Kritik am Gutschein-System: Diskriminierung der Asylbeweber?

Erstveröffentlicht: 
11.06.2013

Konstanz -  Asylbewerber bekommen im Landkreis Konstanz die Mittel für den Lebensunterhalt nur in Gutscheinen ausgezahlt. Die Gutscheine werden aber nicht überall akzeptiert. Ein Aktionsbündnis spricht von Diskriminierung.

Will ein Asylbewerber im Landkreis Konstanz frisches Gemüse auf dem Markt kaufen, muss er dazu sein Taschengeld heranziehen. Denn seine Mittel für den Lebensunterhalt bekommt er in Gutscheinen ausgezahlt, die in einigen Geschäften, aber in der Regel nicht auf dem Markt akzeptiert werden. Das Konstanzer Aktionsbündnis Abschiebestopp fordert den Landkreis auf, so wie andere im Land, Schluss zu machen mit dem Gutschein-System. Das Bündnis bezeichnet es in einem Brief ans Landratsamt als „diskriminierend“. Das Landratsamt allerdings will an den Gutscheinen festhalten, solange es das Gesetz nicht verbietet.

Die Behörde sei auf der rechtlich sicheren Seite, sagt Sozialdezernent Axel Goßner. Er weist darauf hin, dass der Haushaltsvorstand einer Asylbewerber-Familie von den 382 Euro für den Lebensunterhalt 134 Euro als Taschengeld ausgezahlt bekomme. Ihm stünden also Barmittel zur Verfügung für den Kauf persönlicher Dinge. Auch die Gutscheine seien fast wie Bargeld, allerdings könne man nicht alle Güter damit kaufen. Erst auf Nachfragen, sagt er, was gemeint ist: Alkohol und Zigaretten. Die Gutscheine könnten zwar in vielen, aber nicht in allen Geschäften eingelöst werden und nicht auf dem Wochenmarkt.

Das Aktionsbündnis bezieht sich auf eine Lockerung durch die vorläufigen Anwendungshinweise zum Asylbewerberleistungsgesetz. Sie öffne den Landkreisen den Weg zur Barauszahlung. „Rein rechtlich und vor allem auch menschlich gesehen gibt es keinen Grund, an dieser Sonderbehandlung für Geflüchtete festzuhalten“, schreibt das Aktionsbündnis in einem Brief ans Landratsamt. Susanne Scheiter, Sprecherin des Aktionsbündnisses, verweist auf das grundgesetzlich verankerte Diskriminierungsverbot. Sie hält das Gutscheinsystem für nicht länger tragbar. Das Aktionsbündnis schließt nicht aus, dass politische Erwägungen bei der Verweigerung der vollen Bargeldsumme eine Rolle spielen könnten.

Wasser auf die Mühlen der Kritiker war zuletzt ein Vorfall in der Flüchtlingsunterkunft in der Konstanzer Steinstraße. Diese hatten die überregionalen Flüchtlingsorganisationen „The Voice“ und „Karawane“ bei einer Bustour angesteuert. Sie machten dort Werbung für eine Informationsveranstaltung für Asylbewerber, sollen sich nach Angaben des Landratsamts davor allerdings nicht angemeldet haben. In einer Mitteilung beklagen die Aktivisten, Ludwig Egenhofer, stellvertretender Leiter der Eingliederungs- und Aufnahmebehörde im Kreissozialamt, habe mit dem Handy Fotos gemacht, als sie die Flüchtlinge ansprachen.

Auf Nachfragen beim Landratsamt bestätigt dies Sozialdezernent Goßner. Von den Aktivisten war dies als Versuch der Einschüchterung gegenüber Asylbewerber verstanden worden. In einer Mitteilung schreiben sie: „Werde bloß nicht aktiv, sprich erst gar nicht mit anderen, bleibe in Deiner Isolation, das ist die Botschaft, die gesendet werden soll.“

Axel Goßner wiederum sagt, Egenhofer sei in der Unterkunft gewesen, um notfalls das Hausrecht ausüben zu können. Er habe Fotos gemacht, als dies die Aktivisten auch getan hätten und Hetzparolen gegen das Landratsamt angestimmt worden seien. Es hätten die geschützt werden müssen, die nicht an der Informationsveranstaltung teilnehmen wollten.

 

Die Auszahl-Praxis:
Nach Erhebungen des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg halten noch zwölf Landkreise im Ländle am Gutschein-System für Asylbewerber fest, 15 Stadt- und Landkreise verteilen sogar Essens-pakete oder lassen Asylbewerber nur in einem Spezialladen der Unterkunft einkaufen. Von dieser Praxis hatte sich der Landkreis Konstanz schon vor einigen Jahren verabschiedet.Elf Stadt- und Landkreise haben nach Angaben des Flüchtlingsrats komplett auf die Ausgabe von Bargeld umgestellt. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Asylbewerberleistungsgesetz und den Lockerungen durch die „vorläufigen Anwendungshinweise“ sei dies rechtlich möglich, so der Flüchtlingsrat. Elf Stadt- und Landkreise sehen dies ebenfalls so. (rin)