B: 28. Januar Bewertung

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Mehr als tausend Menschen demonstrierten am 28. Januar gegen Repression und Krieg. Als aktiver Zusammenhang wollen wir eine Bewertung der Aktion selbst und im Kontext abgeben.

 

Die Demo

 

In der bürgerlichen Öffentlichkeit als auch in alternativen Medien wird nach dem ereignisreichen Samstag von einer „Antimilitarismus-Demo“ (B.Z.), „Demo gegen den Polizeikongress“ (Tagesspiegel) oder einfach nur „Antirepressionsdemo“ gesprochen. Aufgerufen aber hatten auch das Hausprojekt Rigaer 94, die Inititiative in Gedenken an Oury Jalloh, eine Tierrechts- und mehrere Antifagruppen. So war der Inhalt der Demo auch den polizeilichen Morden der letzten Jahre, der Zerschlagung von besetzten Häusern, der Kriminalisierung von Antifaschist_innen und anderen klassenkämpferischen Inhalten gewidmet. Sprechchöre, Transparente, Graffitis, Flyer und Aktionen verdeutlichten dies. Viele Teilnehmer_innen, so ist unser Eindruck, gingen vorbereitet auf die Demo.

Von Anfang an wurde in der Mobilisierung wert darauf gelegt, die Verantwortung für das, was passieren würde, nicht in einem geschlossenen Vorbereitungskreis zu bündeln. Dem entsprechend kamen Entscheidungen wie die Anmeldung der Demo, die Route, der Charakter und die inhaltliche Ausrichtung teils über Medien zustande, an denen sich Jede_r beteiligen kann, teils ohne jegliche erkennbare Debatte. Das hat unserer Meinung nach gut geklappt und wurde – ob durch schweigende Zustimmung oder durch aktiven Konsens - von allen Demoteilnehmer_innen getragen. Wer das Wort Teilnehmer_in hier im Sinne von Fußvolk oder Befehlsempfänger interpretiert, dürfte sich auch ordentlich gelangweilt haben... selbst schuld!

 

Entsprechend sind alle gelaufenen Aktionen (sei es der Tritt ins Kreuz des Bullen, der sich auf die Demo getraut hat, sei es das ausräumen eines Kleidergeschäfts oder auch nur die schrägste Parole) als Produkt der Mobilisierung zu sehen und entsprechend kritisch-solidarisch zu Bewerten. Dazu nur eine kurze Positionierung: wir haben bisher nur gutes gehört! Über den weiteren Sinn kleiner Militanz auf kleinen Demos lässt sich dennoch streiten.

 

Die Polizei jedenfalls musste ihr sonst übliches Vollkontakt-Konzept über den Haufen werfen und stattdessen großräumig Neukölln besetzen. Das ermöglichte die Interaktion mit den Anwohner_innen wesentlich besser als aus einem Wanderkessel. Wo sonst nur Schrecken herrschte, wenn zehn Hundertschaften in schwarz umzingelt von zehn Hundertschaften in Grün um die Häuser zogen, war am Samstag großes Interesse spürbar. Dieses noch viel mehr zu nutzen wäre eine wichtige Aufgabe für kommende ähnlich gelagerte Ereignisse.

Fazit: erfolgreich demonstrieren mit all seinen Facetten heißt heute mehr denn je konfliktfähig zu demonstrieren.

 

Im Kontext

 

Wegen der inhaltlichen Breite in der Mobilisierung sind die Kontexte entsprechend vielschichtig.

 

1. Polizeikongress

Die bürgerliche Berichterstattung hat die Verbindung von Demo und Polizeikongress sehr gut verstanden. Weitere Inhalte aber konnten wie in den letzten Jahren zumindest dorthin kaum getragen werden. Die „linke Szene“ und viele aktive Gruppen jedoch sehen im Polizeikongress einen Gipfel der Repression, der einen guten Anlass bietet, gegen die allumfassende Repression auf die Straße zu gehen.

 

2. Die urban operations conference

Diese erstmalig stattfindende Kriegsmesse hat Widerstand mehr als verdient. Da kam die Demo gerade richtig, um sie erstmalig ins Rampenlicht zu stellen.

 

3. Oury Jalloh

Seit mehreren Wochen geht es in Sachsen-Anhalt wieder rund, nachdem die jährliche Gedenkdemo für den von Bullen ermordeten Asylbewerber durch die Polizei zerschlagen wurde. Es brennen immer wieder Polizeiautos, Nazi-Mobs demonstrieren für Rassismus, die Dessauer Polizeiwache wurde angebrannt und die lokalen Medien rotieren. Sprechchöre auf der Demo am Samstag zeigten die starke Solidarität mit den vor Ort unter faschismusähnlichen Bedingungen Kämpfenden. Ein Redebeitrag erklärte die Wichtigkeit des Falles Oury Jalloh für die politische Zukunft.

 

Last but not least

 

4. Der Kampf für besetzte Häuser

Viel mehr als der Demo-Aufruf der R94 war die mediale Berichterstattung über den Samstag ein entscheidender Beitrag zur Mobilisierung gegen die unsoziale Stadtpolitik. Die bürgerliche Presse folgt der Darstellung der Polizei, die sich ungefähr so liest: „Nach der Demo randalierte ein Mob aus hunderten Gewaltbereiten von Neukölln durch Kreuzberg bis nach Friedrichshain und versteckte sich danach in die Rigaer 94 bei der Anti-Polizeikongress-Party. Nebenbei gab es dann dort um zwei Uhr nachts eine Hausdurchsuchung.“

Die eigentlichen Geschehnisse am Abend sind eine Kriegserklärung des Innensenators Frank Henkel an die soziale Bewegung der Hauptstadt: mit massiver Gewalt drangen zwei Hundertschaften der Polizei in das Wohnhaus und die Kneipe in der Rigaerstraße 94. Dort töteten sie fast durch das Entlehren von mehreren Feuerlöschern in geschlossene Räume mehrere Menschen und verprügelten diese dann bei der Festnahme.

Die Demo am Samstag sollte somit auch der Auftakt für ein widerständiges Jahr der Häuserbewegung sein.