BGH fordert neue Verhandlung für Ortenauer, der einen Antifaschisten angefahren hatte.
KARLSRUHE. Der Prozess gegen einen südbadischen Neonazi, der einen Schüler schwer verletzt hatte, muss neu aufgerollt werden. Das entschied nun der Bundesgerichtshof (BGH). Der Freispruch des Landgerichts Freiburg wurde aufgehoben.
Von: Christian Rath
Im Oktober 2011 wartete der Offenburger Neonazi Florian S. an einem Parkplatz bei Riegel. Der damals 29-Jährige sollte ortsunkundige Besucher zu einer rechten Szene-Party lotsen. Südbadische Antifaschisten hatten jedoch davon erfahren und versuchten, das zu verhindern. Eine Gruppe von fünf jungen Leuten lief vermummt auf S. zu, der in seinem Wagen saß. S. startete das Fahrzeug und fuhr auf die Gruppe zu. Ein 21-jähriger Schüler wurde dabei frontal erfasst und schwer verletzt. Wochenlang musste er in einer Reha-Einrichtung das Sprechen wieder lernen.
Wenige Tage zuvor hatte S., der damals NPD-Mitglied war, in einer Facebook-Kommunikation davon geschwärmt, wie schön es wäre, eine "Zecke" in Notwehr zu töten: "Ich warte ja nur darauf, dass einer mal angreift! Dann kann ich ihn endlich mal die Klinge fressen lassen!"
Die Staatsanwaltschaft Freiburg klagte S. daraufhin wegen versuchter Tötung an. Doch das Freiburger Landgericht sprach ihn im Juli 2012 frei. Da S. rechtswidrig angegriffen wurde, habe eine Notwehrsituation bestanden. Dabei hätte er zwar in eine andere Richtung wegfahren können – und auch müssen, um keine Lebensgefahr für die Angreifer zu verursachen. Diese Überschreitung der zulässigen Notwehr sei jedoch laut S. in Panik erfolgt. Das Landgericht hielt das für nicht widerlegbar und billigte dem Angeklagten einen straflosen "Notwehrexzess" zu. Die Facebook-Ankündigung wertete das Landgericht als Angeberei unter Gleichgesinnten.
Über die Revision der Staatsanwaltschaft und der Antifa-Nebenkläger verhandelte am Donnerstag der BGH. "Wenn so schnell ein Notwehrexzess zugebilligt wird, dann ist dem Faustrecht Tür und Tor geöffnet", argumentierte Nebenklageanwalt Jens Janssen. S.s Anwalt Ulf Köpcke, ein liberaler Strafverteidiger, betonte: "Die Notwehr erlaubt auch eine Flucht nach vorn." In der Revision müsse die Beweiswürdigung des Landgerichts akzeptiert werden.
Der BGH hob den Freispruch nun dennoch auf. Das Landgericht habe sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob S. überhaupt mit Verteidigungswillen gehandelt hat. Nach den vorhergehenden Gewaltfantasien sei es "nicht fernliegend, dass er den Angriff nur zum Anlass genommen hat, um nun selbst Gewalt auszuüben", sagte der Vorsitzende Richter Norbert Mutzbauer. Ein strafloser Notwehrexzess könne nur vorliegen, wenn S. sich überhaupt verteidigen wollte.
Das Landgericht Freiburg muss nun erneut über den Fall entscheiden. Nach den Vorgaben des BGH ist ein erneuter Freispruch nicht sehr wahrscheinlich.