STUTTGART. Darf ein Burschenschaftler ausländische Wurzeln haben? Und darf er öffentlich rechtsradikale Aussagen treffen? Seit Monaten streiten sich die verschiedenen Flügel des Deutschen Burschenschaftsverbands , teilweise vor Gericht, um ihre Ausrichtung.
Die Deutsche Burschenschaft will ihre Flügelkämpfe beenden. Auf dem außerordentlichen Treffen in Stuttgart versucht der Verband, die internen Querelen zu beenden und die Einheit zu retten. Die Vertreter der rund 100 Burschenschaften mit geschätzt 10 000 Mitgliedern wollen am Freitag (23.11.) zusammenkommen und bis Sonntag über die strittigen Themen debattieren. Dabei geht es vor allem um den Umgang mit rechtsradikalen Tendenzen und die Aufnahmepolitik der studentischen Verbindungen. Wenige Tage vor dem Treffen ist wenig Kompromissbereitschaft zu erkennen.
In Stuttgart soll das in Eisenach zerschlagene Porzellan, News4teachers.de berichtete, wieder geklebt werden. Im Juni war der Burschentag in Thüringen vorzeitig aufgelöst worden, weil sich die Kontrahenten so sehr ineinander verkeilt hatten, dass keine Einigung mehr möglich schien. Die liberale Initiative Burschenschaftliche Zukunft (IBZ), die etwa 25 Gruppen vertritt, drohte sogar mit Austritt.
«Inzwischen hat es einige Gespräche hinter den Kulissen gegeben», sagt der Sprecher der Deutschen Burschenschaft, Walter Tributsch. «Ich gehe davon aus, dass alle einen starken Verband wollen und es nicht zur Spaltung kommt.» Auch Michael Schmidt von der IBZ mit Sitz in Stuttgart will das Tischtuch nicht vorschnell zerschneiden. «Allen ist klar, dass sich etwas bewegen muss. Die Unzufriedenheit ist auf allen Seiten da.»
Gegenpart der IBZ ist die konservative Burschenschaftliche Gemeinschaft (BG), mit etwa 40 Gruppen die stärkste Vereinigung innerhalb des Verbandes. An einem ihrer Vordenker, dem Chefredakteur der Verbandszeitschrift Norbert Weidner, hatte sich der Streit in Eisenach entzündet. Weidner hatte in einer Veröffentlichung den NS-Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer als Landesverräter und die von Hitler angeordnete Hinrichtung als «juristisch gerechtfertigt» bezeichnet. Dafür muss er sich inzwischen auch vor Gericht verantworten.
Die Liberalen wollten ihn abwählen, verfehlten jedoch die Mehrheit. In Stuttgart wollen sie einen neuen Anlauf nehmen, was Weidner an der demokratischen Gesinnung seiner Kritiker zweifeln lässt. Er hofft, «dass sich eine Allianz der Vernunft» durchsetzen wird. Der Verband Deutsche Burschenschaft werde in jedem Fall überleben. «Er kann nur mit einer Mehrheit von vier Fünfteln aufgelöst werden. Und die wird es auf keinen Fall geben.»
Neben der Abwahl Weidners gehen die Liberalen mit weiteren Maximalforderungen in die Debatte: So will sie drei Burschenschaften wegen verbandsschädigendem Verhalten ausgeschlossen sehen, darunter auch Weiners «Raczeks» in Bonn. Zudem sollen bei Abstimmungen künftig mitgliederstarke Verbände mehr Stimmrechte erhalten. Das würde liberalen Burschenschaften entgegenkommen.
Nicht zuletzt soll auch die leidige Frage geklärt werden, welche Kriterien ein Student erfüllen muss, um in einer Burschenschaft aufgenommen zu werden. Die Konservativen fordern Deutschstämmigkeit, die Liberalen wollen eine Öffnung. Dieser Streit hatte sich 2011 an dem Mannheimer Studenten Kai Ming Au entzündet, der in Deutschland geboren ist, dessen Eltern aber aus Hongkong kommen. Vielen Burschenschaftlern war er damit nicht deutsch genug – sie forderten seinen Ausschluss. Ingo Senft-Werner/dpa