Der hier veröffentlichte Artikel beschäftigt sich mit zwei Angriffen auf das islamische Zentrum in Plauen vom letzen Wochenende und der Chronologie rassistischer Vorfälle in Plauen in den Jahren 2011/2012.
In der Nacht auf den 14.12.2012 wurde das islamische Zentrum
in der Plauener Dobenaustraße Ziel eines offensichtlich islamfeindlich und
rassistisch motivierten Übergriffes. Nach Angabe der örtlichen Behörden wurden
vor der Tür Teile eines Schweinskopfs abgelegt, zudem die Fassade und der
Gehweg mit einer roten Flüssigkeit (vermutlich Tierblut) beschmiert. Am Abend
des 14.12.2012 wurde außerdem erneut die Fassade des Zentrums mit einem
kleineren Schriftzug besprayt. (Vgl. FREIE PRESSE (1) & FREIE PRESSE (2))
Innerhalb des letzten Jahres hatten Nazis aus der Region
gezielt gegen Migrant_Innen in Plauen mobil gemacht. Es kam zu mehreren
gewalttätigen Übergriffen und zwei offen rassistischen Kundgebungen. Der
Angriff auf das islamische Zentrum ist der bisherige Gipfel einer Reihe von Aktionen,
die sich gezielt gegen Migrant_Innen und Menschen islamischen Glaubens im
Vogtland richteten.
Im Folgenden werden wir kurz die rassistischen Vorfälle und Aktivitäten der letzten 14 Monate dokumentieren.
Am 14.10.2011 wurden
drei Asylbewerber_Innen in der Plauner Innenstadt durch Mitarbeiter des
Securityunternehmens C.O.P.S. angegriffen und erheblich verletzt. (AGV
berichtete) In Folge des Übergriffes kam es zu einer Auseinandersetzung vor der Discothek
„N1“, die ihrerseits in den vorherigen Monaten durch rassistische
Einlasskontrollen und Nazisecuritys an der Tür aufgefallen war. Lokalpresse und
NPD waren sich im ersten Moment darin einig, dass es sich um einen Fall von
„Ausländergewalt“ handelte. (Vgl. Radiointerview der AGV mit Radio Corax) Die NPD versuchte die aufgeheizte Atmosphäre in der Stadt nach den Vorfällen
am „N1“ zu nutzen und meldete für den 29.10.2011 eine Kundgebung in der
Innenstadt Plauens an, bei der etwa 120 Teilnehmer_Innen gezählt werden
konnten. Neben Holger Apfel (damals Landesvorsitzender der NPD Sachsen) und
Jens Baur (NPD KV Dresden) stand auch Mike Scheffler aus Delitzsch auf der
Rednerliste, der neben seiner Funktion als Landesvize der NPD Sachsen auch als
einer der führenden Köpfe des „Freien Netzes“ anzusehen ist. Der Protest gegen
die Naziveranstaltung blieb mit etwa 50 Teilnehmenden sehr überschaubar.
(NPD-Kundgebung am 29.10.2012 in Plauen - Arne Schimmer [NPD-Bürgerbüro Plauen] vor Transparent der Kameradschaft RNJ Vogtland)
Die NPD konnte ihren Auftritt im Oktober 2011ein angesichts des
schwachen Widerstands durchaus als Erfolg verbuchen. Auch die Stadt unternahm
nichts gegen die rechten Umtriebe des Sicherheitsdienstes C.O.P.S. – so werden
noch immer öffentliche Aufträge, zum Beispiel Fahrkartenkontrollen in der
Straßenbahn, an den Sicherheitsdienst vergeben. Im März 2012 ereignete sich schließlich
ein weiterer Übergriff von Mitarbeitern des Sicherheitsdienst C.O.P.S. auf
einen Migranten in der Straßenbahn. Einzig die Behörden reagierten und
ermittelten inzwischen zwei der Angreifer aus dem Oktober 2011. Diese stehen
derzeit vor Gericht. (Vgl. FREIE PRESSE (3))
. Interessanterweise handelt es sich bei den beiden
Sicherheitsdienstmitarbeitern um Sven Krüger und Marcus Wild - zwei
stadtbekannte Nazischläger, von denen zumindest Krüger nachweislich in der
mittlerweile aufgelösten Nazigruppe „Jungsturm Plauen“ aktiv war. Sven Krüger
und Marcus Wilds großer Bruder Christian Wild traten bereits im Dezember 2005 beim
Übergriff auf der Kulturzentrum „Alte Kaffeerösterei“ in Erscheinung. Außerdem
wurde Krüger im Jahre 2006 bereits wegen einer Übergriffs auf einen alternativen
Jugendlichen verurteilt. Zudem war Krüger einer der beiden Betreiber des
Naziladens „Broken Dreams“ in der Forststraße, welcher jedoch nur von ca.
