Es gibt kein ruhiges Hinterland!
Gemeinsam und solidarisch gegen Nazis und ihre Strukturen!
Mit
der Aufdeckung der rechten Terrorzelle „Nationalsozialistischer
Untergrund“ (NSU) im November 2011 ist das Thema faschistische Gewalt
wieder verstärkt in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt.
Dass
der selbsternannte „NSU“ nicht nur für den Tod von neun Migranten,
sondern auch für die Ermordung der Polizistin Michèlle Kiesewetter auf
der Heilbronner Theresienwiese verantwortlich ist, hat gerade bei uns in
der Region für Aufsehen gesorgt.
Vor allem für viele migrantische
Bürgerinnen und Bürger waren damit auch Gefühle von Angst, Wut und
Ohnmacht verbunden. Insbesondere nachdem bekannt wurde, dass die Nazis
des „NSU“ jahrelang unbehelligt im Untergrund leben konnten und dabei
anscheinend ein breites Unterstützernetzwerk zur Verfügung hatten.
Verfassungsschutz und Polizei scheinen nicht nur völlig versagt zu
haben, sondern zumindest zeitweise sogar über die Terrorzelle informiert
und trotzdem untätig gewesen zu sein.
Agieren statt reagieren!
Wir
halten es vor diesem Hintergrund unbedingt für notwendig, selbst gegen
die Nazis aktiv zu werden. Wie wichtig ein solches Engagement auch in
der Region Heilbronn ist, hat sich im letzten Jahr am 1.Mai 2011
gezeigt, als 800 Nazis aus ganz Süddeutschland in Heilbronn
aufmarschierten.
Es war ein gutes Zeichen, dass mehrere Tausend
Menschen sich an den vielfältigen Protestaktionen dagegen beteiligten
und dass der Naziaufmarsch nur mit einem massiven Polizeieinsatz gegen
antifaschistische BlockiererInnen durchgesetzt werden konnte.
Es
reicht jedoch nicht aus, nur auf die Aktionen der Nazis zu reagieren.
Denn öffentliche Auftritte und Aufmärsche von Faschisten sind nur ein
Teil des Problems. Die meisten rechten Aktivitäten finden fernab jeder
Öffentlichkeit statt. Dazu gehören interne Treffen und
„Kameradschaftsabende“, konspirativ vorbereitete Konzerte und Feste und
ganz alltäglich auch die Präsenz von Nazis in ländlichen Regionen. Und
nicht zuletzt bilden sich auch die militanten Netzwerke der Faschisten
im Verborgenen aus.
Keinen Meter den Nazis- weder in Hohenlohe...
Oftmals
sind es gerade kleine Ortschaften und Städte, in denen die Nazis sich
besonders wohl fühlen. So ist es auch bei uns in der Region Heilbronn.
Hier ist vor allem der Kreis Hohenlohe ein Schwerpunkt faschistischer Aktivitäten.
Mit 1,8 % holte die NPD im Wahlkreis Hohenlohe bei den Landtagswahlen 2011 das beste Ergebnis von ganz Baden- Württemberg ein.
Veranstaltungen
des NPD- Kreisverbandes Heilbronn finden des Öfteren in Hohenlohe
statt., z.B. eine Rednerveranstaltung mit dem stellvertretenden NPD-
Landesvorsitzenden Sascha Roßmüller am 28.Mai 2011 in Ernsbach bei
Forchtenberg.
Ebenso fanden im Hohenlohekreis das NPD-
„Heldengedenken“ am 20.November 2011 und die „Wintersonnwendfeier“ am
17.Dezember 2011 statt. Auch die NPD- Jugendorganisation „Junge
Nationaldemokraten“ (JN) wählt regelmäßig Städte im Kreis Hohenlohe für
ihre Aktionen aus.
So verteilten am 1.April 2012 JN- Aktivisten in
Künzelsau Flugblätter gegen den Umbau des dortigen Flüchtlingsheimes und
am 21.April 2012 führten die JN in Öhringen einen Infostand im Rahmen
eines bundesweiten Aktionstages durch.
Neben diesen organisierten
Nazi- Aktivitäten gibt es in vielen Städten im Hohenlohekreis eine hohe
Präsenz von Nazis im Alltag. Auf Dorffesten werden MigrantInnen und
politisch Andersdenkende bedroht und angepöbelt und Aufkleber und
Schmierereien von Nazis gehören vielerorts zum Stadtbild. Zum Teil sind
dafür subkulturelle Nazi- „Skinheads“ bzw. rechtsoffene „Skinheads“
verantwortlich, die hier nahezu ungestört bleiben.
Dass die rechte
Szene in der Region Hohenlohe eine lange Tradition hat, zeigt sich auch
daran, dass die Nazi- Rechtsanwältin Nicole Schneiders (geb.Schäfer) aus
Öhringen stammt und dort auch Ende der 90er Jahre politisch aktiv war.
Bundesweit bekannt wurde Schneiders als Anwältin des mutmaßlichen
„NSU“- Unterstützers Ralf Wohlleben.
Obwohl sie mittlerweile eine
Kanzlei in Karlsruhe betreibt, hält Schneiders auch bis heute Kontakt
zur Heilbronner Szene, z.B. zum Heilbronner Steuerberater Michael
Dangel, der eine Zeit lang Chef des „Nationalen Bündnis Heilbronn“ war.
...noch im Zabergäu
Eine weitere Region, in der Nazis seit Jahren ungestört agieren, ist das Zabergäu und dort vor allem die Stadt Brackenheim.
