[BN] Auf zu neuen Taten! Der 1. Mai in Bonn

Auf zu neuen Taten! Der 1. Mai in Bonn

Dieses Jahr wird die erste anarchistisch/libertäre 1. Mai Demonstration in Bonn seit langem stattfinden. Hier bekommt ihr einen kurzen Überblick zu den Entwicklungen der letzten Jahre und den aktuellen Geschehnissen.

In der ehemaligen Hauptstadt am Rhein, einer Kleinstadt mit halluzinierten Großstadtflair, oder kurz: Bonn, waren die anarchistischen und libertären Strukturen lange Zeit schwach und es dominierten autoritär kommunistische Gruppen die linke Szene. Zwar gab es auch in den 90er Jahren eine Ortsgruppe der Freien Arbeiter*innen Union (FAU), welche allerdings im Gegensatz zur damals großen Antifa Bewegung marginal wirkte. Doch die Zeiten haben sich geändert. Die Strukturen und Zusammenhänge autoritärer Kommunist*innen sind zusammengebrochen oder auf kleine Zirkel zusammengeschrumpft. Nach und nach machten sich auch libertäre Ideen wieder breit und beanspruchen immer mehr Raum in der linken Szene und der Stadt als solche.

 

2009 Gründete sich die Anarchistisch Syndikalistische Jugend (ASJ) Bonn. Von Anfang an arbeitete sie eng mit der FAU zusammen und war auch um eine überregionale Vernetzung (zu Anfangs vor allem mit anderen ASJ Gruppen) bemüht. Es wurden Infostände, Vorträge, Demos, Soliaktionen, Partys und einiges mehr organisiert. Besonders erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang sicherlich die Organisation des Klimacamps 2010, als auch die Proteste gegen das Deutschlandfest 2011 in Bonn.

 

Von Anfang an war der 1. Mai auch ein Thema. Doch am traditionellen Kampftag der Arbeiter*innen ist in Bonn traditionell nicht viel los. Jahrelang gab es lediglich eine Demo des DGB (an deren Spitze der Bonner Bürgermeister läuft) und ein internationalistisches Straßenfest auf dem sich die Überbleibsel der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), die Junge Welt und viele weitere autoritäre Gruppen und Projekte zusammen fanden. Einer der wenigen Lichtblicke war lange Zeit der Stand der FAU.

 

Nach Gründung der ASJ beteiligten sich diese, gemeinsam mit der FAU, als anarchistischer Block an der DGB Demo, wobei es immer wieder hitzige Wortgefechte und Pöbeleien mit den Teilnehmer*innen des internationalistischen Blocks gab. Von „Hammer, Sichel und Gewehr bringen uns die Freiheit her!“ bis „Anarchist[*inn]en aus der Traum, jetzt kommt ihr in den Kofferraum!“ waren alle möglichen und unmöglichen Parolen dabei.

 

Neben der Teilnahme an der DGB Demo gab es in der ASJ auch eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem 1. Mai. Angefangen mit der Geschichte des Tages, dem Kampf für den Achtstundentag und der Bombe auf dem Haymarket in Chicago 1886, über die sozialpartnerschaftliche Rolle der im DGB organisierten Gewerkschaften bis hin zur Kritik der Lohnarbeit. Dies spielte sich allerdings alles in Etappen ab. 2010 wurde sich noch darauf beschränkt bei der DGB Demo mitzulaufen und die Kritik per Flyer, während der Demo und auf der Abschlusskundgebung zu verbreiten. Anschließend wurde der Stand der FAU auf dem Straßenfest unterstützt.

 

2011 hingegen waren die Aktivist*innen schon so unzufrieden mit der Situation vor der sie standen und wollten ein kleines Zeichen setzen. Es organisierte sich wieder der anarchistische Block auf der DGB Demo, doch an einer großen Straßenkreuzung standen einige Menschen mit einem Transparent, welches die Aufschrift „Weitergehen als der DGB“ trug, und einer kleinen Lautsprecheranlage. Durch diese wurde der DGB Demo verkündet warum der anarchistische Block (welcher aus ca. 60 Personen bestand) gerade geschlossen die Demo verließ. Einige Andere verteilten noch Flyer mit dem Titel: „Warum wir es ablehnen, DGB und SPD am 1. Mai hinterherzutrotten“. Der Block führte daraufhin eine Spontandemonstration in der Bonner Altstadt durch und endete schließlich am internationalistischem Straßenfest.

