[PF] Trauerspiel um Pforzheimer Gedenktag

Erstveröffentlicht: 
15.02.2013

Mahnwache. Neonazis könnten eine gewalttätige Gegendemo provozieren, fürchtet die Polizei. Von Andrea Koch-Widmann

 

Das Gedenken an den Jahrestag der Zerstörung Pforzheims wird seit Jahren von dem rechtsextremen Freundeskreis 'Ein Herz für Deutschland' für eine Fackelmahnwache auf dem Wallberg missbraucht. Das ist gelinde gesagt ein Ärgernis für die Bürgerschaft, die alljährlich auf dem Hauptfriedhof an die verheerende Bombennacht am 23. Februar 1945 und die rund 18 000 Toten erinnert.

Im vergangenen Jahr wollte der Pforzheimer Oberbürgermeister Gert Hager (SPD) deshalb dem braunen Spuk ein Ende machen. Es gelang ihm, ein neues, gesellschaftlich breit aufgestelltes 'Bündnis Pforzheim nazifrei' zu gründen. Den Aufruf 'Fackeln aus!' unterzeichneten weit mehr als 2000 Bürger. Erstmals fand am Gedenktag auch eine Großkundgebung auf dem Marktplatz statt, zu der der Oberbürgermeister aufgerufen hatte. Allerdings scheiterte der Versuch von OB Hager und dem Ersten Bürgermeister Roger Heidt (CDU), den Nazis im Wortsinn die Fackeln zu löschen. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) bestätigte die Aufhebung des Fackelverbots des Karlsruher Verwaltungsgerichts.

Die Bürger erwarteten von ihren Vertretern gerade am Pforzheimer Gedenktag 'ein entschlossenes und geschlossenes Auftreten gegen die Rechtsextremisten und keine internen Formulierungsgefechte', begründete der Oberbürgermeister den diesjährigen Aufruf des Bündnisses. 'Wir lehnen jedwede Art rechtsextremer Versammlungen in Pforzheim ab. Die Stadt Pforzheim ist weltoffen und tolerant (. . .) Wir lehnen jedoch jegliche Art von politisch motivierter Gewalt ab, die den Pforzheimer Gedenktag missbraucht', heißt es in dem Text, in dem sich unter anderem die Verwaltungsspitze, Vertreter aus Politik, Kirche und Gewerkschaften unmissverständlich gegen die sogenannte Mahnwache aussprechen. Auf diesen Text hatte sich ein Runder Tisch geeinigt, den Siegfried Schiele moderiert hatte, langjähriger Leiter der Landeszentrale für Politische Bildung Baden-Württemberg. Die Hoffnung, damit nun endlich alle politischen Kräfte zu einen, sind jedoch fehlgeschlagen.

Der Gemeinderat konnte sich dieser knappen, klaren Formulierung nicht anschließen. Unter dem Diktat der Mehrheit von CDU, FDP und der Fraktionsgemeinschaft FW/UB/LBBH im Gemeinderat heißt es nun in der Resolution des Gemeinderats zum 23. Februar: 'Wir lehnen jedoch jegliche Art von gewaltbereitem Extremismus ab, der den Pforzheimer Gedenktag unter Missachtung des Versamm- lungsrechts als Anlass für gewalttätige Konfrontationen missbraucht.'

Hintergrund der Ablehnung, sich am Aufruf des OB zu beteiligen, ist, dass etliche Unterzeichner des Bündnisses, darunter die Gewerkschaften, mit der 'Initiative gegen rechts' ebenfalls eine Kundgebung am Gedenktag planen. Die Hauptrednerin ist die Verdi-Chefin in Baden-Württemberg Leni Breymaier. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Gunther Krichbaum wirft nun dem Oberbürgermeister vor, 'linken Gruppen hinterher' zu laufen, statt 'die Bedenken der bürgerlichen Mitte ernst zu nehmen'. Der FDP-Kreisvorsitzende und Fraktionschef im Landtag, Hans-Ulrich Rülke, und der Bundestagsabgeordnete Erik Schweikert warnen den OB davor, 'sich von den extremen Linken über den Tisch ziehen zu lassen'.

Die Linkspartei und auch antifaschistische Gruppen propagieren derzeit landesweit übers Internet die Demo der 'Initiative gegen rechts'. Da zudem angekündigt ist, 'sich den Nazis gemeinsam in den Weg zustellen', sind Stadtverwaltung und Polizei in erhöhter Alarmbereitschaft. Eine Konfrontation zwischen den rechtsextremen Fackelträgern und dem Demozug der 'Initiative gegen rechts' soll verhindert werden, die Gruppen räumlich getrennt werden. Es sei nicht auszuschließen, dass gewaltbereite Autonome versuchen werden, die Fackelträger aufzumischen. Zudem fällt in diesem Jahr der Gedenktag auf einen Samstag. Das könnte, so die Befürchtungen der Polizei, zu einer deutlich höheren Teilnahme an den Demonstrationen führen. Deshalb werde auch die Polizei die Zahl der Einsatzkräfte erhöhen - 2012 waren 300 Beamte im Einsatz.

Jenseits dieses Geschehen wird der Oberbürgermeister wie geplant am Abend des 23. Februar auf dem Marktplatz sprechen. Am Vormittag findet dort eine 'Mosaikaktion' statt, in der Kinder, Schüler, Bürger ihre selbst gestalteten Puzzleteile zum Thema 'Frieden, Toleranz, Miteinander' aneinanderreihen. Die Historikerin Nadege Mougel, die Enkelin eines französischen Zwangsarbeiters, wird darüber berichten, wie ihr Großvater die Bombennacht in Pforzheim erlebte.