Verfassungsschutz hat auch Grüne im Visier

Erstveröffentlicht: 
27.09.2013

Der Skandal um verbotene Datenspeicherung beim niedersächsischen Verfassungsschutz weitet sich aus: Die Behörde hat nach Informationen von NDR 1 Niedersachsen nicht nur Daten über Journalisten, sondern auch über eine Mitarbeiterin der Grünen-Landtagsabgeordneten und Landesvorsitzenden Julia Willie Hamburg gesammelt. Hinter verschlossenen Türen informierte Verfassungsschutzpräsidentin Maren Brandenburger den zuständigen Landtagsausschuss über die neuen Erkenntnisse. Zur Brisanz mochte sie sich gegenüber NDR 1 Niedersachsen aber nicht äußern, sie sei zur Geheimhaltung verpflichtet.

 

Anruf von der Verfassungsschutzpräsidentin

 

Brandenburger informierte die betroffene Grünen-Mitarbeiterin, Julia Amthor, telefonisch darüber, dass der Verfassungsschutz seit Jahren Informationen über sie gespeichert hat. "Ich kann nicht nachvollziehen, warum ich ins Visier des Verfassungsschutzes geraten bin", sagte Amthor. "Mein demokratisches Engagement unterscheidet sich nicht von dem zahlreicher anderer Mitglieder der Grünen und der Grünen Jugend."

 

Pistorius kündigt Konsequenzen an

 

Von kommender Woche an sollen jetzt alle zu rund 9.000 Personen in Niedersachsen gespeicherten Datensätze unter die Lupe genommen werden. "Ich bin fast sprachlos über das Vorgehen in der Behörde und muss konstatieren, dass ich entsetzt bin über den Zustand, in dem sie die alte Landesregierung uns überlassen hat", sagte Innenminister Boris Pistorius (SPD) am Freitag.

 

Anti-linke Haltung im niedersächsischen Verfassungsschutz?

 

Die Grünen sehen den neuen Fall als Beleg für eine grundsätzlich anti-linke Haltung im niedersächsischen Verfassungsschutz, die Ex-CDU-Innenminister Uwe Schünemann geschürt habe. Zwar habe Julia Amthor gegen Castortransporte und Nazi-Aufmärsche in Bad Nenndorf demonstriert und an Sitzblockaden teilgenommen. Aber, betont der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Helge Limburg: "Das alles bietet keinen Anlass dafür zu vermuten, es handele sich bei Amthor um eine Person des linksextremen Milieus."

 

Grüne fordern Aufklärung

 

Er selbst habe sich gegen rechts auf die Straße gesetzt und andere Mitglieder der Grünen-Fraktion hätten sich gegen Castortransporte engagiert, so Limburg weiter. Amthor falle da nicht aus dem Rahmen. Limburg fordert weiterhin eine intensive Aufklärung des Datensammel-Skandals und Konsequenzen für den Verfassungsschutz, damit sich "ein so unglaublicher Skandal wie in der Ära Schünemann nicht mehr wiederholt".

 

Stichproben brachten verbotene Daten über Reporter zutage

 

Bei Stichproben hatte Brandenburger unrechtmäßig gesammelte Daten über Journalisten entdeckt. Darunter war die Rechtsextremismusexpertin und Journalistin Andrea Röpke. Ihre Anfrage beantwortete der Verfassungsschutz im vergangenen Jahr mit dem Hinweis, es seien keine Daten über sie gespeichert. Tatsächlich wurden die Daten aber in dem Moment gelöscht.

 

Journalistin erstattete Anzeige

 

Röpke hat Strafanzeige gegen die Verfassungsschützer erstattet. Im Landtag hatten die Fraktionen über die Verantwortung für den Skandal gestritten. SPD und Grüne lasten ihn Ex-Innenminister Schünemann an, CDU und FDP attackierten Behördenchefin Brandenburger, weil sie Daten gelöscht habe anstatt sie zu sperren.