 

Das Abspalten von der Demo wurde als Erfolg gewertet und der Wunsch nach einer eigenen Demo kam auf. DGB und autoritäre Kommunist*innen sollten am Rande liegen gelassen werden und eine eigene Demo sollte organisiert werden. Die Pläne wurden konkreter, doch gerade als es richtig losgehen sollte wurde bekannt, dass Neonazis am 1. Mai 2012 eine Demo in Bonn planen. Die anarchistische Demo war vom Tisch, da die Verhinderung des Naziaufmarsches Priorität hatte. Schnell konstituierte sich ein Antifabündnis, an welchem sich auch ASJ, FAU und die inzwischen gegründete Libertäre Jugend Siegburg (LJS) beteiligte. Die Vorbereitungen waren zäh und fraßen viele Kapazitäten. Streitigkeiten und viele weitere interne Probleme wie Hürden ließen den linksradikalen Protest an dem Tag marginal werden und die Massen, welche sich den Nazis entgegenstellten kamen überwiegend aus dem bürgerlichem Spektrum. Die Idee mit einer radikalen Kritik und einer starken Mobilisierung von linksradikalen Gruppen Akzente zu setzen scheiterte. Immerhin war der Tag für die Nazis, auf Grund der Bürger*innen, ebenfalls kein Erfolg. Am frühen Abend, als der Spuk vorbei war, fanden sich noch einmal ca. 30 libertäre Aktivist*innen zu einer Spontandemonstration, von der Bonner Altstadt ausgehend durch die Innenstadt, zusammen. Die Idee einer explizit libertär-anarchistischen Demonstration war allerdings noch da. Dieses Jahr ist es soweit.

 

Unter dem Label „Bonn Libertär“ rufen ASJ, FAU und LJS zur 1. Mai Demonstration auf, um die anarchistische Kritik auf die Straße zu tragen. Den Funktionär*innen von DGB und. Co wurde lange genug hinterher gelaufen. „Selbstorganisieren in allen Lebensbereichen“, eine Parole der ASJ Bonn, bedeutet eben auch dafür zu sorgen den Protest auf der Straße eigenständig zu organisieren. Die weitere Teilnahme an einer Demo, auf der sich überwiegend Reformist*innen und Staatsfetischist*innen aufhalten bot keine Perspektive auf eine Veränderung. Gemeint ist hier auch nicht mal der Kampf ums Ganze, sondern lediglich die Wahrnehmung und Verbreitung anarchistischer Ideen.

 

Zwischen all jenen die uns viel ferner nicht sein könnten, fühlen wir uns zum einen nicht wohl, wir können unsere Ideen nicht effektiv in die Öffentlichkeit bringen und wir sind am Ende doch nur dabei uns mit autoritären Kommunist*innen zu streiten. Genauso verhält es sich auch mit dem internationalistischen Straßenfest. Wir wollen nicht weiter neben dem lebensgroßen Lenin Pappaufsteller stehen. Menschen die glauben durch Gewalt und Machtübernahme könnte eine befreite Gesellschaft herbeigeprügelt werden sind nicht unsere Bündnispartner*innen. Daher haben wir beschlossen nach der Demo ein eigenes Straßenfest auszurichten. Neben mehreren Info- und Bücherständen wird es eine VoKü, Livemusik und mehrere Reden geben.

 

Es scheint auch gerade der richtige Zeitpunkt für größere Aktionen gekommen zu sein, die regionale Vernetzung hat sich verbessert und wir haben mit der Idee einer libertär-anarchistischen Demo scheinbar den richtigen Nerv getroffen, denn wir Erfahren lokal eine breite Unterstützung. Zwar ist der Organisator*innenkreis auf drei Gruppen beschränkt, doch beteiligen sich noch einige unsere lokalen Bündnispartner*innen an der Durchführung (die libertär-kommunistische Gruppe Phoenix, die Gruppe Refugees Welcome, die Kampagne für ein libertäres Zentrum und die Tierrechtsgruppe Bonn).

 

Insgesamt ist das Klima in Bonn für Anarchist*innen wieder besser geworden. Das Interesse an anarchistischen und libertären Ideen wächst und sogar die konservative Tageszeitung hat durchweg positiv über die vergangene Hausbesetzung in Bonn berichtet. Die öffentliche Wahrnehmung und die positiven Resonanzen auf Aktionen haben der Szene weiteren Vorschub geleistet. Es tut sich so einiges, viele Menschen sind neu dazu gekommen, die Gruppen werden wieder aktiver und die bittere Stimmung die einige Monate, durch Infrastrukturprobleme, vorherrschte scheint langsam überwunden.

 

Auf zu neuen Taten könnte es heißen und wir geben uns auch alle Mühe. Kurz nach dem 1. Mai findet am 11.05. bereits die nächste libertäre Demo in Siegburg (neben Bonn) zum Tag der Befreiung (dem 08. Mai) statt. Und für den Juni ist eine sechsteilige Veranstaltungsreihe zu anarchistischen Basics der ASJ geplant. Im Herbst wird die FAU ihre Veranstaltungsreihe zu libertärer Ökonomie mit neuen Themen fortsetzen.

 

Aktuelle Infos zur Demo findet ihr bei Bonn Libertär

 

Die Anarchistische Föderation Rhein Ruhr mobilisiert ebenfalls nach Bonn und plant eine gemeinsame Anreise aus dem Ruhrpott. Mehr Infos hier

 

Dieser Artikel erschien auch in der Sonderausgabe der [改道] Gǎi Dào zum 1. Mai.