Land fordert geduldete Asylbewerber auf, sofort zu gehen

Erstveröffentlicht: 
29.08.2012

Hinweisblatt

 

Juristische Klarstellung oder Schikane? Abgelehnte Asylbewerber, die nicht ausgewiesen werden können, erhalten mit der Duldungserklärung die Aufforderung, Deutschland sofort zu verlassen.

 

Das "Hinweisblatt" trägt den Briefkopf des Landes und der Inhalt klingt auf den ersten Blick absurd. "Anlässlich der Erteilung der Duldung werden Sie auf Folgendes hingewiesen": Eine Duldung bedeute kein Aufenthaltsrecht, "Sie sind daher zur Ausreise aus dem Bundesgebiet verpflichtet." Wer dem nicht freiwillig nachkommt, der könne später abgeschoben werden. Wer hingegen freiwillig geht, könne eine "finanzielle Unterstützung erhalten". Am Fuß des DIN-A4-Blattes darf der Unterzeichner wahlweise ankreuzen, ob er freiwillig ausreisen will oder nicht.

9800 Ausländer im Land sind geduldet

Im Prinzip könnten die Regierungspräsidien das Hinweisblatt an 9800 Ausländer im Land verteilen – so viele leben hier als sogenannte "Geduldete". Das sind Menschen, denen zwar kein Asyl gewährt wurde, die aber nicht in ihre Heimatländer abgeschoben werden. Nach Syrien zum Beispiel wird seit Jahren nur selten abgeschoben, weil das Assad-Regime jeden, der im Ausland Asyl beantragt, zum Regimegegner erklärt hat. Daher droht dort auch Folter. Ebenfalls nicht abgeschoben wird derzeit in den Irak sowie Afghanistan.

Geduldet sind auch abgelehnte Asylbewerber, die nicht abgeschoben werden können – zum Beispiel, weil die Heimatländer die Zusammenarbeit mit Deutschland verweigern oder weil sie die Flüchtlinge bewusst nicht aufnehmen. Serbiens Präsident Slobodan Milosevic zum Beispiel vertrieb die Kosovaren ganz bewusst – also ließ er sie als Flüchtlinge nicht zurück. Für Kosovo-Flüchtlinge hat sich die Situation inzwischen grundlegend geändert, Kosovo ist inzwischen ein unabhängiger Staat, daher wird nun vermehrt dorthin abgeschoben – was aufgrund der langen Aufenthaltsdauer in Deutschland oft unangemessen ist.

Evangelische Landeskirche fordert Umdenken

Für die Aktion Bleiberecht in Freiburg ist das Hinweisblatt ein Beleg dafür, dass die grün-rote Landesregierung die inhumane Abschiebepraxis der Vorgängerregierung fortführt und lediglich mit einer vordergründig freiwilligen Erklärung neu bemäntelt. Ein Vorwurf, den ein Sprecher des Innenministers zurückweist. Es sei Rechtslage, dass abgelehnte Asylbewerber letzten Endes auch abgeschoben werden. Man weise sie lediglich auf die Möglichkeit hin, freiwillig zu gehen und sich damit die Option offenzuhalten, später einmal in die EU einzureisen.

Auch Jürgen Blechinger, Migrationsexperte der evangelischen Landeskirche, hält das Formblatt eher für eine Klarstellung, wie sie Organisationen der Flüchtlingshilfe seit Jahren gefordert haben. Zugleich fordert Blechinger Bund und Land auf, endlich mehr Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen. "Wir sollten diesen Menschen legale Zufluchtsmöglichkeiten eröffnen", forderte er. Ansonsten drohe eine Welle illegaler Einreisen, wobei die Fluchtwege zum Teil mit großen Risiken behaftet sind. "Wir reden hier nicht von großen Zahlen", sagte Blechinger weiter. "Nähme Deutschland 2000 Menschen aus Syrien auf, kämen rund zwölf Prozent oder 240 von ihnen nach Baden-Württemberg. Verteilt auf die 44 Stadt- und Landkreise wären das gerade mal ein oder zwei Familien pro Kreis."

Wie schwierig die rechtliche Beurteilung einer Abschiebung ist, zeigte sich nun auch in einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart vom Dienstag. Demnach darf ein Flüchtling aus dem Iran nicht von Deutschland in das EU-Mitgliedsland Ungarn abgeschoben werden. Dort erwarte den Mann kein faires Asylverfahren, sondern eines mit "systematischen Mängeln"; stattdessen drohe ihm Misshandlung im Polizeigewahrsam, sowie eine "unmenschliche und erniedrigende Behandlung". Der Mann war über Ungarn in die EU eingereist und hatte daher dort einen ersten Asylantrag gestellt. Nach europäischen Abkommen wäre Ungarn für das Asylverfahren zuständig.

Ein neues Abschiebehindernis könnte sich auch in Mazedonien auftun. Die dortige Regierung hat ein neues Gesetz beschlossen, das Bürgern eine Strafe androht, die in einem anderen Land einen Asylantrag gestellt haben.