Neonazis haben über das Wochenende in weiten Teilen Hechingens ihre unschönen Spuren hinterlassen: geschmierte Hakenkreuze und SS-Runen sowie braune Parolen auf ganz vielen NPD-Klebern.
Ahmed Bakir, Inhaber des "Starken Café" am unteren Ende der Neustraße, und seine Frau Türkan waren schockiert, als sie am Sonntag die vielen Aufkleber auf der großen Fensterscheibe ihres Imbiss-Restaurants entdeckten. Auf ihnen standen islamfeindliche und rassistische Parolen, ergänzt durch das Kürzel NPD, das für die rechtsextreme Nationaldemokratische Partei Deutschlands steht. Einen Reim darauf, warum sie zur Zielscheibe von rechtsradikaler Propaganda geworden waren, konnten sich die Bakirs nicht machen: "Bei uns ist nichts Merkwürdiges vorgefallen. Niemand hat Probleme gemacht", sagte Türkan Bakir im Gespräch mit der HZ.
Im Laufe des gestrigen Tages stellte sich rasch heraus, dass die Parolen-Attacke von Rechts nicht allein dem "Starken Café" galt. Auch in der näheren Umgebung, an der Bushaltestelle Martinstraße, bei den Berulichen Schulen auf dem Schlossberg, in der Nähe der Grundschule und - wie in der HZ von gestern schon kurz gemeldet - am Hechinger Busbahnhof trieben die braunen Schmierer und Vandalen ihr Unwesen. Peter Mehler, Sprecher der Polizeidirektion Balingen, berichtet von einer Vielzahl von Blumentrögen, Sitzbänken, Streugutbehältern, Ampel- und Laternenmasten, Buswartehäuschen und Glasscheiben im öffentlichen Raum, die mit Hakenkreuzen, SS-Runen und anderen verfassungswidrigen Symbolen besprüht und mit Aufklebern der rechten Parteien NPD, JN und DVU bestückt wurden.
Beamte des Staatsschutzes waren gestern in Hechingen unterwegs und stellten die Aufkleber sicher. "Zukunft statt BRD" lautet einer der Sprüche, als dessen Urheber die Polizei einen Internet-Versand ausfindig machte. Auf den NPD-Klebern wird wahlweise die D-Mark zurückgefordert oder der Moscheebau in die Türkei verbannt. "Stoppt Multikulti" prangt auf einer Mülltonne, "Deutschland den Deutschen" auf einer Holzwand, und auf dem Buswartehäuschen werden Polizisten pauschal als Bastarde beschimpft.
"Wir haben noch keine konkreten Anhaltspunkte auf den oder die Täter", räumte Polizeisprecher Peter Mehler gestern Nachmittag ein. Einen unmittelbaren Zusammenhang zu ähnlichen Kleb- und Schmieraktionen, die es vor Wochen in Balingen gegeben hat, konnten die Ermittler bisher nicht feststellen. In der Kreisstadt, so heißt es, sei nicht gesprüht worden, und die dort verwendeten Aufkleber seien andere gewesen. Der Staatsschutz sei aber damit beschäftigt, "die Bezugsquellen zu eruieren".
Wie in Balingen, so liefern sich offenkundig aber auch in Hechingen linke und rechte Gruppierungen einen Kampf um die symbolische Vorherrschaft im öffentlichen Raum. Die Ermittler stellten fest, dass die Neonazis in Hechingen an einigen Stellen Aufkleber der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) und der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) überklebt oder übersprüht haben.
Während die Staatschützer ermitteln, hat der städtische Betriebshof mächtig viel Arbeit, die optisch wie inhaltlich gleichermaßen hässlichen Parolen und Symbole zu entfernen. Ein Drei-Mann-Team war gestern den ganzen Tag lang damit beschäftigt, die mit weißem Lackspray aufgetragenen Hakenkreuze, Runen und Zahlencodes ("88" für "Heil Hitler") zu tilgen und Aufkleber abzukratzen. Und die Männer, so war gestern am späten Nachmittag aus dem Betriebshof zu erfahren, sind noch längst nicht fertig. Auch heute werden sie noch in gleicher Mission unterwegs sein.
Hinweise auf die Täter, die vermutlich in der Nacht von Samstag auf Sonntag unterwegs waren, nehmen das Polizeirevier Hechingen unter Telefon 07471/98800 und die Polizeidirektion Balingen, Telefon 07433/264-0, entgegen.