Sie haben schon über eine Art Arier-Nachweis gestritten, Widerstandskämpfer während der Nazizeit als Vaterlandsverräter bezeichnet und singen alle drei Strophen des Deutschlandliedes statt nur die dritte: Der Verband der Deutschen Burschenschaft. Da sie sich beim letzten Treffen intern sehr zerstritten haben, gerade auch was die politische Einstellung und Äußerung einiger Mitglieder angeht, veranstalten sie nun einen außerordentlichen Burschenschaftstag – in der Untertürkheimer Sängerhalle. Pächterin Gisela Vögl sieht keinen Grund die Mieter abzuweisen.
Untertürkheim - Initiative Burschenschaftliche Zukunft oder kurz IBZ nennen sie sich. Sie sind ein Zusammenschluss von 25 der insgesamt etwa 120 Burschenschaften innerhalb der Deutschen Burschenschaft, die sich unter anderem für ein "Fernhalten von jeglichen extremistischen oder rassistischen Positionen an den politischen oder ideologischen Rändern in der Burschenschaft" einsetzen. Und sie sind auch der Auslöser für den außerordentlichen Burschenschaftstag, der ab Freitag, 23. November, in der Untertürkheimer Sängerhalle abgehalten wird.
Beim letzten Burschenschaftstreffen des Verbandes im Sommer hat sich in diversen Abstimmungen vor allem der rechte Flügel durchgesetzt: "Im Augenblick ist der rechte Flügel der bestimmende Flügel.", sagt auch Alexandra Kurth, Politikwissenschaftlerin aus Gießen mit Fokus auf Burschenschafter und deren Verbindung zum Rechtsextremismus. Das Engagement der IBZ gegen rechts, nimmt sie den Burschenschaftern nur zum Teil ab. "Bei vielen gewinnt man den Eindruck, es geht nur um Schadensregulierung, wegen der vielen negativen Berichterstattung. Man stört sich nicht wirklich an deren Treiben." Und gerade dieses tolerieren, hält Kurth für sehr gefährlich. "Damit unterstützt man diese Kräfte ungemein."
Auch drei Bünde aus Stuttgart gehören zur Deutschen Burschenschaft. Die Alemannia mit Sitz unterhalb der Uhlandshöhe, die Ghibellinia in der Innenstadt und die Hilaritas in der Stafflenbergstraße. Dass die drei Häuser in Stuttgarter Toplagen sind, sei auch kein Zufall: "Durch die Mitgliedschaft in einer Burschenschaft kann der Weg zu einer höheren gesellschaftlichen und beruflichen Position kürzer sein. Das kann rechtsextremes Gedankengut hoffähig machen", so Kurth. Bei dem Burschenschaftstag in Stuttgart soll dieses rechte Innenleben nun auch zum Thema werden. Wie er enden könnte, fällt Alexandra Kurth schwer zu prognostizieren: "Es könnte sein, dass der Verband in einen liberalen und einen rechten Flügel zerbricht, oder es geht weiter wie bisher. Die liberaleren Kräfte akzeptieren weiter das Treiben der Rechten."
Ebenfalls tolerieren wird auch Gisela Vögl das Treiben. Die CDU-Bezirksbeirätin aus Stuttgart-Wangen ist die Pächterin der Sängerhalle und sieht auch kein Problem damit die Räumlichkeiten an die Burschenschaften zu vermieten: "Wir können hier nicht jeden, der die Räumlichkeiten anfragt überprüfen, wo kämen wir dann hin. Bei uns treffen sich auch verschiedene Migrantengruppen und so weiter."
Die Stadt Stuttgart sieht keine Möglichkeit in das Treffen einzugreifen. "Die Veranstaltung findet in einer privaten Halle statt. Und laut Bundes- und Landesbehörden handelt es sich nicht um eine verfassungsfeindliche Gemeinschaft", so Pressereferent Sven Matis.
Verfassungsfeindlichkeit als gesamtes würde auch Alexandra Kurth dem Verband nicht unterstellen: "Es gibt allerdings Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen." Nicht tolerieren wollen die Veranstaltung jedoch zum Beispiel die Frauengruppe Stuttgart und anderen antifaschistischen Gruppen und Gewerkschaften. Gemeinsam planen sie am Samstag, 24. November, ab 12 Uhr in Untertürkheim auf dem Bahnhofsvorplatz ein Kulturprogramm mit Musik, Straßentheater und Flashmobs.
Thomas Miedaner