Zum internationalen Tag der Menschenrechte und dem Umgang der Stadt Velbert mit ihren Flüchtlingen und Wohnungslosen

kein Mensch ist illegal

Neben der „Das Flüchtlingsheim muss weg“-Demo am kommenden Donnerstag wird es eine weitere Veranstaltung in der Velberter Innenstadt, am nächsten Samstag, den 17.12.2011 ab 10 Uhr am Platz am Offers/Alte Kirche geben, zu der wir hiermit aufrufen.

In der Velberter Fußgängerzone war bereits für heute, dem Internationalen Tag der Menschenrechte, eine Veranstaltung geplant, in der über die menschenunwürdige Wohnsituation in den Asylunterkünften an der Talstraße informiert werden sollte.

 

Bestandteil dieser Veranstaltung sollte unter anderem ein beispielhaft nachgebautes Zimmer der Unterkünfte in Originalgröße sein. Die Flüchtlingsorganisation Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen wollte mit dieser Aktion auf die menschenunwürdigen Bedingungen von Asylbewerbern hier in Velbert aufmerksam machen – kurz vorher wurde diese Aktion jedoch von der Stadtverwaltung Velbert untersagt, da flächenmäßig kein Platz in der Stadt für eine Aktion dieser Art wäre.

 

Nun wandert die Veranstaltung auch noch auf Druck der Stadt an den nicht sehr zentral gelegenen Offersplatz – fadenscheinige Argumente der Stadtverwaltung: „In der Vergangenheit hätten die Sparkasse Velbert und das Bekleidungsgeschäft S. Oliver sich über Info-Stände aller Art beschwert“. Neben der nicht hinnehmbaren Einschränkung demokratischer Grundrechte steckt hinter diesem Verbot noch eine Menge mehr. Die Stadt Velbert möchte verhindern, dass die Zivilgesellschaft erfährt, wie es hinter den brüchigen Hauswänden der Talstraße aussieht.

 

Doch was ist überhaupt mit der Talstraße?


 Noch immer leben etliche Männer, Frauen und Kinder, die auf ihre Aufenthaltserlaubnis für Deutschland warten unter menschenunwürdigen Bedingungen in den halb zerfallenen Häusern an der Talstraße. Erst im vergangenen Monat bezeichnete die Ärztin Dr. Brigitte Majewski bei einer durch Flüchtlingsaktivisten organisierten Begehung der Häuser die Zustände als katastrophal und menschenunwürdig – einige Bewohner litten an lebensgefährlichen Krankheiten, seien körperlich gezeichnet und würden Psychopharmaka nehmen müssen, um ihre psychischen Belastungsstörungen in den Griff zu kriegen. Diese Eindrücke bestätigte und stützte ebenso ein anwesendes Architektenteam, welches die Häuser als unbewohnbar bezeichnete.

 

Kaputte Fenster und Türen, Schimmel an der Decke und an der Wand, nur eine Dusche die von allen Bewohnern eines ganzen Hauses genutzt werden muss. All das ist nur der offensichtliche Einblick in eine Welt die von Unterdrückung, Angst und Rechtlosigkeit geprägt ist. So müssen sich mehrere fremde Menschen, die meist nichtmals dieselbe Sprache sprechen, eine Wohnung teilen. Keine Privatsphäre und keine Möglichkeiten des Rückzugs üben täglich psychischen Druck aus und verschärfen die schlimmen äußerlichen Bedingungen um ein Vielfaches. Diese Bedingungen würde ein jeder als unzumutbar bezeichnen. Beachtet man weiter dass jeder dieser Menschen seine Geschichte mit sich trägt, eine Geschichte, die allzu oft mit Krieg, Gewalt, Terror und Flucht eng verbunden ist bleibt es umso unerklärlicher, dass hier keine Hilfe geleistet wird.

So muss man sich schon fragen was eigentlich die Rechte von Flüchtlingen sind, die aus Kriegs- oder Armutsgebieten kommen und bei uns Schutz verdient haben. Deutschland, als eine der größten Industrienationen und die in der Europäischen Union (EU) zusammengefassten Länder beuten diese Heimatländer der Flüchtlinge aus. Wir haben die Verantwortung, jedem Menschen ein würdevolles Leben zu garantieren. Unsere Mitschuld an der Situation in den Herkunftsländern bildet dabei eine zusätzliche Verpflichtung. Deutschland als führende Industrienation im Westen als auch als ehemalige Kolonialherren, hat die geschichtliche und auch die wirtschaftliche Verantwortung für jeden einzelnen Wirtschafts- und Politikflüchtling.

