Prozess gegen Nazi-Verleger Wigbert Grabert

Wigbert Grabert Verlag

Am Mittwoch, den 06.03.2013, wurde der extrem rechte Verleger Wigbert Grabert in einem Prozess vor dem Tübinger Amtsgericht über Verlegung des Buches „der zweite Weltkrieg“ von Helmut Schröcke zu 11 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen Volksverhetzung verurteilt. Zusätzlich zur Bewährung fallen 30.714 €, die Grabert mit dem Verkauf des Buches umgesetzt hatte an den Staat. Weitere 5000 € muss er für einen Förderverein für krebskranke Kinder spenden und die Kosten des Verfahrens übernehmen. Ebenso werden alle restlichen Bücher und die Materialien für deren Herstellung eingezogen.

 

Der geschichtsrevisionistische Grabert-Verlag in Tübingen gehört zu den bekanntesten extrem rechten Verlagen in der Bundesrepublik. Er wurde 1953 als „Verlag der Deutschen Hochschullehrerzeitung“ gegründet und tritt seit 1974 unter seinem jetzigen Namen auf. Wigbert Grabert wurde bereits mehrfach wegen Volksverhetzung verurteilt. Zuletzt bestätigte das Stuttgarter Oberlandesgericht im Dezember 2010 in einem Revisionsverfahren ein Urteil des Tübinger Landgerichts, das Grabert im Dezember 2009 wegen Volksverhetzung in zwei Fällen zu einer achtmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt hatte.

 

Grabert hatte das erwähnte Buch des einschlägig bekannten rechten Pubilzisten Helmut Schröcke verlegt, in dem das Massaker an Jüdinnen und Juden durch deutsche Truppen im Jahr 1941 geleugnet wird. Laut dem Autor seien zum entsprechenden Zeitpunkt die deutschen Einsatztruppen nur spärlich zugegen gewesen. Zudem, so Schröcke, zeigten topographische Untersuchungen, dass am besagten Ort keine Massengräber bestehen könnten. Tatsächlich ist die Erschießung von 33.771 Jüdinnen und Juden durch die Nazis mehr als gut dokumentiert. Sie wurden am 29. und 30. September 1941 innerhalb von 36 Stunden systematisch durch Maschinengewehr- bzw. Maschinenpistolenfeuer erschossen.

 

Juristisch vertreten wurde der 72 jährige Wigbert Grabert von Thor von Waldstein und Jochen Lober. Beide ebenfalls keine Unbekannten in der rechten Szene.

 

Der Rechtsanwalt Thor von Waldstein hat in der Mollstraße 35, 68165 Mannheim eine Kanzlei. Neben seiner Tätigkeit als Fachanwalt für Binnenschifffahrtsrecht vertritt er regelmäßig Nazis vor Gericht und das wohl aus Überzeugung. So schrieben Genoss_innen auf Indymedia über ihn:

 

„Thor von Waldsteins politische Laufbahn ist lang. Schon sein Vater Sigwald von Waldstein war in den 70er Jahren Mitglied des NPD-Bundesvorstand. Thor von Waldstein, geboren 1959, gilt als Vertreter der "Neuen Rechten". Schon während seinem Studium trat er dem "Nationaldemokratischen Hochschulbund" der NPD bei, von 1979 bis 1982 war er dessen Vorsitzender. Er befasste sich in seiner Dissertation zum Doktor der Sozialwissenschaften mit den Staatlehren von Carl Schmitt, der mit seiner autoritären Staatstheorie auch als ideologischer Wegbereiter des Nationalsozialismus gilt. 1992 promovierte von Waldstein zum Doktor der Rechtswissenschaften.


Für internationales Aufsehen sorgte 1994 der Prozess vor dem Mannheimer Landgericht gegen den Holocaust-Leugner Fred Leuchter. Von Waldstein übernahm dessen Verteidigung. Auch den rechtsextremistischen Publizisten Hans-Dietrich Sander und der Tochter des NS-Reichsministers für Bewaffnung und Munition Fritz Todt stand er als Anwalt zur Seite.

 

[...]Ebenfalls beratend steht von Waldstein der neu-rechten "Gesellschaft für freie Publizistik" bei, die ihn als „Verteidiger in zahlreichen Strafverfahren zur Meinungsfreiheit“ lobt.


Enge Verbindungen bestehen zu einer Feudenheimer Kanzlei. Dort sitzt Ludwig Bock, ebenfalls Anwalt und Nationalsozialist, mit dem von Waldstein bereits Aufgaben gemeinsam übernahm.


