Verteidigung eines Neonazis - Anwältin aus Freiburg wird attackiert

Eine Debatte über die Vereinbarkeit von Weltanschauung und dem Auftrag zur Pflichtverteidigung rechtsradikaler Täter treibt die Szene in Freiburg um
Erstveröffentlicht: 
30.06.2012

Freiburg - Darf eine links engagierte Anwältin einen Neonazi vor Gericht vertreten oder bei seiner Verteidigung überhaupt in irgendeiner Weise beteiligt sein? Darüber wird am Rande des zur Zeit vor dem Landgericht Freiburg laufenden Prozesses gegen einen Neonazi gestritten. Der komplette Vorstand der im Gemeinderat vertretenen „Grüne Alternative Freiburg (GAF)“ ist deshalb zurückgetreten, ein Vorstand hat die GAF verlassen.

 

Die angegriffene Anwältin erwägt mittlerweile, dies ebenfalls zu tun. Tina Gröbmayr (27), soeben erst nach fertiger Ausbildung frisch zugelassene Rechtsanwältin, ist das „böse Mädchen“, auf das eingeprügelt wird. Der Internetdienst Indymedia Linksunten etwa titulierte die Juristin, als „Nazianwältin“, wenn auch mit Fragezeichen. Anonyme Kommentatoren beleidigten sie hemmungslos. Wer bereit sei, Nazis vor Gericht zu verteidigen „und sei es auch nur als helfende Hand und getarnt unter dem Deckmantel rechtsstaatlicher Garantien, hat auf einer Veranstaltung kritischer Jurastudierender nichts zu suchen“, befanden „Aktive JuristInnen Hamburgs“.

 

Der Neonazi ist wegen versuchten Totschlags angeklagt


Dabei verteidigt Gröbmayr noch nicht einmal einen Neonazi, sie ist lediglich in die Kanzlei von Rechtsanwalt Ulf Köpcke aus Freiburg eingetreten, der als Pflichtverteidiger den Neonazi Florian S. vor dem Landgericht vertritt, wo er des versuchten Totschlags angeklagt ist. Noch als Praktikantin hatte Gröbmayr ihrem künftigen Kollegen bei der Prozessvorbereitung geholfen. Dies hat sie nicht für sich behalten, sondern ihren politischen Freunden der Grün-Alternativen Wählervereinigung erzählt, sie war Sprecherin des Vorstands.

 

Sie habe herausfinden wollen, ob sie einen Neonazi überhaupt verteidigen könnte. So wie sie auch habe herausfinden müssen, ob sie es als Frau aushalten könnte, einen Sexualstraftäter zu verteidigen. Gröbmayr ist seit Jahren in der ehrenamtlichen Bewährungshilfe und betreut auch frühere Sicherungsverwahrte. Für jeden Angeklagten gelte bis zum Urteil die Unschuldsvermutung und jeder Angeklagte habe das Recht auf einen Anwalt. „Eine Vorverurteilung widerspricht den Grundsätzen des Rechtsstaates.“

 

„Ich kann in jedem Angeklagten den Menschen sehen.“


Sie sei sehr wohl hin- und hergerissen gewesen, am Ende fand sie: „Ich kann es. Ich kann in jedem Angeklagten den Menschen sehen, auch in dem Neonazi“. Durchgedrungen ist sie mit ihren Argumenten bei den Wortführern des linken Vereins nicht, der nur rund ein Dutzend Mitglieder hat, aber bei der Gemeinderatswahl 2009 knapp vier Prozent der Stimmen und zwei Sitze bekam. Die GAF-Gemeinderäte Coinneach McCabe und Monika Stein gehörten früher der Grünen-Fraktion an, trennten sich aber 2008 im Streit. Es sei „eine grundlegend falsche Entscheidung, dass jemand, die der GAF angehört, an der Verteidigung mitwirkt“, erklären die beiden. Als Sprecherin einer linken Gruppe einen Neonazi zu vertreten, führe zu einem „gravierendem Vertrauensverlust und Handlungsunfähigkeit“. Es sei zu befürchten, „dass sich kein Flüchtling mehr an uns wenden wird, der von fremdenfeindlicher Gewalt betroffen ist“. Indirekt wird Gröbmayr nahe gelegt, die GAF zu verlassen.

 

Vielleicht wird aber in der Sache auch nur einfach haarscharf aneinander vorbei geredet. Anwälte haben selbstverständlich die Pflicht, ihre Mandanten nach bestem Wissen und Gewissen zu verteidigen, ihre Auffassungen oder Taten müssen sie nicht billigen und nicht vertreten. betont Jens Janssen, im zur Debatte stehenden Neonazi-Prozess Rechtsvertreter von zwei Geschädigten. Und niemand kann Anwälten vorschreiben, wen sie verteidigen müssen oder sollen. Es gibt freilich auch das Recht, ein Mandat abzulehnen, selbst eine Pflichtverteidigung.