Zehn Wochen: Das Konzentrationslager Wöbbelin

KZWoebbelin

Das Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Wöb­be­lin, das nur we­ni­ge Ki­lo­me­ter von Lud­wigs­lust ent­fernt liegt, be­stand vom 12. Fe­bru­ar bis zum 2. Mai 1945, also ge­ra­de ein­mal zehn Wo­chen. Den­noch soll­te auch hier zum Kriegs­en­de hin noch ein­mal die volle Grau­sam­keit des NS-​Re­gime deut­lich wer­den.

 

Ende 1944 wurde mit den Pla­nun­gen des Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Wöb­be­lin be­gon­nen. Das ca. 30km süd­lich von Schwe­rin lie­gen­de Arial soll­te al­ler­dings nie fer­tig ge­stellt wer­den und kam des­halb über das bau­li­che End­sta­ti­on nicht hin­aus. Am 15. Fe­bru­ar 1945 wurde ein ers­ter Trans­port von etwa 700 Häft­lin­gen aus dem KZ Neu­eng­am­me im Lager „Rei­her­horst“ – so der Name eines klei­ne­ren Kon­zen­tra­ti­ons­la­gers, keine 500 Meter vom Haupt­la­ger ent­fernt – un­ter­ge­bracht. Das Ge­biet bei Wöb­be­lin war ur­sprüng­lich für bri­ti­sche und US-​ame­ri­ka­ni­sche Kriegs­ge­fan­ge­ne kon­zi­piert, je­doch gab es keine Ver­wen­dung mehr für solch ein Lager.

 

Das Wach­per­so­nal wurde durch die SS ge­stellt und setz­te sich haupt­säch­lich aus den Mann­schaf­ten des ehe­ma­li­gen KZ Stutt­hof zu­sam­men. Der La­ger­kom­man­dant, Ober­sturm­bann­füh­rer Paul Wer­ner Hoppe, hatte auch schon in Stutt­hof als Kom­man­dant „ge­ar­bei­tet“. Die ers­ten Häft­lin­ge soll­ten das Lager ei­gent­lich fer­tig stel­len, doch über das Roh­sta­di­um kamen die Ba­ra­cken nicht hin­aus. So gab es denn im Au­ßen­la­ger Wöb­be­lin auch keine Bet­ten. Die Men­schen muss­ten auf dem blan­ken Zie­gel­bo­den schla­fen. Auch gab es kei­ner­lei sa­ni­tä­ren An­la­gen, wie sie zu­min­dest zum Schein selbst in an­de­ren Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern üb­lich waren. Die Ar­beits­be­din­gun­gen waren mehr als grau­sam. Nach of­fi­zi­el­ler In­be­trieb­nah­me des La­gers dien­te es zu­nächst als Zwi­schen­la­ger für Häft­lin­ge, die aus an­de­ren Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern kamen und die To­des­mär­sche über­leb­ten. Selbst aus dem Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Ausch­witz, indem im Laufe des Krie­ges ins­ge­samt über 1,2 Mil­lio­nen Men­schen er­mor­det wur­den, kamen hier Häft­lin­ge an. Ins­ge­samt waren in Wöb­be­lin Men­schen aus 16 ver­schie­de­nen Na­tio­nen ge­fan­gen ge­hal­ten. Die SS stell­te die Ver­sor­gung des La­gers für die Häft­lin­ge schon nach kur­zer Zeit kom­plett ein. Es star­ben mehr Men­schen an Ent­kräf­tung und an Un­ter­ernäh­rung, als an den Schlä­gen, Trit­ten und Fol­te­run­gen durch die Wach­mann­schaf­ten. Das Elend war so groß, dass es zu Kan­ni­ba­lis­mus unter den Ge­fan­ge­nen kam.

 

Nach nur we­ni­gen Wo­chen wurde das Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger von dem Kom­man­dan­ten auch schon wie­der auf­ge­ge­ben. Ende April wur­den Vor­be­rei­tun­gen für eine „Eva­ku­ie­rung“, also einen To­des­mar­sches in an­de­re Lager, ge­trof­fen. Am ers­ten Mai, nur we­ni­ge Tage vor der ge­samt­deut­schen Ka­pi­tu­la­ti­on, wur­den alle trans­port­fä­hi­gen Häft­lin­ge in einen Gü­ter­zug wie Vieh ver­la­den. Die SS-​Wa­chen durch­such­ten das Lager und er­schos­sen alle, die sich ver­steckt hiel­ten.

 

Die in die Züge ein­ge­pferch­ten Men­schen muss­ten dort fast 24 Stun­den aus­har­ren, bis sei schließ­lich wie­der ins Lager zu­rück­ge­trie­ben wur­den. Warum der Zug nicht los­fuhr, ist bis heute nicht be­kannt. Doch das Grau­en war für die Häft­lin­ge nicht vor­bei. Die Wach­mann­schaf­ten stell­ten eine Marsch­ko­lon­ne in Rich­tung Schwe­rin zu­sam­men. Etwa 3.​500 Men­schen blie­ben im Lager ent­kräf­tet zu­rück. Sie waren so schwach, dass die KZ-​Wa­chen ihnen oh­ne­hin keine Über­le­bens­chan­ce gaben. Doch als US-​Trup­pen immer näher an das Lager her­an­rück­ten, flo­hen die letz­ten ver­blie­be­nen SS-​Scher­gen und lie­ßen die Häft­lin­ge zu­rück, je­doch nicht ohne ei­ni­ge Hilfs­kräf­te, so­ge­nann­te Kapos, mit Waf­fen aus­zu­stat­ten, damit diese die Häft­lin­ge wei­ter unter Kon­trol­le hiel­ten. Wäh­rend der Mit­tags­zeit des 2. Mai 1945 wurde das Au­ßen­la­ger Wöb­be­lin end­lich von Sol­da­ten der 82. US-​Luft­lan­de­di­vi­si­on der US-​Ar­my be­freit. Bis zu die­sem Zeit­punkt hat­ten im Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger über 1000 Men­schen ihr Leben ver­lo­ren. Etwa 5.​000 Men­schen wur­den in den we­ni­gen Wo­chen des Be­ste­hens dort­hin ver­schleppt.

 

Der Di­vi­si­ons­kom­man­dant James M. Gavin ord­ne­te nach dem Er­rei­chen des La­gers an, dass die Be­völ­ke­rung der Um­ge­bung die Mas­sen­grä­ber der hun­der­ten er­mor­de­ten Men­schen aus­he­ben und die Lei­chen ein­zeln be­stat­ten sol­len. An den Be­er­di­gun­gen muss­te aus jeder Fa­mi­lie min­des­tens eine Per­son teil­neh­men. Nie­mand soll­te die Gräu­eln, dass die selbst­er­nann­ten Her­ren­men­schen an­ge­rich­tet hat­ten, spä­ter leug­nen kön­nen. Sogar nach der Be­frei­ung star­ben noch ca. 200 Men­schen an den Fol­gen der bar­ba­ri­schen Be­din­gun­gen im Lager.

 

 

Bild: Lud­wigs­lus­ter Bür­ger wer­den auf An­wei­sung der 82. US-​Luft­lan­de­di­vi­si­on durch ein na­he­ge­le­ge­nes Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger ge­führt. Vor­ge­fun­de­ne Mas­sen­grä­ber ent­hiel­ten etwa je 300 Kör­per von Op­fern der Na­zi-​Tor­tu­ren.

 

Mehr Infos unter: http://ino.blogsport.de/befreiung/