Tod eines Fussballfans in Bilbo/Euskal Herria

Beerdigung von Iñigo Cabacas

Mit 60.000 anderen hatte Iñigo das Weiterkommen seines Clubs im Europapokal gefeiert, in Stadionnähe war er in eine Polizeiattacke geraten, eine Gummikugel hatte ihm aus kurzer Entfernung den Schädel zertrümmert. Drei Tage Koma, Tod.

 

Iñigo Cabacas ist der zweite baskische Fussballfan, den seine Leidenschaft das Leben kostet. 1998 wurde Aitor Zabaleta aus Donostia nach einem Spiel seines Teams in Madrid von einer Gruppe von 15 organisierten Neonazis erstochen. Im Baskenland, wo Fussball-Fans nicht gerade für Gewalttätigkeit bekannt sind, erledigt das die Polizei. Die kleinste vermeintliche Provokation führt zu brutalsten Attacken, bei denen alle Mittel zum Einsatz kommen, legal und ilegal (Gas, Teleskopschlagstöcke). Die baskische Linke kann davon Lieder singen. Iñigo war kein Linker. Der Zufall wollte es, dass er sich am Spielabend vor einer linken Kneipe befand, an deren Publikum die baskische Polizei sich in der Vergangenheit mehr als einmal abreagiert hat. Zur falschen Zeit am falschen Ort. In eine 50m tiefe und 20m breite Sackgasse zu schießen, die kein Entkommen zulässt, zeigt eine Haltung, die mit schweren Waffen vorsätzlich Opfer sucht. Dass nur einer getötet wurde, beschreibt eine Nachbarin mit Balkonblick ihre Beobachtungen, sei ein Wunder, so wie die Polizei vorging, hätten es auch 20 sein können. Bereits im Stadion kam es zu einem Übergriff der Ertzaintza. Eine Provokation genügte, in den Schalke-Block hineinzuprügeln, darunter Kinder und Familien. Erschrocken über solche Unverhältnismäßigkeit, verließen einige aus Angst das Stadion.


Iñigo ist nicht der erste Tote durch Gummigeschosse. Daneben eine Serie von schweren Verletzungen, Augenverluste, Hirnquetschungen, Lungenrisse. Die Kugeln fliegen 200m pro Sekunde schnell, das sind 720 kmh – unmöglich sie kommen zu sehen. Die offizielle Polizeianweisung lautet, nicht aus der Nähe und nur auf die untere Körperhälfte zu schießen. Doch die Mehrzahl der Verletzungen sind vom Rücken aufwärts, sie haben bereits zu sechsstelligen Entschädigungszahlungen geführt. Denn der Einsatz dieser Mordinstrumente ist nicht nur lebensgefährlich, sondern auch geächtet. In einer Reihe von EU-Ländern sind sie verboten, der baskischen Regierung wurde deshalb im vergangenen Jahr eine Rüge erteilt. Um derart schlechte Reputation schert sich der Innenminister einen Dreck. Für Scharfmacher Rodolfo Ares, im Volksmund in Anlehnung an den deutschen Nazi Rudolf Hess genannt, ist Iñigo “möglichweise einer polizeilichen Nachlässigkeit” zum Opfer gefallen, er ist eben der Kollateralschaden im Kampf gegen alles, was sich seinem Totalitarismus entzieht oder entgegen stellt. Doch hat dieser baskische Noske ein Problem: seine im “Antiterrorkampf” hochgerüstete Truppe hat nach der Absage von ETA plötzlich keinen Gegner mehr. Kein Gegner – keine Legitimation. Bereits tausende als Bodyguards eingesetzte private Sicherheitsleute sind im ganzen Staat entlassen worden, die blauen Schläger der Ertzaintza übernehmen Jobs der weit weniger berüchtigten Stadtpolizei. So wird die ohnehin schon geschundene baskische Zivilgesellschaft weiter militarisiert. Im SA-Stil machen sie gezielt Jagd auf Ausländer, Hausbesetzer/innen oder Fotoreporter. Dazu passt die Nachricht aus Madrid, man wolle das Strafgesetzbuch ändern: nach den Basken sind nun die Antikapitalisten, die Verarmten, die Besetzer, die sozialen Bewegungen dran. Sie geben die neue Legitimation ab.


Vielleicht hat Iñigo über diese Hintergründe nicht viel nachgedacht und nicht im Traum damit gerechnet, einmal Opfer dieser SA-Methoden zu werden. Seine Freunde und Angehörigen werden alles tun, die Verantwortlichen des Polizei-Überfalls aufzudecken. Die Sozialen Bewegungen zusammen mit der baskischen Linken fordern das Verbot der Waffen, den Rücktritt des politisch Verantwortlichen sowie eine Entmilitarisierung der Gesellschaft. IÑIGO GOGOAN ZAITUGU.