In
Brackenheim wohnt Siegfried Gärttner, einer der langjährigsten Kader
des Heilbronner NPD- Kreisverbandes. Er ist seit 1966 in der NPD und hat
für die Partei bereits zahlreiche Veranstaltungen organisiert. Darunter
waren auch Vorträge mit einem mehr als eindeutig
nationalsozialistischen Bezug, z.B. am 27.März 2010 mit dem ehemaligen
Angehörigen der Waffen SS Wilhelm Langsam.
Gärttner schreibt
außerdem regelmäßig Beiträge für die Homepage der NPD Heilbronn und
kandidiert seit Jahren für die NPD bei diversen Wahlen, zuletzt bei der
Landtagswahl im März 2011 für den Wahlkreis Eppingen.
Er ist eine
wichtige Kontaktperson für die gesamte regionale Naziszene, was sich
z.B. auch dadurch zeigte, dass er den Holocaustleugner Dirk Zimmermann
bei seinem Berufungsprozess vor dem Heilbronner Landgericht am 7.Oktober
2010 begleitete.
Skandalös ist, dass Gärttner trotz seiner
politischen Aktivitäten in Brackenheim eine etablierte Persönlichkeit zu
sein scheint und über 30 Jahre lang als Jugendfußballtrainer tätig war.
Es
verwundert deshalb nicht, dass sich im Zabergäu auch eine Nazisubkultur
etablieren konnte, die eher totgeschwiegen als bekämpft wird.
Teile
dieser Naziszene sind eng mit der „Blood and Honour“-
Nachfolgeorganisation „Furchtlos und Treu“ (F&T) verbunden. Diese
militante Nazikameradschaft ist in den letzten Jahren zwar kaum
öffentlich aufgetreten, organisierte aber jahrelang u.a. eigene
Fußballturniere in Brackenheim- Haberschlacht.
...oder im Kraichgau!
Die
Spur von „Furchtlos und Treu“ führt auch nach Sinsheim. Dort betreibt
das F&T- Mitglied Michael Schill gleich zwei Versände: den seit 1997
existierenden „Asgard“- Versand, der Musik, Bücher und Kleidung für
die Naziszene anbietet und den Militaria- Versand „Der Panzerbär“.
Schill
selbst ist seit Ende der 1980er Jahre politisch aktiv und war Mitglied
verschiedener faschistischer Organisationen und auch sogenannter
„Wehrsportgruppen“ im Kraichgau.
Seit 2010 kommt es in Sinsheim außerdem immer wieder zu öffentlichen Aktionen der Nazis.
Nach
eher kleineren Aufmärschen 2010 und 2011 fand am 10.März 2012 erstmals
eine größere Kundgebung der Nazis mit ca. 120 Teilnehmern in Sinsheim
statt. Dort trat u.a. der Bundesvorsitzende der NPD, Holger Apfel, auf.
Verantwortlich
für diese Aufmärsche ist in erster Linie eine Gruppe, die sich „Freie
Nationalisten Kraichgau“ nennt und im Stil der „Autonomen Nationalisten“
auftritt.
Mitglieder dieser Gruppe waren auch maßgeblich an einer
Aktion im nicht weit entfernten Eppingen am 19. Juli 2011 beteiligt.
Dort versuchten 15- 20 Nazis, eine antifaschistische Gedenkkundgebung
anlässlich des 15. Todestages von Werner Weickum zu stören. Weickum war
im Jahr 1996 von einer Nazi- Clique am Eppinger Bahnhof zu Tode
geprügelt worden.
Im Kraichgau gibt es also mehr als genug Gründe für Nazigegnerinnen und Nazigegner, aktiv zu werden.
Raus auf die Straße!
Der
Widerstand gegen die Nazis und ihre menschenfeindliche Ideologie kann
nur erfolgreich sein, wenn wir gemeinsam und konsequent handeln.
Faschistische Strukturen und Netzwerke dürfen nicht geduldet oder
verschwiegen werden, sondern wir müssen über sie aufklären und ihnen
entgegenwirken. Und zwar schon bevor es zu Terrorgruppen wie dem „NSU“
und seinen brutalen mörderischen Taten kommt.
Wichtig ist es dabei,
auch dort hinzugehen wo den Nazis im Alltag bisher nur wenig Widerstand
entgegengesetzt wird – sei es aufgrund mangelnder Aufklärung oder weil
es an politischem Wille oder Kapazitäten fehlt.
Wir rufen deshalb zu
einer Kundgebungstour am 30.Juni 2012 auf und wollen gemeinsam in vier
verschiedenen Städten in der Region gegen die Nazis auf die Straße
gehen. Unser Ziel ist es, klar zu machen, dass es kein ruhiges
Hinterland für rechte Hetzer gibt. Wir wollen uns mit denjenigen
solidarisch zeigen, die im Alltag Probleme mit Nazis haben, und allen
Mut machen, sich dagegen zu wehren und für eine bunte Gesellschaft
einzustehen.
Kommt zu den Kundgebungen!
Im Dorf, in der Stadt, überall – Kein Fußbreit den Faschisten!
- Brackenheim 10.00 Uhr
- Eppingen 11.30 Uhr
- Sinsheim 13.00 Uhr
- Öhringen 15.00 Uhr
Weitere Infos und die genauen Kundgebungsorte folgen!
Heilbronn stellt sich quer- Aktionsbündnis gegen Rassismus und Faschismus
Antifaschistische Aktion Heilbronn
Bündnis 90/ Die Grünen Heilbronn
Die Linke Heilbronn
Grüne Jugend Heilbronn
Jusos Heilbronn
Linksjugend [solid] Heilbronn
Ver.di Jugend Heilbronn-Neckar-Franken