Basel: 12.4. Umzug "Aufwertung für wen? Für eine Stadt, die von uns entwickelt wird!"

Aufwertung - für wen?

Am Samstag Nachmittag haben rund 120 Personen gegen die Aufwertungspolitik der Stadt Basel demonstriert. Kurz nach 16 Uhr versammelten sich die Leute am Vogesenplatz im St. Johann, einem Ort, der symbolisch dafür steht, wie Regierung, InvestorInnen, StadtplanerInnen und ArchitektInnen sich die Basler Wohnquartiere der Zukuunft vorstellen: Sterile, leicht überwachbare Plätze, Neubauten für Wohlhabende, wo vorher günstiger Wohnraum war, kombiniert mit zentralisiertem Einkaufsparadies.


Vom Vogesenplatz aus lief der Umzug über den Voltaplatz zur Schifflände über die Mittlere Brücke und danach durchs untere Kleinbasel, bevor er um ca. 19 Uhr auf der Dreirosenmatte aufgelöst wurde. Redebeiträge und Flyer (siehe Anhang), die an die neugierigen PassantInnen verteilt wurden, erklärten die Kritk und die Anliegen der Demonstrierenden. Viele PassantInnen zeigten Sympathie für die Anliegen des Umzugs.

Organisiert wurde der Umzug von kritischen BewohnerInnen Basels, die sich zusammen gefunden haben, weil sie die Aufwertung der Wohnquartiere nicht mehr länger widerstandslos hinnehmen wollen. Denn diese sogenannte Aufwertung führt unter den heutigen Bedingungen zwangsläufig zu einer Verteuerung des bestehenden Wohnraums und damit zur Verdrängung der ökonomisch Schwächeren.

Der nächste Umzug gegen die neoliberale Stadtentwicklung findet am 12. Mai um 16 Uhr statt, er beginnt am Wiesenplatz in Kleinhüningen.


Im Folgenden der verteilte Flyer:



Aufwertung für wen?

Warum treffen wir uns heute auf der Strasse? Wie viele wahrscheinlich bereits mitbekommen haben, passiert in den ehemals “verwahrlosten” Quartieren Basels so einiges – allen voran im St. Johann und im Kleinbasel zwischen Matthäusquartier und Kleinhüningen, aber auch auf dem Dreispitz. Häuser werden vollumfassend saniert, Wände werden von Graffiti und anderen „Schmierereien“ befreit, Plätze werden neu gestaltet, neue Einkaufszentren entstehen, junge, kreative DesignerInnenläden sind plötzlich präsent.

Und all das wird einem als positive Veränderung, hin zu einer weltoffenen, toleranten und innovativen Stadt, verkauft. Ein Hoch auf den Fortschritt! Kommt her ihr Investoren und Investorinnen, gebt Basel euer Geld, baut Häuser, baut Büros, baut Plätze, baut Spielplätze, nehmt Teil an der Realisierung einer grossen Vision. Der Vision einer völlig verwalteten, kontrollierten und deshalb tristen Stadt: Willkommen in Basel!

Gerne ausgeblendet werden allerdings die Konsequenzen, die vor allem für Leute mit geringen Einkommen (wie Menschen in Ausbildung oder MigrantInnen) mitunter schwerwiegend sein können: Steigende Mieten infolge von Renovationen und Neubauten führen zu Verdrängung an die Ränder der Stadt, die totale Verwaltung aller Räume zum Entzug eigener Initiative, die bis ins letzte Detail durchgeplante Architektur zum Verlust von Spontaneität, Wildwuchs und Unberechenbarkeit.

Während die Auseinandersetzung um diese Themen oftmals auf die simple Formel „Die Jugend braucht (mehr) Freiräume!“ reduziert wird, soll an dieser Stelle noch einmal mit allem Nachdruck gesagt werden, dass Freiräume nur dann interessant sind, wenn sie eine längerfristige Perspektive bieten, wenn sie einem ermöglichen, etwas aufzubauen, einen Anker zu werfen, der nicht so schnell eingeholt werden kann – weder von der Regierung noch von privaten Interessen.

Aber genug dazu.

Wir wehren uns gegen eine von oben bestimmte Ver- und Einteilung von Räumen, egal wem sie gehören. Ist es legitim, dass jemand, die nichts hat, aus ihrer Wohnung verdrängt wird – schlicht, weil die Wohnung nicht ihr, sondern der Stadt, der Novartis oder anderen Unternehmen gehört. Schlicht, weil diese das Potenziel wittern, aus der Wohnung mehr Profit zu schlagen? So wie die Stadt von einigen wenigen entwickelt wird, begünstigt sie jene, welche bereits einen privilegierten Status in Form hoher Einkommen oder zugesprochener Eigentumsrechte geniessen. Das zeigt sich beispielsweise am Novartis Campus, diesem Monster von Entwicklung und Forschung, das nach und nach Teile der Öffentlichkeit vereinnahmt, eine Stadt in der Stadt baut, den ehemaligen Hafen St. Johann in einen Privatpark für die Mitarbeitenden umwandelt und eine Promenade rund um die Voltamatte erhält, um ihren Organismen auch ausserhalb ihrer Gebäudekomplexe eine für sie lebensfreundliche Atmosphäre zu bieten. Andere Beispiele wären die angestrebte Hafenentwicklung im Klybeck oder das neue Erlenmatt-Quartier.

Das alles ist nicht auf eine falsche Politik oder die Versäumnisse der Regierung zurückzuführen, sondern auf eine generelle Logik, die sich in vielen Bereichen europäischer Gesellschaften zeigt: Ein unsichtbarer Zwang, der dazu führt, dass Städte, aber auch Menschen und Dinge im Allgemeinen effektiv, originell, organisiert, produktiv, effizient und attraktiv sein müssen. Wer sich dem verweigert, fällt durch das Netz sozialer Akzeptanz.

Stadtentwicklung muss nicht zwangsläufig von einer Verwaltung, sei sie privat oder staatlich, ausgehen. Vielmehr sollte die Gestaltung der eigenen Umgebung von den Anwohnerinnen und Anwohnern ausgehen, die direkt betroffen sind. Warum nicht mehr Skepsis und Abneigung gegenüber denjenigen, die uns regieren und uns mit kosmetischen Partizipationsprogrammen ruhigzustellen versuchen. Hinterfragen wir die Normalität, die uns vorgesetzt wird, anstatt sie gedankenlos zu übernehmen. Das gilt nicht nur für den (städtischen) Raum, sonst für alle Bereiche, in denen eine übergeordnete Instanz Entscheide für andere trifft.

Der nächste Umzug findet am 12. Mai um 16 Uhr statt. Treffpunkt ist der Wiesenplatz in Kleinhüningen.