Sachsen-Anhalt: Nach 13 Jahren nahezu ungestörten Neonaziaufmärschen in Magdeburg rufen Antifaschisten für den 14. Januar auf, sich querzustellen
Von Susan Bonath
Am zweiten Sonnabend im Januar trifft sich die rechte Szene in Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt. Mit einem »Gedenkmarsch« wollen die Neonazis »an die Opfer des Bombenangriffs auf Magdeburg am 16. Januar 1945« erinnern. Bereits im 13. Jahr in Folge mobilisiert dazu die rechte »Initiative gegen das Vergessen« sogenannte Kameradschaften und NPD-Mitglieder aus dem gesamten Bundesgebiet – bisher mit Erfolg. Zwar hält das »Bündnis gegen rechts« seit vier Jahren mit der »Meile der Demokratie« dagegen. Doch das passiert auf abgegrenztem Innenstadt-Terrain mit deutlichem Abstand zum Neonaziaufzug. Antifaschistische Bündnisse bemängeln das und rufen dazu auf, sich auch in Magdeburg endlich »querzustellen«. Was in Sachsens Hauptstadt Dresden geht, müsse doch auch in Magdeburg möglich sein.
Im vergangenen Januar war das trotz vielfacher Versuche nicht gelungen. Um die Mittagszeit herum hatten sich etwa 1000 Neonazis vor dem Magdeburger Hauptbahnhof versammelt. Polizisten schleusten die Reisenden neben den Rechten hinter den Absperrungen zum Teil einzeln aus dem Bahnhofsgebäude heraus. Zirka einen Kilometer weiter auf dem Breiten Weg fand die »Meile der Demokratie« statt. Vereine, Initiativen und Parteien verteilten ihr Infomaterial, es gab Kaffee, Bratwurst und Kleinkunst; ein Plakat an einer Fassade zeigte den Spruch »Magdeburg ist bunt, nicht braun«. Den aktiven Widerstand gegen die Neonazis, die um die Meile herumgeführt wurden, hatte jedoch nur eine kleine Gruppe von etwa 50 bis 80 Antifaschisten gewagt – zu wenige, um sie aufzuhalten.
»Wir Magdeburger müssen uns endlich entscheiden, ob wir dem geschichtsrevisionistischen Treiben Einhalt gebieten wollen«, teilten Antifaschisten anschließend der Stadtverwaltung in einem offenen Brief mit. Die Unterzeichner, zu denen unter anderem Antifa-Gruppen, Einzelpersonen, die DKP Magdeburg, der sachsen-anhaltische sozialistisch-demokratische Studentenverband und der Jugendverband der Linkspartei solid gehörten, verdeutlichten darin ihre Ansicht, »es wäre durchaus realisierbar, den Aufmarsch zu verhindern oder zumindest effektiv zu stören«. Dazu müsse der Protest allerdings von einem breiten Bündnis vorbereitet und getragen werden. Man dürfe ihn nicht nur auf die »Meile der Demokratie« beschränken. »Dort können zwar Menschen ihre Ablehnung gegen neonazistisches Gedankengut zum Ausdruck bringen«, dennoch verhindere die räumliche Abgrenzung jegliche Wirkung. Tatsächlich ändere die Meile nichts daran, »daß Jahr für Jahr mehr Neonazis nach Magdeburg kommen, um ihre menschenverachtende Ideologie in die Öffentlichkeit zu tragen«, heißt es weiter in dem Brief. Es dürfe zudem nicht wieder passieren, daß Blockierer als »linke Chaoten« abgewertet und kriminalisiert werden. Andernfalls hätten die Neofaschisten weiterhin leichtes Spiel in der Stadt.
Doch der Versuch, etwas durch den öffentlichen Vorstoß zu bewegen, sei gescheitert, wie einer der Aktivisten am Dienstag gegenüber junge Welt sagte. »Sowohl aus dem bürgerlichen als auch aus dem gewerkschaftlichen Lager gibt es weiterhin keine Bemühungen, den Aufmarsch aktiv zu stoppen.« Die Antifaschisten haben sich jetzt in dem Bündnis »Entschlossen handeln« zusammengetan und begonnen, möglichst viele Menschen für die Gegendemonstration und eventuelle weitere Aktionen zu mobilisieren. Im Januar soll den Neonazis zumindest der Bahnhofsvorplatz nicht für ihre Auftaktkundgebung zur Verfügung stehen.
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