November 2005 bis September 2006 Bestand hatte. (Vgl. AMAL Sachsen
; Indymedia)
(Nazischläger aus Plauen - Sven Krüger - altes Foto)
Im Oktober 2012 machte die NPD in Plauen erneut mobil und meldete zwei Kundgebungen für den 30.10. im Rahmen ihrer sachsenweiten Kampagne an, die sich gegen vermeintlichen „Asylmissbrauch“ und das auch von bürgerlich- konservativer Seite gern herbeifantasierte Gespenst der „Islamisierung“ richteten. Vermutlich verfolgte die NPD damit das Ziel, erneut an die von rassistischen Ressentiments geprägte Stimmung aus dem letzten Herbst anzuknüpfen. Eine Kundgebung fand vor dem islamischen Zentrum in der Dobenaustraße statt, die andere später vor dem Asylbewerber_Innenheim in der Kasernenstraße. Von einem Erfolg der Nazis konnte am 30.10.2012 jedoch keinesfalls die Rede sein. Nur etwa 30 hauptsächlich auswärtige Neofaschisten verbreiteten an den zwei Orten ihren rassistischen Müll und traten schließlich noch vor Ablauf der Kundgebungszeit den Rückzug an. Vertreten waren unter anderem Holger Apfel (mittlerweile Bundesvorsitzender der NPD), Jürgen Gansel (NPD-MdL Sachsen), Arne Schimmer (NPD-MdL Sachsen, betreibt das sogenannte „Bürgerbüro“ in der Rädelstraße in Plauen), Mike Scheffler (stellvertretender Landesvorsitzender der NPD in Sachsen) und Michael Schäfer (ehemaliger JN-Bundesvorsitzender).
(30.10.2012 - Jürgen Gansel [links] und Holger Apfel [Bildmitte])
(30.10.2012 - Mike Scheffler [oben links] und Arne Schimmer [oben rechts])
Trotz der herangekarrten Parteiprominenz ließ sich selbst der lokale NPD-Kreisverband nur vereinzelt blicken. Öffentliche Resonanz erfuhren die Kundgebungen so gut wie keine. An der Dobenaustraße protestierten bereits etwa 60 Menschen gegen die rassistische Hetze, am Wohnheim in der Kasernenstraße stellten sich schließlich etwa 150 Asylbewerber_Innen, Bürger_Innen und Antifaschist_Innen gemeinsam den Vordenkern des braunen Mobs entgegen. Zudem wurde verhindert, dass die NPD-Landtagsabgeordneten wie angekündigt das Asylbewerber_Innenheim betreten wollten, was eine noch größere Provokation und Verletzung der Würde der dort ansässigen Menschen bedeutet hätte, als es bereits die Nazikundgebung vor dem islamischen Zentrum war.
(Abgesperrt und ab vom Schuss: die NPD-Kundgebung in der Kasernenstraße)
Die Vorfälle vom 14. und 15.12.2012 sind als direkte Folgen der rassistischen Hetze anzusehen, die von NPD und Kameradschaftsnazis, rassistischen “C.O.P.S.”-Securityschlägern und ihren Verbündeten seit längerem betrieben werden. Die ideologischen Wegbereiter_Innen für Gewalttaten, „symbolische“ Anschläge und gezielte Provokationen gegen Migrant_Innen sitzen im sächsischen Landtag, in Kreistagen und in unscheinbaren „Bürgerbüros“ wie in der Rädelstraße in Plauen. Es ist Zeit, aktiv einzuschreiten – aus Solidarität mit allen Betroffenen, und aus der Notwendigkeit heraus, keine erneute Pogromstimmung wie im Herbst 2011 zuzulassen.
Wir solidarisieren uns mit allen von rassistischem Denken und Handeln betroffenen Menschen.
THE SILENCE ENDS HERE AND NOW!