Politikstudentin als rechtsradikal geoutet: Wie ihre Kommilitonen jetzt reagieren sollten

fudder Dimerli 1
Erstveröffentlicht: 
19.07.2012

Sie ist 21, studiert Politik an der Uni Freiburg - und ist Rechtsextremistin. Am Freitag hat das Online-Portal linksunten.indymedia sie als rechtsradikal geoutet, am Montag hat die Fachschaft den Fall besprochen - noch ohne konkretes Ergebnis. Im Kollegiengebäude IV hängen A4-Zettel mit der Aufschrift "Hier ist kein Platz für Nazis". Ist das der richtige Weg? Wir haben Bernd Wagner von der Neonazi-Aussteigerinitiative EXIT-Deutschland gefragt, was jetzt zu tun ist.

 

fudder: Herr Wagner, ist es legitim, jemanden als rechtsradikal zu outen?

 

Bernd Wagner: Im vorliegenden Fall: ja. Die Studentin verkündet öffentlich ihre sehr radikale rechtsextreme Weltanschauung. Das Internet ist nicht unbedingt ein privater Raum. Dadurch wird sie zu einer Person der Zeitgeschichte und muss damit rechnen, auf ihre Gesinnung angesprochen zu werden. Jeder Rechtsextremist muss für sich selbst entscheiden, inwieweit er die Öffentlichkeit sucht und dann mit den Konsequenzen rechnen.

 

Was passiert nach dem Outing?

 

Entweder setzt man sich mit der Studentin auf eine Weise auseinander, welche weder die Menschenwürde bricht noch rechtswidrig ist – inhaltlich, ideologisch, politisch –, oder man greift zu solchen unzulässigen Mitteln. Und da unterscheiden sich dann natürlich die Agitatoren in ihrem Menschenbild und ihren politischen Wertvorstellungen. Eine Ausgrenzungsstrategie lehne ich ab.

 

Warum?

 

Das könnte die Studentin in die festen Arme der Rechtsextremisten treiben, wo sie noch radikaler und noch schwerer erreichbar würde.

 

Die Studentin ist im Schützenverein und hat in einem nationalsozialistischen Online-Forum Gewaltfantasien von sich gegeben. Kommilitonen von ihr haben Angst, sich neben sie zu setzen und meiden sie. Ist das die richtige Reaktion?

 

Nein. Ich würde mich sogar neben sie setzen und mich kritisch auf ihre Ansichten einlassen. Wer etwas auf sich hält, sollte die Kritik suchen und nicht Frust schieben, ausgrenzen, Gewalt einsetzen oder aus Angst fliehen. Man sollte sich eher darüber unterhalten, wie man an die Inhalte herangeht, die sie vertritt, und diese in der Luft zerreißen. Das zeigt Wirkung.

 

Letztens hat mich ein Mann angerufen und sich nach Jahren bei mir dafür bedankt, dass ich ihn nicht in Ruhe gelassen habe, immer wieder kritisch nachgefragt und mich von neuem auf ihn eingelassen habe. Heutzutage ist er völlig runter von seiner alten, nationalsozialistischen Weltanschauung.

 

Ich würde die Studentin nicht für verloren erklären. Jetzt gilt es, mit ihr zu arbeiten, herauszufinden, was mit ihr los ist, warum sie macht, was sie macht. Kritische Intervention statt Ausgrenzung.

 

Vielleicht denkt sie über die Sache nach und entdeckt Fehler in ihrer Logik. Die Aussteiger, die zu uns kommen, haben alle so einen logischen oder emotionalen Fehler gefunden, der Zweifel in ihnen genährt hat. Dieser ist dann immer größer geworden, bis sie irgendwann abtrünnig geworden sind.

 

Was sollte die Fakultät tun: sie exmatrikulieren?

 

Nein. Man muss zunächst prüfen, ob sie mit dem, was sie gesagt hat, tatsächlich gegen Gesetze verstoßen hat und ob sie dies als Studentin der betreffenden Fakultät disqualifiziert – und es gibt da ein paar Aussagen von ihr, die sehr problematisch sind. Sollte sie aber gegen kein Gesetz verstoßen haben, ist es schwierig, sie zu exmatrikulieren.

 

Gleichzeitig gilt immer noch das Gebot der Meinungsfreiheit. Es geht nicht an, dass jeder, der in irgendeiner Weise antihuman denkt und sich in dieser Richtung äußert, aus unserer pluralistischen Gesellschaft ausgeschlossen wird. Wenn jeder seine Meinung frei äußern darf, nur Rechtsextreme nicht, macht man sich das Verständnis des demokratischen Verfassungsstaates zu einfach.

 


 

EXIT-Deutschland

 

... ist eine Initiative, die Menschen hilft, die mit dem Rechtsextremismus brechen und sich ein neues Leben aufbauen wollen. Zugleich setzt EXIT-Deutschland sich mit der Vorstellungswelt und dem Verhalten von Rechtsextremisten auseinander. Dabei stützt die Initiative sich auf die Werte von persönlicher Freiheit und Würde.