Doch von Waldstein ist nicht nur Anwalt sondern selbst aktiv. Er schreibt in den rechten Zeitungen "Junge Freiheit" und "Staatsbriefe" und tritt als Referent auf entsprechenden Kongressen, Seminaren und Schulungen auf, so zum Beispiel beim Jahreskongress der "Gesellschaft für freie Publizistik" 2005, der unter dem Motto „60 Jahre Kriegsende – Befreiung von der Befreiung“ stand. In seinen Veröffentlichungen scheut von Waldstein auch nicht vor der Verharmlosung des Holocaust zurück, den er als "US-amerikanisches Kulturprodukt" bezeichnet (1985 in einem Artikel für die „Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik“).“1

 

Jochen Lober (Deutzer Freiheit 79, 50679 Köln) ist unter Anderem bekannt als Anwalt für die rechtspopulitische Bürgerbewegung Pro-Köln und die mittlerweile verbotene Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene (HNG).2

 

Während der Verhandlung versuchten beide Anwälte ihr möglichstes um den Prozess als angeblichen Schauprozess zu entlarven. Insgesamt 27, bisweilen vollkommen absurde, Beweisanträge wurden gestellt, die letztlich alle in die selbe Kerbe schlugen: Grabert sei ein Opfer der willkürlichen Justiz, die sich, in trauter Einigkeit mit dem Verfassungsschutz und der linken Mainstream-Presse, eines unliebsamen, standhaften Kämpfers der guten Sache entledigen wollen würde und dabei alle bürgerlichen Ideale über Bord werfe. Mehrfach wurde wegen angeblichen Verstößen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und sämtlichen Grundrechten die Einstellung des Verfahrens verlangt und die Legitimität des Gerichts in Frage gestellt. Die Gewaltenteilung sei dadurch gezielt und bewusst durchbrochen worden, dass der SWR bereits nach dem ersten Prozesstag einen Bericht über das Verfahren gesendet und dabei durch Nahaufnahmen vor dem Verlagsgebäude stehenden Gitter suggeriert habe, dass Grabert ins Gefängnis müsse. Die zusätzlich Diffamierung als „rechtsextrem“ durch die Präsidentin des Landesamt für Verfassungsschutz Beate Bube in einem Interview im selben Beitrag beweise das von vornherein abgekartete Spiel der verschiedenen Instanzen, so die Anwälte.

 

Deutlich durchblicken ließen die Verteidiger auch ihre Meinung zum Thema Volksverhetzung. Die immer wieder aufgeworfene Phrase der verletzten Meinungsfreiheit machte deutlich, dass von Waldstein und Lober den § 130 StGB generell für völligen Unsinn halten. So beklagte sich von Waldstein mehrfach darüber, dass er sich ja selbst in strafbare Bereiche begeben würde, wenn er versuchen würde Beweise dafür zu erbringen, dass das Geschehen im Herbst 1941 anders abgelaufen war, als gemeinhin anerkannt. Eine Tatsache, die aus seiner Sicht, mit einem rechtsstaatlichen Verfahren nichts mehr zu tun haben könne.

 

Unabhängig von ihren juristisch fragwürdigen Argumentationen gaben sich die Anwälte Graberts mit vielen Beweisanträgen der Lächerlichkeit preis. So wurde unter Anderem gefordert, das Gericht müsse die kompletten 400 Seiten des Werkes verlesen, da die inkriminierten Textseiten nur im Kontext zu verstehen seien. Auch wurde zur scheinbaren Unschuld Graberts das Buch „der große Wendig“ des NPD Manns Olaf Rose herangezogen, in dem das Massaker von Babi Jar explizit erwähnt sei und ebenfalls von Grabert verlegt wurde. Davon abgesehen, dass auch hier die Erschießungen als direkte Reaktionen auf angebliche Partisanentätigkeiten dargestellt werden, lässt dies wohl kaum einen Rückschluss auf Graberts Einstellung zu.

 

Während Lober, der auch während der Verhandlung versuchte zumindest einen Rest an Seriosität zu wahren, noch ein auf juristische Probleme fokussiertes Plädoyer hielt, holte von Waldstein hier zum großen Schlag aus. Nach einer kurzen Tirade über die Unsinnigkeit von political correctness schimpfte er auf die „politische Landschaftspflege“, die offenbar mit diesem Prozess betrieben werde. Es ginge einzig allein darum den „Ghetto-Verlag“ (sic!) wirtschaftlich zu ruinieren und damit einen „missliebigen Verleger“ loszuwerden. Damit einher würde natürlich auch die flächendeckende Einschüchterung der ohnehin geringen Kundschaft gehen. Außerdem würde Grabert seit Jahren durch die „Kampfvokabel ´rechtsextrem´ diffamiert“ werden.

