Botschaft: Ausländer raus

Erstveröffentlicht: 
16.10.2012

Das Amtsgericht Meppen hat den Neonazi-Sänger Daniel Giese wegen volksverhetzender Inhalte mehrerer seiner Lieder und der Billigung von Straftaten zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

 

Mit über einem Dutzend Kameraden war Daniel Giese, Sänger der Neonazi-Band „Gigi & und die braunen Stadtmusikanten“ am Montag im Amtsgericht im westniedersächsischen Meppen erschienen. Der 42-jährige Arbeitslose musste sich wegen Volksverhetzung und der Billigung von Straftaten vor Gericht verantworten.

 

Drei Lieder seiner 2010 beim Chemnitzer Label PC-Records veröffentlichten CD „Adolf Hitler lebt“ waren von der Vereinigung der Verfolgen des Naziregimes (VVN/BdA) angezeigt worden, darunter der „Döner Killer“-Song, der sich bereits vor dem Bekanntwerden der Verbrechen des Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) über die rassistische Mordserie an neun Menschen lustig macht. Eine Sprecherin des niedersächsischen Verfassungsschutzes betonte gestern Abend im NDR erneut, dass weder Täterwissen noch eine Verbindung zum NSU bestehe.

 

Tonträger von Juristin vorher geprüft

 

Doch Giese verfügte bereits in den 90er Jahren über Kontakte zum „Blood&Honour“-Netzwerk, aus deren Reihen die untergetauchten Terroristen Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt Fluchthilfe und Unterstützung fanden. Auch einen der thüringischen Beschuldigten im NSU-Verfahren, den inhaftierten Ralf Wohlleben kannte der niedersächsische Sänger. „Gigi & und die braunen Stadtmusikanten“ waren bereits vor Jahren als ein Highlight für das von Wohlleben mitorganisierte „Fest der Völker“ angekündigt worden.

 

Vor Gericht gab sich der Glatzkopf Giese eher verschwiegen, seine Anwältin plädierte auf nicht schuldig. Der Tonträger „Adolf Hitler lebt“ sei von der Hamburger Juristin Gisa Pahl, einer ehemaligen Kanzleikollegin von Jürgen Rieger, vorher ausreichend geprüft worden. Die Verteidigerin bezeichnete die Ermittlungen als „fragwürdig“ und würdigte Pahl als „renommiert“ und „anerkannt in der Szene“. In ihrem Plädoyer stellte sie fest, dass ihrem Mandanten nicht unterstellt werden könne, von den Verbrechen der NSU zu wissen. Kurz mokierte sie sich darüber, wie die Morde „in der Öffentlichkeit breitgetreten“ würden.

 

Lieber Klassik als Gigi

 

Die 55-jährige Zeugin Gisa Pahl stellte sich als „Rechtsanwältin und Hausfrau“ vor. Sie versuchte ausführlich und in aller Länge die juristische Prüfung der drei Lieder von 2009 bis 2010 damit zu erläutern, dass es sich auch beim „Döner“-Song um ein mehrdeutiges „Veralberungslied“ handele. Immerhin beinhalte das Lied die „witzige“ Wendung, dass „Würste“ und nicht „Menschen“ gemeint seien. 

 

Langatmig führte die Mitinitiatorin des „Deutschen Rechtsbüros“ aus, keine Gefälligkeitsgutachten zu erstellen, lieber Klassik als Gigi zu hören und überhaupt bei ihrer Arbeit doch sehr erfolgreich zu sein.  Rund 400 Gutachten für Szene-Bands will sie erstellt haben. Rund ein Drittel ihrer Zeit beschäftige sie sich mit solchen Dingen, ein weiteres Drittel seien Prozesse um Versammlungs- und Presserecht, der Rest Inkassosachen. Ihre Leidenschaft, so Pahl, seien die Grundrechte.

 

Die zuständige Richterin Schneckenberger sah danach keine Notwendigkeit, den Betreiber des Tonstudios Art of Sound aus Schwarme als Zeugen aufzurufen. Bei ihm waren Teile des Tonträgers eingespielt worden. Als weiterer Zeuge trat nur noch ein Mitarbeiter des niedersächsischen Landeskriminalamtes auf. Der erwähnte den ehemals wohl wichtigsten Musikproduzenten von „Blood&Honour“-Tonträgern, Jens H. aus dem nahen Lingen, als einen der Texter ehemaliger Gigi-Songs.

 

Kontakte zu den „Hammerskin Nations“

 

H. schmunzelte im Hintergrund. Ganz hinten in der letzten Zuschauerreihe verbarg sich der schmächtige Bartträger zwischen den Kameraden, die die Zuschauerbänke des kleinen Gerichtssaals fast beherrschten. Seit Jahren scheint der umtriebige Neonazi im Hintergrund von „Gigi & und die braunen Stadtmusikanten“ zu wirken. Er hatte sich Ende der 90er Jahre mit seinem „Nibelungen“-Versand selbst vor Gericht verantworten müssen.

 

Nach dem Verbot von „Blood&Honour“ im Jahr 2000 war es um ihn ruhiger geworden. Jetzt soll zeitweilig wieder gegen H. als Mitverantwortlichen bei der Umsetzung von „Adolf Hitler lebt“ ermittelt worden sein. Seine Beteiligung am Projekt stand intern außer Zweifel.

 

Der Betreiber des Chemnitzer Rechtsrock-Labels Yves Rahmel kennt H. und Giese seit Jahren. Rahmel war im Sommer 2012 unter anderem wegen eines Songs von „Stahlgewitter“,einer weiteren Giese-Band, zu einer hohen Geldstrafe wegen  Volksverhetzung verurteilt worden. Rahmel verfügt über beste Kontakte in internationale Netzwerke, so auch zu den umtriebigen „Hammerskin Nations“.

 

Text solidarisiert sich mit den Tätern der Mordserie

 

Die Anhängerschar des Sängers Gigi, gekleidet in schweren Lederjacken, mit Sonnenbrillen, Rockerlogos und Mützen, glich dieser Klientel – einer Mischung aus rechten Securities und Rockern. Einige trugen den Schriftzug „Hermunduren“ auf ihren schwarzen Pullovern. Ein Thorshammer und Patches mit den Kennzeichnungen „Thüringen“ und „HFFH“ („Hammerskins Forever- Forever Hammerskins“ zierten die Lederwesten.

 

Nach kurzer Beratung verurteilte das Amtsgericht in Meppen den Sänger Daniel Giese wegen der Inhalte seiner Texte von „Döner-Killer“, „Geschwür am After“ und „Bis nach Istanbul“ wegen Volksverhetzung und Billigung von Straftaten. Die Richterin sah es als erwiesen an, dass sich im Text von „Döner-Killer" mit den Tätern der rassistischen Mordserie solidarisiert würde und insgesamt die Botschaft verbreitet werden sollte: Ausländer raus. Das Urteil wurde zur Bewährung ausgesetzt, da Giese bisher keine Vorstrafen habe und von einer guten Sozialprognose auszugehen sei. Sie riet dem Neonazi: „Wenn Sie weiter solche Lieder singen, sollten sie in Zukunft Gutachten lieber von einem unabhängigen Institut oder gar der Staatsanwaltschaft einholen“. Gieses Anwältin kündigte gegenüber den Medien an, Rechtsmittel einlegen zu wollen.