Prozess um Neonazi - Darf eine Linke einen Rechten verteidigen?

Erstveröffentlicht: 
10.07.2012

Eine Rechtsanwältin wird als "Nazi-Versteherin" geschmäht, weil sie einen Rechtsradikalen verteidigt. Seitdem befindet sich die Grüne Alternative Freiburg, der die junge Juristin angehört, in rasanter Selbstauflösung - auch aus Protest gegen den Protest.


Die Grüne Alternative Freiburg (GAF) ist in der badischen Uni-Stadt für ihre ausgeprägte Diskussionsfreude bekannt. Jetzt hat sich die politische Gruppe, die sich 2008 von den Grünen abspaltete und seit 2009 zwei Stadträte stellt, in einer besonders leidenschaftlich geführten Diskussion jedoch ziemlich verheddert. Die Frage, ob eine linke Anwältin einen Neonazi verteidigen darf, spaltet die GAF selbst.

 

Tina Gröbmayr war bis vor Kurzem Sprecherin der GAF. Es gingen ihr aber dann die Mitglieder aus, für die sie hätte sprechen können. Die 27-Jährige hat gerade ihre Zulassung als Rechtsanwältin bekommen und ist in eine gut beleumundete Freiburger Kanzlei eingetreten. Dort unterstützt sie einen Kollegen, der vor dem Landgericht als Pflichtverteidiger Florian S. vertritt: einen Rechtsradikalen, der des versuchten Totschlags beschuldigt wird. Der Mann hatte sein Auto im Oktober 2011 auf einem Parkplatz mit jaulendem Motor in eine Gruppe linker Aktivisten gelenkt - ein Schüler erlitt schwere Verletzungen. Der Angeklagte beruft sich auf Notwehr; die vermummten Opfer waren zunächst auf den Wagen zugelaufen.


Jeder Angeklagte hat ein Recht auf Verteidigung

 

Gröbmayr sagt, jeder Angeklagte habe das Recht auf Verteidigung, für jeden gelte die Unschuldsvermutung. Sie habe durchaus mit sich gerungen, bevor sie sich zur Mitarbeit an dem Fall entschloss. Aber dann habe sie ganz bewusst Ja gesagt. Nun wird sie in den Internetforen linker Aktivisten als "Nazi-Versteherin" und "Nazianwältin" geschmäht, Letzteres immerhin mit Fragezeichen.

 

Die GAF befindet sich in rasanter Selbstauflösung: Alle Vorstandskollegen traten zurück, um gegen Gröbmayrs "grundlegend falsche" Entscheidung zu protestieren. Auch die beiden Stadträte der GAF griffen Gröbmayr an: Eine Trennung zwischen Beruf und Politik sei "unlogisch", schließlich sei jede "Anwältinnentätigkeit als politisch zu verstehen". Man könne nicht "in einem politischen Verfahren Entscheidungen im Interesse eines Neonazis treffen und gleichzeitig eine Gruppe mit einer diametral anderen Politik vertreten". Die Stadträte fürchten auch, dass die GAF nun einen "gravierenden Vetrauensverlust" erleidet.

 

Nachweisbar ist schon mal ein Mitgliederverlust: Ein Mann trat aus Protest gegen den Protest aus der GAF aus. Auch der erste Nachrücker auf der Stadtratsliste solidarisierte sich mit Tina Gröbmayr: Er forderte die beiden Stadträte auf, die GAF zu verlassen. Die Diskussion wird wohl noch eine Weile dauern.