[Nienhagen] Nazimucke braucht kein Mensch!

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Liebe Mitmenschen,

am 26.05.2012 fand im rund 380 EinwohnerInnen zählenden Schwanebecker Ortsteil Nienhagen (Sachsen-Anhalt) auf einem privaten Gelände – abgeschirmt von etwa 400 PolizistInnen – eines der größten internationalen Rechtsrockkonzerte statt. Die »European Skinhead Party« von und mit AkteurInnen und Bands der Neonazi-Szene zog bis zu 1.700 Besucher aus dem extrem rechten Hooligan-Milieu und der militanten (europäischen) Neonaziszene an.

 

Schon seit 2007 treten in Nienhagen extrem rechte Bands auf. Neonazis, die mit aggressiver Musik für ihre rassistische und nationalistische Politik werben, nutzen solche Konzerte auch als Einnahmequellen. Veranstalter suchen gezielt kleine Gemeinden für solche Events aus, da dort kaum mit Widerstand zu rechnen ist. Das zuständige Ordnungsamt Vorharz genehmigt derartige „Privatveranstaltungen“ und zieht sich auf eine mögliche Klage der Veranstalter gegen ein Verbot zurück. Das erfolgreiche Einklagen soll nun die Begründung dafür sein, warum derartige Massenevents der militanten Neonaziszene in Sachsen-Anhalts Dörfern nicht verboten werden können.

 

Unbehagen in Nienhagen

 

Im vergangenen Jahr vermittelte die Stimmung in Nienhagen beängstigenden Volksfest-charakter. Kaum jemand regte sich über die rechtsextremen Anreisenden auf und immerhin 6,5 Prozent der Nienhagener Bevölkerung hatten bei der letzten Bundestagswahl NPD gewählt. Doch dieses Mal zeigte sich neben stillem Protest auch aktiver Widerstand. LokalpolitikerInnen hatten mit einem Offenen Brief Stellung bezogen, es gab eine kritische Filmvorführung und am Pfingstsamstag war eine kleine Protestgruppe als Unterstützung aus Halberstadt und Umgebung vor Ort.

Bereits vor Wochen waren die 1200 Eintrittskarten für die »European Skinhead Party« restlos verkauft. Veranstalter Oliver Malina hatte erneut die „Alte Hopfendarre“ im Woltersweg für ein rechtes Massenevent angemietet. Die älteste deutsche Rechtsrock-Band „Endstufe“ aus Bremen, seit 30 Jahren aktiv, „Faustrecht“ (Bayern) sowie Szene-Bands aus Belgien, den USA und Italien waren angekündigt. Vom hohen weißen Gebäude am Rande der Veranstaltungswiese, der „Hopfendarre“, hing ein leuchtend rotes Transparent mit der Aufschrift „Honour & Pride Deutschland“. Rund 400 Polizeibeamte, mehr als Nienhagen EinwohnerInnen hat, kontrollierten ab Samstagnachmittag die beiden Eingangsstraßen in den Ort. Sie registrierten „kleinere“ Delikte, wie das Verwenden von NS-Symbolen, Pöbeleien gegen Journalisten und ließen das provokante Transparent entfernen. Auf der Facebook-Seite zur Veranstaltung wurde im Vorfeld darüber diskutiert, welche verfassungsfeindlichen Symbole in Sachsen-Anhalt verboten sind, um sie zu überkleben. An der politischen Ausrichtung der Interessierten besteht kein Zweifel: Offen wird die rechte Gesinnung zur Schau gestellt. Der ursprünglich aus Niedersachen stammende Veranstalter des Konzerts am 26.05.2012 in Nienhagen ist ein bekannter Organisator von Neonazikonzerten. Oliver Malina, der heute in Nienhagen lebt, soll seit 2004 maßgeblicher Initiator des Netzwerkes „Honour & Pride“ sein. Malina und dessen Helfertruppe zählen zu „Honour & Pride“, das als eine der Nachfolgeorganisationen des 2000 verbotenen „Blood& Honour“-Netzwerks angesehen wird. Zudem gilt die expandierende niedersächsische Kameradschaft als Schnittstelle zwischen rechten subkulturellen Gruppen, die sich auch am Rande zu Rotlichtmilieu und organisierter Kriminalität bewegen sollen. Bei einem von ihm organisierten Konzert in Mehringen bei Aschersleben im Oktober 2009 präsentierte sich die Sektion „Honour & Pride Sachsen-Anhalt“ mit einem Transparent auf der Bühne.

