In den Leipziger Stadtteilen Wahren und Portitz protestieren Bürgerinnen und Bürger gegen dezentrale Unterkünfte für AsylbewerberInnen, die in ihren Vierteln entstehen sollen. Die darum entfachte Debatte wird vornehmlich in den Medien ausgetragen, rassistische Statements überwiegen dabei deutlich, als Problem gelten die AsylbewerberInnen. Nun ruft die NPD zum “Widerstand” auf – und Neonazis verbreiten auf “links” gemachte Aufkleber.
So sind in den jeweiligen Stadtteilen mittlerweile vereinzelte Schriftzüge und Aufkleber aufgetaucht, die von “der Antifa” stammen sollen. Zielgerichtet angebracht wurde das Material allerdings von Neonazis, um antirassistische Positionen zu diskreditieren und die Situation vor Ort zuzuspitzen.
In dieses Schema passen auch zahlreiche Kommentare unter Online-Beiträgen der “Leipziger Volkszeitung”. Dort behauptete ein anonymer User erst kürzlich:
“Es wurden im Umfeld Flugblätter / Aufkleber der Antfia hinterlassen mit z.B. folgenden Sätzen ‘Wir wissen wo ihr wohnt’. Um diese Aussage zu untermauern wurde auch schon ein Messer dazu gelegt.”
Der Vorfall ist nach aller Wahrscheinlichkeit frei erfunden: Ein entsprechendes linkes Flugblatt existiert offenbar nicht und das Ablegen von Messern durch Linke ist auch der Polizei nicht bekannt geworden.
“Kreativer Widerstand gegen Verausländerung”
Bekannt ist dagegen das Engagement der NPD in dieser Sache. In zwei Pressemitteilungen zur Causa Leipzig hetzt Jürgen Gansel, Pressesprecher des Landesverbandes und Mitglied der NPD-Landtagsfraktion, gegen “Asylschwindler aus fremden Kulturkreisen”, “hergelaufene Asylanten” und “Asylschnorrer”. Man begrüße “ausdrücklich die Anwohnerproteste in Portitz und Wahren” und rufe “zu kreativem Widerstand gegen die Verausländerung beschaulicher Ortsteile auf”.
Das erklärte Ziel der NPD: “Außerhalb der Sammelunterkunft in der Torgauer Straße muß Leipzig asylantenfrei bleiben.” In der jüngsten Mitteilung der Partei wird zudem mit einer “massiven Öffentlichkeitskampagne des NPD-Kreisverbandes Leipzig und des Landesverbandes Sachsen” gedroht.
Offenbar bemüht sich die NPD vorerst um Aufmerksamkeit mittels weit bescheidenerer Mittel. Das Vorgaukeln linker und antifaschistischer Aktivitäten für eigene Propagandazwecke ist auch nicht neu. So wurden in den Jahren 2007 und 2009 mehrere Fälle dokumentiert, in denen Leipziger Neonazis in verschiedenen Stadtteilen Aufkleber angebracht haben, die durch die Wahl von Logos, Parolen und die Nennung von Kontaktdaten eine “linke” Urheberschaft suggerieren sollten – teils versehen mit absichtlichen Rechtschreibfehlern oder menschenverachtenden Gewaltaufrufen.
Lügen aus Prinzip
Von NPD-Funktionären wird dieses Vorgehen ausdrücklich empfohlen, so auch im von GAMMA enttarnten Geheim-Forum des militanten “Freien Netzes”. Dort vermerkte Maik Scheffler, einst Anführer des “Freien Netzes” und aktuell stellvertretender NPD-Landeschef und “Landesorganisationsleiter”:
“Der Bürger darf lediglich von den Aufzügen der Afas [AntifaschistInnen] mitbekommen, unsere Leute sollen jedesmal im Vor- und Nachfeld dort selbstgemachte Afa-Aufkleber verbreiten, am besten auf die Autos der Bürger und die Scheiben der Geschäfte. So wendet sich der Zorn gegen die Afa.”
Zudem forderte Scheffler seine Gefolgsleute dazu auf, Fassaden mit “linken” Parolen zu beschmieren und in falschem Namen auf direkte Konfrontation zu gehen: “Nen paar Leute, verkleidet als Punks, die die Bürger ein bisserl anpöpeln, geben der Afa dann den Rest.” Probleme mit der eigenen Glaubwürdigkeit sieht Scheffler nicht, denn “hierbei sollte die erfolgreiche Kampftaktik der Moral überwiegen”. (Quelle)
Mit besonderen Widerständen muss eine solche “Kampftaktik” ausgemachter Rassisten unter den Bedingungen einer ohnehin rassistischen “Debatte” natürlich nicht rechnen. So ist folglich auch keine Distanzierung aus Wahren oder Portitz gegenüber den Andockversuchen der NPD bekannt.
Weitere Informationen zum Thema:
Über Fake-Erfolge der NPD und ihren Hang zu Selbstüberschätzung und Unwahrheit in Leipzig und Umgebung berichtete GAMMA u.a. hier und hier.