 

Insgesamt sah er gar die gesamte abendländische Kultur bedroht und schämte sich nicht zu behauptet das „Verfahren erinnere an düsterste deutsche Zeiten“. Worte, die aus dem Mund eines ehemaligen Vorsitzenden des Nationaldemokratischen Hochschulbund (NHB) wie blanker Hohn klingen. Wie auch Lober plädierte von Waldstein auf Freispruch, schließlich sei Grabert einem Verbotsirrtum nach § 17 StGB unterlegen. Er habe als Verlagskaufmann ja nicht alle Bücher zu lesen, geschweige denn einzeln zu prüfen. In diesem speziellen Fall sei Grabert sogar unter besonderem Zeitdruck gestanden und habe deswegen erst nicht erahnen können, dass das Buch strafrechtlich relevant sei. Außerdem hätte ihm der Autor Schröcke zugesichert, der Inhalt des Buches sei rechtlich unbedenklich. Alles in allem sei Grabert völlig unschuldig und ein aufrechter Mann, der schon von seiner Persönlichkeit her gar nicht zum Volksverhetzer tauge. Das könne von Waldstein aus 18 Jahren Bekanntschaft mit ihm in voller Überzeugung behaupten.

 

Grabert selbst hatte die Schlussworte und schloss sich darin den Plädoyers seiner Verteidiger an. Bereits während der Verhandlung nahm er selbst kurz persönlich Stellung zu den Vorwürfen. Das Buch sei nur an einen „geschlossenen Kundenkreis“ verkauft worden, es hätte zudem kein Lektorat gegeben. Hinzu käme die bereits erwähnte Versicherung von Schröcke hinsichtlich der strafrechtlichen Relevanz des Werkes. Somit sei aus seiner Sicht der Vorwurf der Volksverhetzung selbstverständlich nicht haltbar.

 

Amtsrichter Benjamin Meyer-Kuschmierz ließ jedoch, völlig zurecht, den Verbotsirrtum nicht gelten. Dieser, so der Richter zutreffend, sei nur gegeben, wenn er unvermeidbar sei. Das bereits beim Titel und dem Klappentext des Buches bei Grabert „sämtliche Alarmglocken“ hätten schrillen müssen, reiche bereits um festzustellen, dass der Verleger die Möglichkeit der Volksverhetzung billigend in Kauf genommen hätte. Bei derartigem Verzerren der deutschen Verantwortung für den Ausbruch des Krieges und eindeutigem Geschichtsrevisionismus dränge sich das eventuelle Vorliegen einer Volksverhetzung quasi auf. Auch sei eine Außenwirkung des Buches nicht von der Hand zu weisen. Werke wie dieses seien „ideologische Bestätigung für gewaltbereite Rechtsextremisten“. Das alles hätte Grabert dazu bringen müssen eine inhaltliche Prüfung vorzunehmen. Meyer-Kuschmierz bezog zudem das Eingangs erwähnte Landgerichtsurteil mit in das aktuelle Strafmaß ein. Von der Gesamtfreiheitsstrafe wiederum wurden zwei Monate wegen Verfahrensverzögerung für verbüßt erklärt. Grabert müsste die Strafe dann absitzen, wenn er innerhalb der nächsten drei Jahre wieder straffällig würde.

 

Unterstützung erhielt Grabert von einigen treuen KameradInnen im Publikum. Nicht nur die rechte Lokalprominenz um Axel Heinzmann und Edda Schmidt und Anhang zeigte ihre Solidarität, sondern auch der Junge Freiheit Autor Ronald Gläser, der unter dem Kürzel (rg) regelmäßig über Gewalttaten der „Linksextremisten“ zu berichten weiß und den Prozess journalistisch begleitete. Laut eben jener Jungen Freiheit erwägt Grabert nun in Berufung zu gehen und sprach von einem gezielten „Schlag gegen die Presse- und Meinungsfreiheit“.3 Breite Unterstützung in dieser These ließ sich in den folgenden Tagen auch bei der NPD Zeitung „Deutsche Stimme“4 und der Facebook Seite der NPD Zollernalb/Reutlingen5 in Artikeln von Edda Schmidt lesen.

 

3 jungefreiheit.de/Single-News-Display-mit-Komm.154+M59e9806384e.0.html

4 ds-aktuell.de/?p=2595

5 facebook.com/NPD.RT.Zollernalb