendemonstranten an die Wand gedrückt worden und habe Pfefferspray ins Gesicht bekommen. Zwei junge Männer mit Kopfplatzwunden schilderten, wie sie von hinten von Polizisten mit dem Schlagstock angegriffen worden seien, als sie versucht hätten, in Richtung der Absperrungen zu gelangen. 'Und als ich auf dem Boden lag, habe ich noch Tritte abbekommen', berichtete einer der beiden. Der Polizeichef Martin Feigl sprach hingegen davon, dass 'Gewalttäter die direkte Konfrontation mit der Polizei' suchten.

So hatten mehrere Gruppen von Antifaschisten die Gegendemonstration des Bündnisses 'Nazis stoppen' auf dem Bahnhofsvorplatz verlassen, waren durch die Fußgängerzone gestürmt und in Richtung Schillerplatz gezogen. Die Bürger, die sich vor dem Rathaus zu einer anderen, großen Kundgebung des Vereins 'Kreis Göppingen nazifrei', der SPD, der Grünen und der Gewerkschaften getroffen hatten, schüttelten resigniert die Köpfe. Alex Maier, der Vorsitzende von 'Kreis Göppingen nazifrei', erklärte: 'Sobald Menschen verletzt werden und Rechte eingeschränkt sind, muss man über die Taktik der Gegenproteste und des Einsatzes diskutieren.' Kurze Zeit später war der zuvor noch gut besuchte Marktplatz leer.

Immer mehr Menschen zog es Richtung Schillerplatz, wo die Neonazis demonstrieren sollten. Doch die Polizei hatte den Platz abgesperrt. Die Zufahrten waren ebenfalls dicht. Die Polizei wollte auf Nummer sicher gehen und Ausschreitungen wie im vergangenen Jahr auf jeden Fall verhindern.

Weil der Marsch der Neonazis zum Schillerplatz wegen der Verzögerungen erst nach 15 Uhr beginnen konnte, kürzte die Polizei die Route ab. Zudem hatten die Beamten wegen der Störmanöver der Gegendemonstranten weniger Beamte vor Ort als geplant. Die Rechtsextremisten wurden deshalb auf dem kürzesten Weg zu dem Platz geführt, wo gegen 16 Uhr ihre Kundgebung begann. Danach ging es auf der selben Strecke zurück. Gegen 18 Uhr endete der Spuk mit einer weiteren Kundgebung vor dem Bahnhof, die von einem Pfeifkonzert jenseits der Absperrungen und Sichtschutzwände übertönt wurde. Dort standen rund 80 Gegendemonstranten mit Vuvuzelas und Trommeln.

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Weit mehr als 2000 Polizisten im Einsatz

Verletzte Laut dem Polizeibericht sind in Göppingen sieben Polizisten von Gegendemonstranten verletzt worden. Sanitätern zufolge liegt die Zahl der Verletzten im Lager der Gegendemonstranten bei rund 60. Die Polizei setzte mehr als 500 Menschen vorübergehend fest und nahm ihre Personalien auf - einige von ihnen werden verdächtigt, den Zugverkehr behindert zu haben, andere sollen mit Gewalt versucht haben, die Absperrungen zu überwinden. Die Zahl der Straftaten lässt sich noch nicht exakt beziffern. Im vergangenen Jahr wurden in der Stadt 28 Polizisten verletzt. Wegen Straftaten wurden anschließend 230 Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Einsatzkräfte In Göppingen waren rund 1700 Polizisten aus dem ganzen Land im Einsatz. Hinzu kommen mehr als 500 Bundespolizisten im Bereich des Bahnhofs.

NSU-Umfeld Unter den Rechtsextremisten in Göppingen, waren einige aus dem direkten NSU-Umfeld, etwa Karl-Heinz Statzberger, der für die Szene den Prozess in München beobachtet. Außerdem der Bruder des Angeklagte Andre E., Mike E. Beide gelten als Führungsfiguren der Szene. Außerdem war Roland Wuttke vor Ort, der per Mail Kontakt zu dem norwegischen Attentäter Anders Breivik gehabt haben soll.