Neues aus der SV-Anstalt

thomas meyer falk

Hier drinnen, in Freiburgs „Totenhaus“ regt sich durchaus Leben, davon soll heute die Rede sein. Aber auch von der Firma Massak Logistik GmbH (massak.de), über die ich schon in der Vergangenheit berichten durfte.

 

 

Der Bürgerkreis

 

Wer relativ abgeschottet in Freiburgs Sicherungsverwahrungsanstalt sitzt, wie ein Anhängsel an die Hauptanstalt angebaut, quasi der Blinddarm des Strafrechtssystems, darf dennoch, sofern keine Sicherheitsbedenken bestehen, an Freizeitaktivitäten im Strafbau teilnehmen. Ich nutze dies zum Beispiel für den Hofgang, kann dann also eine Stunde am Tag mit den dortigen Gefangenen in deren riesigem Hof spazieren, von wo man auch umliegende Uni-Gebäude und sogar das Münster sehen kann. Oder um den erwähnten „Bürgerkreis“, ein schon seit Jahrzehnten existierendes Gesprächsgruppen-Angebot, zu besuchen. Angeleitet zur Zeit von einer Studentin und zwei lebensälteren BürgerInnen, die sich ehrenamtlich engagieren.

Dort wird dann in einem Raum der Gefängnisschule einmal in der Woche 1 ½ Stunden über ein bestimmtes Thema diskutiert; am 13. August ging es um die Frage: „Was macht das Leben lebenswert“. Jeder kann sich dazu äußern. Alle kommen zu Wort, jene, die gerne und ausgiebig erzählen, aber auch jene, die sich eher zurückhaltend geben.

Erfreulich ist die kulturelle Vielfalt der Gruppe, denn im Gegensatz zur Sicherungsverwahrung, wo über 90% der Bewohner deutsche Staatsangehörige sind, findet sich im Strafhaftbau ein hoher Anteil an Migranten. Und auch die Altersstruktur ist heterogener.

Kommende Woche soll es übrigens um die Frage gehen: „Familie und Familiengründung?“; dies weist auf einen wichtigen Aspekt der Diskussionsrunde hin: ein stückweit soll versucht werden, den Knastalltag zu durchbrechen und nicht auch dort noch über das Gefängnisleben breit diskutiert werden. Was nicht ausschließt, dass auch das mal Thema wird, aber es ist nicht die Regel.


Die Knastbeamten

Der Leiter des uniformierten Dienstes auf der „Station für Individualbetreuung mit Wohngruppenangebot ohne verpflichtende Teilnahme“ (Knast befürchtet Befreiungsversuche und dort dann in der PDF-Datei nachzulesen) ist Amtsinspektor Kl. und schon lange Jahre im Bereich der Sicherungsverwahrung tätig. Nach Aussage von Mitverwahrten sei er heutzutage ein Ausbund an Freundlichkeit im Vergleich zu früher – wenn dem so sein sollte, möchte ich gar nicht wissen, wie er früher war. Jedoch sind mir persönlich Beamte recht lieb, die ihre Abneigung in Mimik, Körpersprache und Tonfall direkt kund tun; lieber jedenfalls als jene, die sich gewissermaßen „ranzwanzen“ mit purer Freundlichkeit, nur um dann „hintenherum“ durch Aktenvermerke und ähnliches ihr Mütchen zu kühlen.

Kl. sitzt dann über Stunden in seinem verglasten Büro, durch das Spiegelglas vor direkter Beobachtung geschützt und scheint darauf zu warten, dass der Feierabend endlich naht. Hat er Dienst, sieht man auch jeden Morgen Diplom-Sozialarbeiterin B. bei ihm auftauchen, und dann wird in einem „Dienstgespräch“ und hinter verschlossener Türe das Stationsleben erörtert – vermutlich, denn nichts genaues weiß man nicht. Akkurat inspiziert Kl. auch die ein- und ausgehende Post, d.h. kontrolliert sie auf Beilagen (wie z.B. verbotene Sägeblätter ;), was, dies nur nebenbei, durchaus eine Verbesserung zur vorangegangenen Strafhaftzeit in Bruchsal darstellt: dort wird in einem zentralen Büro Post geöffnet und auf Beilagen geprüft und man bekommt die Post dann schon geöffnet auf die Zelle. In der JVA Freiburg wird die Post jedoch in Gegenwart der Verwahrten/Gefangenen geöffnet und nicht gelesen, es sei denn, man hat „besondere Sicherungsmaßnahmen“, was bei mir nicht der Fall ist.

