[S] Prozesserklärung der angeklagten AntimilitaristInnen im Ketchup-Prozess

Antimilitaristische Aktion bei einem Bundeswehr MessestandFoto: IndyMedia

Am heutigen Donnerstag fand am Stuttgarter Amtsgericht der Prozess gegen zwei AntimilitaristInnen statt, die wegen der Beschmutzung eines Teppichs und einer Uniform während eines Bundeswehrstands an der Didacta-Bildungsmesse am 24. Februar 2011 angeklagt waren. Hier eine kurze Einschätzung und die Erklärung der Angeklagten.

 

Während einer kreativen Protestaktion, bei der sich AntimilitaristInnen mit Ketchup als Kunstblut bewarfen und sich unter dem Lärm von Gewehrschüssen und Angstschreien vor dem Stand auf den Boden fielen ließen, wurden die Bundeswehrutensilien in leichte Mitleidenschaft gezogen.

 

Im Prozess machten die beiden Angeklagten mit der Verlesung einer politischen Erklärung deutlich, dass Sie eine Verurteilung für den legitimen Protest gegen die kriegstreibende Bundeswehr ablehnen und derartige Aktionsformen auch weiterhin für notwendig erachten. Zahlreiche solidarische ProzessbeobachterInnen begrüßten die Stellungsnahme mit Applaus.

 

Dieser Prozess hat uns gezeigt was breite antimilitaristische Solidarität heißt. Schon im Vorhinein wurde ein Interview mit einer Angeklagten in der Tageszeitungen JungeWelt veröffentlicht (http://www.jungewelt.de/2012/04-14/053.php), ein Solidaritätsschreiben kam von der Kampagne „Schulfrei für die Bundeswehr“ aus Freiburg und VertreterInnen verschiedener politischer Spektren besuchten den Prozess.

Auch heute hat sich gezeigt: Der Kampf gegen Krieg und Militarisierung ist hochaktuell und gewinnt an Dynamik. Die zunehmenden und vielfältigen antimilitaristischen Protestaktionen sind ebenso wie der solidarische Zusammenhalt gegen Repression und Kriminalisierung Schritte in die richtige Richtung.

 

 

 

Eine weitere Schilderung und Enschätzung zum Prozess findet sich hier:


https://linksunten.indymedia.org/de/node/58622

http://www.trueten.de/
archives/7729-Solange-Sie-sich-an-die-Spielregeln-halten....html

 

 

 

Hier die Erklärung der Angeklagten:

 

Wir, Jan Laibling und Anna Sander befinden uns heute hier weil wir an einer Protestaktion gegen die Bundeswehr auf der Didacta-Bildungsmesse am 24. Februar 2011 beteiligt waren. Auf dieser Messe haben wir mit einer symbolischen und kreativen Aktion dargestellt wofür die Bundeswehr eigentlich steht: für den Krieg!

Den mörderischen Kriegsalltag haben wir dargestellt, indem wir unter dem Lärm von Gewehrschüssen auf den Boden vor dem Bundeswehrstand fielen. Ketchup sollte dabei das Blut und die Brutalität des Krieges, zum Beispiel des aktuellen Afghanistaneinsatzes verbildlichen.

Mit einer Rede erläuterten wir den Anwesenden, dass wir es nicht für richtig halten und nicht akzeptieren wollen, dass die Bundeswehr auf Bildungsmessen, an Schulen, in Jobcentern, im Fernsehen und sonstwo offen Werbung für ihre Kriegsmaschinerie macht.

 

Mit Lügen über ihre angeblich humanitären Ziele versucht die Bundeswehr aktuell für ihre globalen Kriegseinsätze Rückhalt in der Gesellschaft zu bekommen. Dass die eigentlichen Ziele hinter dieser Fassade die Sicherung der wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen der Herrschenden in diesem Land sind, wird natürlich nicht erwähnt.

 

Ein weiteres Ziel der Bundeswehr auf ihren Werbetouren ist es, neue Rekruten zu gewinnen. Sie braucht motivierten Nachwuchs, der die menschenverachtenden Einsätze durchführen soll. Junge Menschen sollen dafür mit angeblichen Karrierechancen geködert werden - dass dieser wortwörtlich „todsichere Job“ auf dem Töten und Getötet-Werden von Anderen baut, wird in der Bundeswehr-Propaganda natürlich ebenso ausgeklammert.

 

Für uns gehören die Bundeswehrbefehlshaber, die für Hunderte von Toten der Welt verantwortlich sind auf die Anklagebank – nicht diejenigen, die sich dagegen engagieren!

Bundeswehroberst Klein war am 4. September 2009 in Kundus für den Tot von 104 Menschen verantwortlich. Das Verfahren gegen ihn wegen Mordes wurde aber von deutschen Gerichten zurückgewiesen und der Versuch eines Disziplinarverfahrens gegen ihn wurde wieder eingestellt!

Wir als Antimilitaristeninnen hingegen müssen uns wegen einer harmlosen Anti-Kriegsaktion hier von der Staatsanwaltschaft vor Gericht zerren lassen!

 

Selbst das Amtsgericht hat den ersten Anklageversuch der Staatsanwaltschaft wegen der Geringfügigkeit des Tatvorwurfes wieder einstellt.

Doch wie von der Staatsanwaltschaft Stuttgart kaum anders zu erwarten war, hat sie weiterhin auf das Verfahren gegen uns gedrängt. Sie leitete die Anklage trotz der ersten Einstellung weiter zum Landgericht. Das Landgericht hat den Beschluss des Amtsgerichts dann wieder aufgehoben und den heutigen Prozess veranlasst.

An dieser Stelle möchte ich daran erinnern, dass die Anklage uns nichts weiteres als abwaschbare Verschmutzungen an einem Teppich und einer Uniform vorwirft.

 

Der Stuttgarter Staatsanwaltschaft scheint aber keine linke Protestaktion zu geringfügig zur großangelegten Verfolgung zu sein. Ständig wird mit Dringlichkeit versucht, jede linke politische Handlung im Keim zu ersticken und richterlich zu verfolgen.

So wie wir es schon kennen, zum Beispiel bei den hunderten Verfahren gegen S-21 GegnerInnen und den Haftstrafen gegen die Antifaschisten Chris und Smily.

 

 

Ganz egal wie der heutige Prozess auch ausgeht: Wir lassen uns durch die Staatsanwaltschaft, durch das Gericht und die Bundeswehr nicht daran hindern, die Ungerechtigkeit und die Unterdrückung dieses Systems anzuprangern. Die zunehmende Militarisierung der Gesellschaft ist ein Problem, gegen das wir uns alle wehren müssen

 

Antimilitarismus ist und bleibt legitim!

Auf die Anklagebank gehören die Kriegstreiber der Bundeswehr!

Freispruch für uns!