Ungarische Zustände - Teil I

Antifalogo

Die Reihe „Ungarische Zustände“ soll einen kleinen Einblick zur aktuellen Situation – jenseits der bürgerlichen Presse – ermöglichen. Wie ihr wisst ist die Antifaschistische und Autonome Struktur in Ungarn nahezu nicht vorhanden.

Teil I – Widerstand gegen die Vierte Verfassungsänderungen

 

 

Am 11. März 2013 verabschiedeten die rechtskonservativen Regierungsparteien Fidesz und KDNP (2010: 68%) gemeinsam mit Abgeordneten der offen antisemitischen und antiziganistischen Jobbik-Partei (2010: 7,88%) bereits die vierte Verfassungsnovelle. Die aktuellen Verfassungsänderungen schränken Menschenrechte weiter massiv ein.

 

Eine kleine Auswahl an Änderungen in der aktuellen Verfassungsnovelle:

 

·         Entmachtung des Verfassungsgerichts


Das Verfassungsgericht war die institutionalisierte letzte Barriere, um die menschenrechtseinschränkenden Sondergesetze der ungarischen Regierung aufzuhalten. Mit der aktuellen Verfassungsänderung wurde das Verfassungsgericht auf eine rein formale Prüfung von erlassenen Gesetzen zurückgestuft und verliert somit seine Bedeutung innerhalb der Gewaltenteilung Ungarns.

 

·         Kriminalisierung von Obdachlosigkeit


Obdachlose können durch das neue Gesetz durch die Polizei verhaftet und zu Geldstrafen/ Gefängnis verurteilt werden. Diese totalitäre Gesetzgebung dient einzig und allein dem Zweck, Obdachlose aus den Städten Ungarns zu vertreiben.

 

·         Einschränkung der freien Meinungsäußerung


Sowohl die Meinungsäußerung, als auch die Pressefreiheit sollen, durch die Hinzufügung eines neuen Paragraphen, eingeschränkt werden. Denn wer mit seinen Äußerungen vermeintlich „die Würde der ungarischen Nation verletzt“, verliert eben dieses Grund- und Menschenrecht.

 

·         Beschränkung der Kunst


Im Rahmen der Verfassungsänderung wurde die Akademie der Ungarischen Kunst, geleitet von Fidesz-Anhänger György Fekete, einem ultra konservativen Künstler, gegründet. Der Akademie sind alle staatliche Galerien, Kunstmuseen usw. unterstellt. Das heißt, was ausgestellt und finanziert wird, obliegt dieser neuen Institution. Bereits jetzt ist absehbar, dass alternative und kritische Kunst hiermit eine weitere Barriere auferlegt bekommt – falls es überhaupt noch möglich sein sollte non-konforme Kunst auszustellen. Der Einfluss eben jener Akademie wird sich nachhaltig auch auf private Galerien auswirken, die bereits jetzt kritischen Künstler_innen* Ausstellungsräume gekündigt haben.

 

·         Zwang auf Student_innen*


Neben der Einschränkung der Hochschulautonomie, werden ab diesem Jahr Student_innen* dazu verpflichtet, nach ihrem Hochschulabschuss, die doppelte Zeit der Studiendauer in Ungarn zu verbringen.

 

·         Reaktionäre Familienpolitik


Laut der Verfassungsnovelle beinhaltet die Definition von Familie ausschließlich heterosexuelle Ehrepaare mit Kindern. Sowohl gleichgeschlechtliche, als auch unverheitratete Menschen verlieren ihre Rechtsansprüche.

 

·         Das Tragen von NS-Symbolen (u.a. Hakenkreuzen, ) wird legalisiert


Attila Vajnaj , Mitglied der ungarischen Arbeiterpartei, hatte 2007 vor dem Ungarischen Verfassungsgericht geklagt, weil er durch das Tragen eines Roten Sterns gegen Paragraph §269/B.(1) verstoßen habe und somit eine Geldstrafe zahlen sollte. Das Ungarische Verfassungsgericht erklärte nun den §269/B.(1), der das Tragen von kommunistischen und faschistischen Symbolen verbietet, für verfassungswidrig. Ab 01. Mai 2013 ist in Ungarn nun das Tragen von Hakenkreuzen folglich legal – da es die bestehende Regierung nicht für nötig gehalten hat, den Paragraphen so zu modifizieren, dass das Tragen von NS-Symbolen weiterhin verboten bleibt.

 

In Ungarn regt sich dagegen Widerstand. Neben den oppositionellen Gruppen (Menschenrechtsorganisationen (z.B. A Varos Mindenki), Oppositionsparteien (z.B. Magyar Szocialista Part und Lehet Mas a Politika) protestieren vor allem Student_innen* des Studierenden Netzwerk (HaHa) gegen die Regierungspolitik. Bislang jedoch mit nur marginaler Resonanz in der Ungarischen Bevölkerung, da u.a. die großen Fernsehsender (z.B. Hir TV) und Tageszeitungen (z.B. Magyar Nemzet, Magyar Hirlap) in den Händen von Fidesz-Anhängern (z.B. Szeles Gabor) liegen und somit die Politik der regierungskritische Stimmen tot geschweigen werden. Viele Ungar_innen* sehen auch nicht die Chance einer Veränderung im Inland ohne internationale Unterstützung, weshalb auf Demonstrationen immer wieder Schilder mit der Aufschrift „EU help us“ zu lesen sind. Autonome bzw. antifaschistische Strukturen existieren weitestgehend nicht.

 

Das muss jedoch nicht so bleiben. Über die Studierendenproteste beginnen antifaschistische, antikapitalistische und anarchistische Gruppen sich zu organisieren und eine Protestkultur zu entwickeln. Damit diese Entwicklungen nicht ungesehen an der Deutschen Linken vorbei gehen und als Anlass zur Diskussion dienen unsere Impulse und Eindrücke.