PsychologInnen und SozialarbeiterInnen gibt es auch, sind jedoch im Alltag nahezu unsichtbar, es sei denn, sie suchen jemanden zum Gespräch auf. Weibliches Schließpersonal wird auf Station 2, auf der ich wohne, nicht eingesetzt, denn die Abteilung gelte in den Augen der Justizvollzugsanstalt, so die Einschätzung der Mitbewohner, als „frauenfeindlich“, wobei sie sich hiergegen jedoch verwahren. Der Anteil an Sexualtätern dürfte auf hiesiger Station sogar leicht unter den für die Gesamtanstalt [Anm. d. Abtipp-Menschen: gemeint ist hier die gesamte SV-Anstalt] geltenden 70% liegen. Auch sei es hier, im Gegensatz zu den „Therapiestationen“, noch nie zu Übergriffen auf Beamte oder Verwahrte untereinander gekommen. Und das obwohl „Station 2“ als Problemstation gilt, da hier „Therapieverweigerer“ und angeblich besonders „gemeinschaftsunverträgliche“ Verwahrte leben.


Der Knasthof

Wie eingangs erwähnt, gibt es einen Hof für den Strafhaftbau, jener Hofbereich ist riesig, mit einem vielfältigen Angebot an Sportmöglichkeiten (Fußball, Kraftsport, Tennis, Tischtennis, Volleyball, Boccia); entsprechend dem Status als bloßer Wurmfortsatz, ist das Angebot für die Verwahrten und deren Hof minimal, bzw. die Bewegungsfläche ein Witz. Optisch ist der SV-Hof auf den ersten Blick durchaus ansehnlich, denn es gibt eine Holzterrasse, eine Pergola (eine Holzkonstruktion, die die Verwahrten jedoch eher an Galgen erinnert, da es an jeglicher Begrünung der Pergola mangelt) und eine kleine Wiese. Auf dieser Wiese sind einige, jeweils ca. 1 m2 große Felder angelegt, so dass, wer möchte, sich gärtnerisch betätigen kann. Was aus Sicht der Anstalt dann gleich zur therapeutischen Maßnahme geadelt wird, denn die Samen stellt die JVA kostenlos zur Verfügung. Dafür sind dann ein Sozialarbeiter und eine Vollzugsbeamtin des uniformierten Dienstes formal die „Gartenbeauftragten“.

Immerhin kann man Tischtennis spielen oder an einem der beiden Tische sitzen, trotzdem ist in der Summe der Anblick trostlos, denn der Hof presst sich hinein in ein kleines Rechteck, auf drei Seiten von dem hohen Knastgebäude begrenzt und auf der anderen Seite die NATO-Draht bewehrte Knastmauer, hinter der der Strafbau liegt.


Lebensmitteleinkauf und die Firma Massak Logistik GmbH

Schon aus der JVA Bruchsal hatte ich mehrfach über diese bayerische Firma berichtet, die seit über 10 Jahren Gefängnisse mit Lebensmitteln und anderen Waren des täglichen Bedarfs beliefert (Gefängnisladen-Betreiber im Schlaraffenland & Knast-Shop-Preise ein Ärgernis!). Inhaftierte dürfen in der Regel zwei Mal im Monat auf eigene Kosten Nahrungs- und Genussmittel, aber auch Sachen wie Duschgel kaufen. Während viele Anstalten auf „Sichteinkauf“ setzen, d.h. es gibt vor Ort im Gebäude der JVA einen kleinen Shop, wird zunehmend auf „Listeneinkauf“ umgestellt. Hier muss man aus einer nummerierten Liste die Nummern heraus schreiben und bekommt Tage später fertig gepackte Kisten angeliefert. Hierauf hat Massak sich spezialisiert.

Nicht alles wäre „gut“, aber manches zumindest besser, würden nicht die Preise, die Massak verlangt, stellenweise erheblich über denen von Ketten wie LIDL oder ALDI liegen, oder gar über jenen von EDEKA (letzteres ist deshalb von Interesse, weil Werner Massak, einer der Inhaber der Firma, an weiteren Firmen beteiligt ist, denen EDEKA-Märkte gehören.) Auch Hygiene und Kühlkette ist immer wieder ein Diskussionsthema. In Freiburg erhalten die Kunden, dazu zählen hier im SV-Bereich die Verwahrten und im anschließenden Gebäude die Untersuchungsgefangenen, ihre Waren in einem verdreckten Arbeitsraum ausgehändigt, von dem zur Zeit der Wirtschaftskontrolldienst und die Verbraucherschutzabteilung des Ordnungsamtes der Stadt prüfen, ob er überhaupt geeignet ist für den Lebensmittelabverkauf. Die Kühlkette ist auch nicht ausnahmslos gewährleistet; das verkaufte Obst und Gemüse in Teilen nicht verkehrsfähig, da völlig verschimmelt.