 

Deutsche Unternehmen wie Rheinmetall, Heklar & Koch und viele andere verdienen mit Unterstützung der Regierung seit Jahren an Kriegen und Bürgerkriegen dieser Welt. Durch Waffenlieferungen in z.B. afrikanische Bürgerkriegsgebiete ist Deutschland maßgeblich daran beteiligt, dass Frieden in diesen Regionen keine wirkliche Aussicht auf Erfolg hat. Die Folge sind Kindersoldaten, Leid, Sterben, zerissene Familien und Unrechtssysteme. Menschen die es schaffen, diesem Elend zu entkommen sehen sich dann in Deutschland einem Asylsystem konfrontiert, dass in seiner Grundhaltung repressiv und ablehnend organisiert ist, anstatt das Ausstrecken einer helfenden Hand zum Grundsatz des Handelns zu erklären. In Flüchtlingslagern wie der Talstraße sehen sie dann die Kehrseite eines westlichen Landes, erleben Ausgrenzung, Ungleichheit, Rassismus und die gleichen erneut unwürdigen Lebenssituationen wie in ihren Heimatländern. Dabei wollen diese Menschen doch aus ihrer hoffnungslosen Situation raus, arbeiten und Geld verdienen. Sie wollen in einem Land sicher und ohne Angst leben und unsere Gesellschaft bereichern.

 

Wir verurteilen die Bedingungen in den Sammelunterkünften und fordern zugleich, dass auch Asylbewerbern die Möglichkeit gegeben wird, sich selbst zu versorgen und in eigenen Wohnungen zu leben. Weiter muss eine ausreichende medizinische Versorgung gewährleistet sein, gerade auch im psychologischen Bereich. Die Unterbringung in Asylheimen und -lagern macht sie und ihre Familien krank. Sie müssen mit noch viel weniger Geld als Hartz-IV-Empfänger auskommen, ihre medizinische Behandlung wird auf das akut lebensnotwendigste beschränkt. Viele leben schon länger als 5, sogar 7 oder 8 Jahre hier, aber ihr Aufenthaltsstatus bleibt immer unsicher. Zu all den Krankheiten kommt also auch noch die Angst, jederzeit wieder in ihre Kriegs- und Armutsgebiete abgeschoben zu werden. Viele dürfen nicht arbeiten, auch dann nicht wenn sie eine Arbeit finden würden und obwohl sie arbeiten wollen.


Sie wollen arbeiten und sie wollen gesund werden, doch dieses Leben, zu dass wir sie zwingen, lässt sie das nicht tun. Unser Ziel ist der Ausspruchs eines Bleiberechts, eine eigene Wohnung und die Möglichkeit zur Arbeit für jeden. Ende November 2011 beschloss der Velberter Stadtrat die bis zu 1,8 Millionen Euro teuren Renovierungen der sechs Häuser an der Talstraße. Auf den ersten Blick eine hohe Summe. Beachtet man jedoch dass es sich um sechs Häuser handelt die allesamt baufällig sind, erkennt man schnell dass diese Summe niemals ausreichen wird um ein ausreichendes Ergebnis zu erzielen. Viel schlimmer: Mit diesem Beschluss zementiert die Stadt die Ausgrenzung von Flüchtlingen aus der Mitte der Gesellschaft für Jahrzehnte. Ähnlich verfährt die Stadt Velbert auch mit den, laut aktuellsten Schätzungen der Diakonie-Wohnungslosenhilfe, rund 350 wohnungslosen Menschen in Velbert, die jährlich Hilfe beantragen. Aber wir sagen nein zu diesen Umständen!

 

Wir fordern die sofortigen Aussetzungen jeder Abschiebung, wir fordern ein lebenslanges Bleiberecht und wir fordern, dass sich jeder Flüchtling frei von Diskriminierung in unserer Gesellschaft bewegen darf.

 

Wer bleiben will soll bleiben.
Kein Mensch ist illegal.