Berlins Linksextremisten vor aktionsreichem Februar

Erstveröffentlicht: 
01.02.2013

„Gegen den Staat und seine Freunde. Berlin muss brennen“ oder „Krieg dem Krieg der Herrschenden! Für einen schwarzen Februar!“ lauten einige der Parolen, mit denen die autonome Szene zu Aktionen in den kommenden Wochen aufruft. Wie die jüngere Vergangenheit zeigt, sind damit nicht zuletzt schwere Straftaten gemeint, bei denen eine sinkende Hemmschwelle – gerade bei der Ausübung von Gewalt gegen Polizeibeamte – festzustellen ist.

 

 Bereits am Samstag, dem 2. Februar 2013 steht der zweite Jahrestag der Räumung eines ehemals besetzten und noch heute für die Szene symbolträchtigen Hauses in der Liebigstraße in Friedrichshain an. Vor, während und nach der Räumung kam es zu heftigem Widerstand der Bewohner und ihrer Unterstützer mit einer Vielzahl von Straf- und Gewalttaten. Auch weiterhin sind die Neumieter ständigen, geradezu tyrannisierenden Angriffen auf ihr Wohnumfeld ausgesetzt. Für den Jahrestag wird zu einer Versammlung in direkter Nähe des Gebäudes aufgerufen, von der militante Aktionen ausgehen sollen. Neben den „Schallwellen“ der „Hassgesänge“ wird mit den Gefahren „demonstrativer Akte im Anschluss“ gedroht. Die Aufforderung lautet: „Kommt alle (...) Lauft mit und wartet auf das Signal!“

Für den Zeitraum vom 2. bis zum 12. Februar 2013 werden alle „AnarchistInnen und Antiautoritäre“ weltweit zu Aktionen für „Freiräume“ aufgerufen. Als Auslöser werden Räumungen linker „Häuser“-Projekte in Griechenland angeführt. In Teilen der autonomen Szene Berlins bestehen persönliche und emotionale Verbindungen zu ihren griechischen „GenossInnen“. Ein schwerer Landfriedensbruch am 17. Januar 2013 in der Kreuzberger Oranienstraße, bei dem ein Polizeifahrzeug mit Steinen angegriffen wurde, wurde von den Tätern selbst in diesen Zusammenhang gestellt. Thematisiert werden aber auch das Erstarken der politischen Rechten in Griechenland und die Auswirkungen der Sparprogramme auf die dortige Bevölkerung. In Athen kam es nach Brandstiftungen und Schüssen auf das Büro des Ministerpräsidenten Samaras zuletzt gar zu einem Sprengstoffanschlag auf ein Einkaufscenter, zu dem sich eine anarchistische Gruppierung bekannte. Auch auf Facebook wurden Solidaritätskampagnen gestartet.

Von tiefer Ablehnung des Staats und seiner Repräsentanten geprägt sind die Aufrufe zur jährlichen Demonstration gegen den in Berlin stattfindenden „Europäischen Polizeikongress“, die für Samstag, den 16. Februar 2013 in Kreuzberg angekündigt wird. Schon weit im Vorfeld kam es zu Straftaten, bei denen u.a. Fahrzeuge der Telekom und des Ordnungsamtes Mitte in Brand gesetzt sowie durch die öffentlichkeitswirksame Aktion „Camover“ einige Überwachungskameras zerstört wurden. Im letzten Jahr folgte dem aggressiven Verlauf des Aufzugs ein sehr viel schwerwiegenderer Vorfall auf der im Nachgang stattfinden Veranstaltung „Polizeikongress verpiss dich“, die in einer Szenelokalität in Friedrichshain stattfand. Alarmierte Polizisten wurden von Vermummten zunächst mit Steinen und Zwillen, bei der Begehung des Objektes dann mit Bauschutt und Löschschaum angegriffen. Schließlich wurde mit Eisenstangen nach ihnen gestoßen. Ein Beamter konnte – nachdem er das bedeckte Visier an seinem Helm öffnen musste – nur durch einen Reflex dem Stoß gegen seinen ungeschützten Kopf ausweichen. Ein Ermittlungsverfahren wegen versuchten Mordes wurde eingestellt, weil sich die Täter nicht identifizieren ließen. In den Kontext solcher Vorkommnisse sind die diesjährigen Ankündigungen zu stellen, wenn es z.B. heißt: „Zeigen wir ihnen, dass ihre Ängste berechtigt sind! Machen Wir den Polizeikongress 2013 zum Desaster!“ oder „Wenn wir die Polizei angreifen, dann nicht um sie von unseren Demos zu jagen, sondern um sie aus unseren Leben zu vertreiben“.

Die Schwere der Gewalt gegen Polizeibeamte hat ein bedenkliches Ausmaß erreicht. Ebenfalls wegen versuchten Mordes ermittelt wurde nach einem Vorfall am 5. Mai 2012, bei dem ein mit zwei Beamten besetzter Einsatzwagen der Polizei beim Halt an einer Ampel in der Kreuzberger Mariannenstraße mit Steinen und Brandsätzen attackiert wurde. Dabei wurde eine Fahrzeugtür aufgerissen und das Fahrzeuginnere gezielt in Brand gesetzt. Der Fahrer konnte durch geistesgegenwärtiges Handeln Schlimmeres verhindern. Am 8. September 2012 kursierte auf einer einschlägigen Internetpräsenz zunächst der Aufruf „Tötet Polizisten“. Noch am selben Tag wurde ein in der Fahrt befindlicher Polizeiwagen in der Waldemarstraße mit etwa 15 Kleinpflastersteinen angegriffen und dabei der Fahrer getroffen.

Autonome sind mit bis weit in bürgerliche Kreise hinein vermittelbaren Themen (Stichwort „Gentrifizierung“) zwar weiterhin hoch mobilisierungsfähig, können aber immer weniger den selbst gestellten Anspruch erfüllen, über ihr eigenes Spektrum hinaus Menschen zu radikalen Protesten gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung anzustiften. Dennoch ist keine Entwarnung zu geben, denn der militante Aktionismus gewaltorientierter Kleingruppen und Cliquen offenbart, dass mindestens bei Teilen der Szene die Achtung vor Leib und Leben politischer Gegner immer weiter erodiert. Die zentralen Akteure der nächsten Wochen werden denn auch nicht nur die „üblichen Verdächtigen“ sein, die Großereignisse wie die „Antikapitalistische Walpurgisnacht“ oder den „Revolutionären 1. Mai“ prägen, sondern vor allem auch anarchistische Kleinstgruppierungen sowie Personen in und aus dem Umfeld von „Szeneobjekten“.

 

Quelle: berlin.de/sen/inneres/verfassungsschutz/aktuelle-meldungen/am_berlins_linksextremisten_01.02.2013.html