Wird letzteres noch rechtzeitig von der Kundschaft bemerkt, bekommt man zwar den Betrag von der Rechnung abgezogen, jedoch keine Nachlieferung, muss also 14 Tage bis zu drei Wochen auf das eigentlich jetzt benötigte Obst und Gemüse verzichten.


Das Zusammenleben

Auf der „Station 2“ gestaltet sich der Alltag in der Regel ruhig. Was nicht ausschließt, dass mal laut geschrien wird, wenn eine Diskussion über ein Thema aus dem Ruder läuft. Oder über Stunden ein atemberaubender Gestank über den Flur wabert, weil ein Mitverwahrter mit viel Liebe zum Detail und viel Akkuratesse den Ablauf seines WCs verstopfte, aber dennoch in seiner Zelle die Notdurft verrichten musste.


Es gibt kleine Cliquen, auf jeder der vier Stationen, ganz wie im normalen Leben. Man kocht gelegentlich zusammen und isst miteinander, wenn man sich einigermaßen sympathisch ist. So gab es am 10. August ein sehr üppiges „Abschieds-Menü“ von Herrn V., der die SV in naher Zukunft in Richtung Psychiatrie verlassen wird, da das seine Resozialisierungs-Chancen verbessern soll: Griesnockerl-Suppe, Lachs auf Toast, Hähnchen mit Pommes, Vanille-Eis mit Kompott und abschließend Sahnetorte. Alles frisch zubereitet. Nur weil man in einem Knast sitzt, muss das nicht bedeuten, kulinarisch zu versauern.

Sicherheitshalber erwähne ich es: prosoziale Aktivitäten, ob nun gemeinsames Kochen, Konfliktschlichtung, und was sonst so alles passiert, finden kaum Eingang in die Vollzugspläne der Anstalt. Diese setzt auf reine „Defizitorientierung“, d.h. es wird dargestellt, was alles „nicht ist“, und nicht darauf geachtet, welche Ressourcen vorhanden sind. Aber das ist knasttypisch und kein originäres Problem der der SV-Abteilungen der JVA Freiburg.


Ausblick

Der Vollzugsalltag wird auch künftig viel Stoff für Meldungen bieten, denn von einem „freiheitsorientierten“ Vollzug, wie ihn das Bundesverfassungsgericht verlangt (Sicherungsverwahrung verboten?), ist man hier meilenweit entfernt. Gleiches gilt für die Vorgabe des Gerichts, den Verwahrten dürften nur solche Einschränkungen ihres Alltagslebens auferlegt werden, welche aus Sicherheitsgründen unabweisbar seien. Hier setzt die JVA ganz offen auf die „Klagefreudigkeit“ einiger weniger Verwahrter. Wobei es sich im Grunde fast nur jene leisten können, vor Gericht zu ziehen, die auf der „Verweigerer-Station“ leben, denn auf den drei Therapiestationen gibt es ein ziemlich simples Reaktionsschema der Bediensteten. Wer dort anfängt sich rechtlich nachdrücklich zu wehren, bekommt zu hören, dass „das nicht gut ist für den therapeutischen Prozess“. Das ist Warnstufe 1. Hilft dieser Wink mit dem Zaunpfahl nichts, wird man deutlicher: „Wem es hier auf der Therapiestation nicht passt, dem stehe es jederzeit offen, auf die „Station 2“ umzuziehen“, also besagte „Verweigerer“-Abteilung.


Einzelne Klagen werden durchaus akzeptiert, um kein Missverständnis aufkommen zu lassen, aber wer anfängt dort systematisch zu klagen, dem wird versucht das auszutreiben. Da lebt es sich diesbezüglich auf „meiner“ Station 2 viel, viel entspannter. Wenn nämlich die SV der Blinddarm des Strafrechtssystems ist, dann ist die „Station 2“ der hinterste, der dunkelste Winkel im Blinddarm ;)


Thomas Meyer-Falk, c/o JVA (SV-Abtl.)
Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg
http://www.freedom-for-thomas.de
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