Mit Nazi-Kunst auf Tournee

Erstveröffentlicht: 
04.05.2013

Ausstellung


Sozialstaatssekretär Büge gehört zur Burschenschaft Gothia. Diese soll 2006 eine Ausstellung mit Bildern aus der NS-Zeit gezeigt haben.

 

Von Sebastian Höhn

Die rechtsnationalen Umtriebe bei der Burschenschaft Gothia, zu der auch Sozialstaatssekretär Michael Büge (CDU) gehört, sind offenbar umfassender als bislang bekannt. So soll es 2006 nach Informationen der Berliner Zeitung im Haus der Zehlendorfer Studentenverbindung in der Königstraße eine Ausstellung gegeben haben, bei der zahlreiche Werke von NS-Künstlern zu sehen waren. „Kleine Deutsche Kunstausstellung“ nannte sich die Schau, die durch die Villen mehrerer deutscher Rechtsaußen-Burschenschaften tourte. Der Titel erinnert an die „Große Deutsche Kunstausstellung“, die 1937 von Adolf Hitler eröffnet wurde und bis 1944 jährlich in München stattfand. Die Burschenschaftsausstellung zeigte einige Exponate aus der NS-Zeit.

Der Druck auf den Staatssekretär von Sozialsenator Mario Czaja (CDU) dürfte damit weiter steigen. Seit Monaten steht Büge, seit 1989 Mitglied der Gothia, in der Kritik. Zuletzt kursierten in der rot-schwarzen Koalition Gerüchte, der 47-Jährige stehe kurz vor der Entlassung. Aus Koalitionskreisen verlautete inzwischen, Büge wolle keinesfalls aus der Verbindung austreten. Ende 2012 hatte er dies noch angekündigt, für den Fall, dass Gothia bis Januar 2013 den umstrittenen rechten Dachverband Deutsche Burschenschaft nicht verlasse. Was bis heute nicht passiert ist.

Die Holzschnitt-Künstler der „Kleinen Deutschen Kunstausstellung“ sind bekannt für Bilder, die von den Nazis teils für Propagandazwecke genutzt wurden. Das gilt vor allem für Georg Sluyterman von Langeweyde. Typische Motive sind: Mittelalterlicher Ritter mit stilisiertem Hakenkreuz auf dem Schild, Hitler-Jungen, kantig profilierte Arbeiter, Porträts von SA-Männern und immer wieder heldenhafte Wehrmachtssoldaten. Der 1978 Verstorbene ist, wie andere NS-Künstler, in öffentlichen Ausstellungen heute nicht mehr zu sehen. Dafür gibt es Fangemeinden in rechten und rechtsextremen Kreisen.

Die Organisatoren der Schau sollen rund 70 Exponate gezeigt haben. Welche genau, ist nicht mehr bekannt. Auch Ernst von Dombrowski und Rudolf Warnecke waren vertreten – Künstler, die ebenfalls von den Nationalsozialisten gefördert wurden und wie von Langeweyde auf der „Großen Deutschen Kunstausstellung“ vertreten waren.

Zumindest von Langeweyde, so sagen Experten, war überzeugter Nationalsozialist. „Er war keiner, der sich nach 1933 politisch anpassen musste. Von Langeweyde war schon davor auf NSDAP-Linie“, sagt Christian Fuhrmeister, Kunsthistoriker am Münchener Zentralinstitut für Kunstgeschichte. Der Wissenschaftler, der über die „Große Deutsche Kunstausstellung“ forscht, sagt auch, von Langeweyde habe mit Kollegen sogar um den inoffiziellen Titel „Künstler der Bewegung“ im Ruhrgebiet konkurriert.

Mit der Ausstellung 2006 beschäftigte sich auch der bayerische Verfassungsschutz. Denn den Auftakt organisierte die Burschenschaft Danubia in München, die seit 2001 von der Behörde wegen ihrer Nähe zu rechtsextremen Kreisen beobachtet wird. „Wer solche Ausstellungen organisiert, muss sich fragen lassen, ob er nicht nur in künstlerischer, sondern auch in politischer Hinsicht den Nationalsozialismus für vorbildhaft hält“, sagte der Sprecher des Verfassungsschutzes Bayern, Markus Schäfert, der Berliner Zeitung. Der Titel nehme unverhohlen Bezug auf die NS-Ausstellung.

Nach Stationen in Bonn und Hamburg soll die Bilder-Schau dann zur Gothia nach Berlin gezogen sein. Für den 16. Dezember 2006 war dort die Eröffnung geplant. So stand es im damaligen Semesterprogramm der Gothia, das die Dachorganisation „Vereinigung Alter Burschenschafter zu Berlin“ auf ihrer Homepage gespeichert hatte. Kurz nach einer Anfrage der Berliner Zeitung bei der Gothia verschwand das Programm von der Internetseite.

Die Gothia wollte die Ausstellung in ihren Räumen weder bestätigen noch dementieren. Ihr Vorsitzender Thorsten Elsholtz sagte in einer Stellungnahme, er kenne die Ausstellung nicht. Weiter hieß es, die Gothia setze sich „im Rahmen ihres freiheitlichen und demokratischen Selbstverständnisses mit vielfältigen politischen, gesellschaftlichen und historischen Themen auf kritische Weise auseinander“. Das gelte auch für kulturelle Angelegenheiten, so Elsholtz. Von Staatssekretär Michael Büge gab es bis Redaktionsschluss trotz Anfrage keine Stellungnahme.