Strassenfest M31 Bern, CH

M31

 

Anlässlich des M31, des internationalen Aktionstag gegen Kapitalismus, zogen wir durch Bern, um auf den Mangel an Freiraum und die zunehmende Überwachung und Kontrolle aufmerksam zu machen. Das Fest war laut, fröhlich und ausgelassen. An die 300 Menschen zogen beim Falkenplatz los, die Teilnehmer_innenzahl stieg auf bis zu 500 Menschen in der Innenstadt.

 

Einige Teilnehmende haben ihr Statement an grauen Wänden, Luxusautos und Billetautomaten hinterlassen. Dies nahmen Regierung und Polizei als Anlass dazu, das Fest kurzerhand mit einem riesigen Polizeiaufgebot aufzulösen. Der Wagen und die Leute, die sich darum befanden, wurden beim Bahnhof eingekesselt. Die Polizei verhielt sich aggressiv und gewalttätig. Im Bahnhof wurde Gummischrot eingesetzt und Leute wurden wahllos niedergeschlagen. 125 Menschen wurden im Rahmen einer sogenannten „erweiterten Personenkontrolle“ im Polizeiposten Neufeld eingekerkert und bis in die frühen Morgenstunden festgehalten. 

Diese repressiven Massnahmen zeigen uns, wie richtig wir mit unserer Kritik liegen. 

Unsere Kritik und die Beweggründe für den Anlass sind im Flyer erläutert. 

 

Freiraum werden wir uns nie erbitten, Freiraum müssen wir uns erkämpfen. 

 

Wir kommen wieder, keine Frage!

 

 


 

Flyer Text:

 

Out Of Control - Strassenfest

 

Wir sind heute hier, um uns Raum zu nehmen. Diese Strassenparty findet im Rahmen der M31-Proteste statt. M31 – der 31. März – ist der internationale Aktionstag gegen Kapitalismus. Auf der ganzen Welt finden Aktionen statt. In Griechenland und im Baskenland sind Generalstreiks geplant, in ganz Spanien, in Portugal und Italien kommt es zu weiteren Streiks, in Deutschland sind Massenproteste und andere Aktionen angesagt. Im Vordergrund stehen die Auswirkungen der europäischen Finanz- und Schuldenkrise, angegriffen wird der Kapitalismus an sich. Die Kritik beschränkt sich nicht auf politische und wirtschaftliche Fehlentscheide, sondern entlarvt die Probleme, die heute auf die westliche Welt zurückschlagen, als notwendige und logische Folgen des kapitalistischen Systems.

 

Auch wenn wir hier in der Schweiz die Auswirkungen der sogenannten Krise nur vereinzelt am eigenen Leib erfahren, wird auch dein und mein Leben, unsere gesamte Gesellschaft, von der kapitalistischen Logik bestimmt.

Auch die Stadt als Ort, in dem wir uns täglich aufhalten, ist davon betroffen, sie wird als Standort betrachtet, der bestmöglich vermarktet werden muss. Selbst der öffentliche Raum unterliegt gänzlich den Prinzipien von Konsum und Wettbewerb. Die tatsächlichen Bedürfnisse der Menschen, die sich darin aufhalten, werden dabei nicht berücksichtigt. Um die Vision einer sauberen und ordentlichen Stadt umsetzen zu können, bedient sich die Regierung repressiver Mittel, alles wird überwacht und kontrolliert. Eine stetig steigende Zahl an Sicherheitsdiensten sorgen mit Kontrollen, Schikanen und Wegweisungen für die Verdrängung aller, die nicht in das gewünschte Stadtbild passen.

 

Dies lässt sich an der Stadt Bern bestens aufzeigen. Der Bahnhof ist seit dem letzten Umbau endgültig zur Durchgangsstation degradiert worden, wo sich früher Leute getroffen haben, reiht sich heute Mc Donalds an Blumenladen an Parfümgeschäft. Alle Sitzgelegenheiten wurden absichtlich demontiert, um das „sein“ zu verhindern. Sogenannte Randständige werden systematisch vertrieben. Richtung Altstadt darf mensch selbstbestimmt durch die Konsumrennbahn Marktgasse/Spitalgasse hetzen, um mit dem Geld, welches auf Kosten des Lebens erworben wurde, den Kapitalismus weiter anzutreiben. Der grösste Anteil von Waisenhaus- und Bärenplatz ist an Restaurants und Cafes vergeben. Was von den Plätzen übrig ist, wird regelmässig für gewinnversprechende Privatanlässe zur Nutzung freigegeben. Beim Bärengraben wird das Konzept der Schaufensterstadt ins Absurde getrieben: Sitzen verboten.

Die Wohnungen in der unteren Altstadt, einst ein traditionelles Arbeiterquartier, sind aufgrund von Sanierungen und allgemeiner Quartieraufwertung nur noch für eine gutverdienende Oberschicht erschwinglich. Die Pläffä, früher ein Treffpunkt für Jugendliche, wird jetzt durch die Nacht abgesperrt.

Es gibt kaum noch Orte, wo keine Regeln und Verbote uns daran hindern, uns auszuleben, zu feiern, jung zu sein. Dies ist nur in den dafür vorgesehenen Nightclubs erwünscht, doch diese sind teuer und scheisse, zudem sind viele Türsteher rassistische Arschlöcher. Menschen, die ihnen nicht passen, sei es aufgrund von Hautfarbe, ihren Kleidern oder sonstigen Gründen, kommen gar nicht erst rein.

 

Diese Entwicklungen nehmen wir nicht einfach so hin. Wir lassen uns nicht so leicht daran hindern, das Abenteuer Leben in voller Breite auszukosten!

Wir wollen Freiraum, Raum, den wir frei und bedingungslos nutzen können. Raum, wo alle sein können wie sie sind, ohne diskriminiert zu werden. Wo mensch sich aufhalten kann, ohne überwacht und kontrolliert zu werden. Wo mehr als drei Leute zusammenkommen und feiern oder protestieren können, ohne eine Bewilligung einholen zu müssen. Raum, in dem wir Kultur, Partys und Politik nicht einfach nur kosumieren, sondern selbst gestalten und bestimmen können. Doch Freiraum werden wir uns nie erbitten, Freiraum müssen wir uns erkämpfen. Dies tun wir heute, indem wir uns die Strassen nehmen, um selbstbestimmt zu feiern. Dies tun wir jeden Tag, indem wir uns den Regeln nicht fügen und uns nicht einschränken lassen von Verboten, indem wir zivilen Ungehorsam üben wo immer es uns näher an das Leben bringt, das wir eigentlich führen wollen.