 

Zweierlei Maß

 

Ein konspirativ beworbenes „Honour & Pride“-Konzert am 31. Oktober 2009 in Mehringen bei Aschersleben wurde polizeilich untersagt und später von Polizeieinsatzkräften aufgelöst. Der gesamte Ortsteil Mehringen ist daraufhin abgesperrt worden und zahlreiche KonzertbesucherInnen mussten bereits am Ortseingangsschild wieder die Heimreise antreten. Die Verbotsverfügung aufgrund zu erwartender Straftaten im Rahmen des Konzertes und der erfolgten Gefahrenanalyse sollte durchgesetzt werden. Das Konzert befand sich in vollem Gange, als die Polizei gegen 22.15 Uhr genügend Kräfte vor Ort hatte, um einzuschreiten. Die Neonazis versperrten zunächst die Eingangstüren zum Veranstaltungsort von innen, die Polizei verschaffte sich mit schwerem Gerät Zugang. Unbeirrt von den anklopfenden Einsatzkräften vor der Tür spielte die Band noch während der Veranstaltungsort gestürmt worden ist. Kurz darauf warfen die Teilnehmer mit Flaschen und Stühlen auf Polizeibeamte. Ein Teil der anwesenden Neonazis verließ den Konzertraum durch den zweiten Zugang, der andere Teil übte sich in Widerstand gegen die einrückenden Polizeikräfte. Mehrere Polizeibeamte wurden verletzt, die Neonazis wurden aus dem Veranstaltungsraum gedrängt und deren Personalien festgestellt. Etwa 15 TeilnehmerInnen sollen in Verhinderungsgewahrsam genommen worden sein, weil davon ausgegangen wurde, dass sie aufgrund ihrer Aggressivität nach dem Einsatz noch Straftaten begehen würden, so die Erklärung des Polizeisprechers vor Ort. Fünf Einsatzbeamte wurden bei dem Eindringen in die ehemalige Reithalle verletzt und zwei mussten wegen des Einsatzes von Reizgas anschließend behandelt werden. Aus Sicht der Polizei sei der Einsatz mit etwa 120 PolizistInnen aus Sachsen-Anhalt aber recht positiv abgelaufen.

 

Rechtsextreme (Rock-)Musik als „Einstiegsdroge“

 

Der Konsum rechtsextremer Musik ermöglicht es, an rechtsextremen Inhalten teilzuhaben ohne persönlichen Kontakt zur Szene haben zu müssen oder ihr in Form einer Gruppenmitgliedschaft zugehörig zu sein. Bei diesem Prozess der „unverbindlichen Annäherung“ kommt dem Rechtsrock eine zentrale Rolle zu. Regelmäßiger Konsum menschenfeindlicher Songtexte bedient und bestärkt Vorurteile und Hass gegenüber anderen Menschengruppen. Besonders das gemeinsame Hören rechtsextremer Musik in Verbindung mit Alkoholkonsum baut Hemmschwellen (weiter) ab und brutale Übergriffe auf andere Menschen sind nicht selten die Folge. Aber auch ohne Gewaltanwendung bleibt der dauerhafte und unreflektierte Konsum gefährlich, weil sich rechtsextreme Orientierungen möglicherweise verfestigen und zur Handlungsmaxime werden. Das nächste Konzert in Nienhagen soll am 11.08.2012 stattfinden und wird bereits offensiv beworben. Die in rechtsextremen Kreisen und unter Fußballhooligans beliebte Musikgruppe „Kategorie C – Hungrige Wölfe“ muss meist konspirativ für ihre Konzerte werben und weist sonst nur vage auf die Gegend ihres Erscheinens hin. Bei dem geplanten Auftritt am 11. August dieses Jahres in Nienhagen ist das anders. Offen wird auf der Homepage der Band „Nienhagen bei Halberstadt“ als genauer Ort genannt. Die Genehmigung soll das Orndungsamt Vorharz bereits erteilt haben. Und das erneut unter dem fragwürdigen Deckmantel einer Privatveranstaltung. Der Inhaber des Veranstaltungsortes im Woltersweg zeigt gegenüber Medienvertretern keine Skrupel, an Neonazis zu vermieten. „Die sind doch gar nicht so schlimm“, relativiert der Nienhagener. Dann räumte er jedoch ein, eine Umfrage im Dorf starten zu wollen. Wenn die Mehrheit seiner Mitbewohner das braune Treiben nicht wolle, dann „mache ich das nicht mehr“.

 

Wir fordern:
Keine Nazikonzerte in Nienhagen oder Anderswo!

Wir fordern den Inhaber der „Alten Hopfendarre“ auf, keine weiteren Veranstaltungen dieser Art in Nienhagen stattfinden zu lassen. Wenn das Ordnungsamt nicht in der Lage und die Polizei nicht willens ist, auch in Nienhagen ein Zeichen gegen rechts zu setzen, dann müssen wir aktiv werden.

 

Die Gefährlichkeit solcher Events ergibt sich nicht nur aus der Militanz der rechten Szene, die sich dort in Massen zusammenfindet, sondern aus der Verkleidung solcher Veranstaltungen als „Privatversanstaltungen“. Die dort gespielte Musik bewirbt rechte Politiken, selbst dann, wenn auf das Spielen indizierter Texte verzichtet wird. Menschen-verachtung ist aber kein Kulturgut, sondern schlicht und ergreifend verzichtbar.

 

-Bündnis Magdeburg Nazifrei-

Ansehen könnt ihr den offenen Brief hier und unterstützen hier.