Spanien verhandelt "seit langem" wieder mit der ETA

Arnaldo Otegi links und Jesus Egiguren rechts

Der Präsident der baskischen Sozialisten erklärt, auch die Friedenskonferenz sei mit der ETA und der Regierung abgestimmt gewesen. Egiguren geht mit seiner Partei und der Parteiführung heftig ins Gericht. Seine Aufzeichnungen machen deutlich, dass sich die Regierung an keine der Absprachen mit der ETA im Friedensprozess 2006/2007 gehalten hat und trotz allem glaubte der nun bei den Wahlen schwer gescheiterte Zapatero noch am Tag vor einem schweren Anschlag der ETA, dass der Friedensprozess so weiter gehen könne, dabei hatte die deutlich 19 Tage zuvor in den Verhandlungen gewarnt, dass sie die Repression mit einem Anschlag in Spanien beantworten werde.

 

Jesús Egiguren ist ein Sozialist (PSOE) im spanischen Staat, der seltener ein Blatt vor den Mund nimmt. Der Präsident der baskischen Sektion hat, nachdem seine Partei mit desaströsen Ergebnissen am 20. November abgewählt wurde und die baskische Linke ein unglaublich gutes Ergebnis erzielte, mit der Aufarbeitung der Regierung begonnen. Er widmet sich einem Punkt, an dem er eine bedeutende Rolle gespielt hat: dem baskischen Friedensprozess und Verhandlungen mit der Untergrundorganisation ETA.

 

Als er am Sonntag auf der baskischen Buchmesse in Durango sein Buch vorgestellt hat, sorgte er erneut für Wirbel. Im Buch "ETA - Die Schlüssel zum Frieden - Geständnisse des Unterhändlers" wird heftige Kritik an der Führung in Madrid laut. Da Egiguren den Kontakt zur ETA geknüpft und mit ihr am Verhandlungstisch saß, kann er faktenreich berichten. Er spricht sogar davon, dass es neue Gespräche mit der ETA und der spanischen Regierung gäbe, die nun noch als Übergangsregierung wirkt.

 

Egiguren sagte  dazu im Interview mit dem baskischen Radio "Euskadi Irratia", Gespräche seien "seit langem am Laufen". Sogar die Abschlusserklärung der "Internationalen Friedenskonferenz" sei zwischen Regierung und ETA abgestimmt worden, obwohl beide Mitte Oktober nicht an dem Treffen in Donostia – San Sebastian teilnahmen. Er erklärt, sonst hätten sich Persönlichkeiten wie der ehemalige Generalsekretär der UNO Kofi Annan nicht dazu ins Baskenland begeben.

 

Die Abschlusserklärung, die der irische Ex‑Premierminister Bertie Ahern für die Vermittler verlas, forderte von der ETA die "Einstellung der bewaffneten Aktivitäten". An Spanien und Frankreich wurde appelliert, "einen direkten Verhandlungsprozess zu starten, der als Ziel eine Lösung für die Konsequenzen des Konflikts und damit ein Ende des bewaffneten Konflikts hat". Angesichts der Egigurens Aussagen verwundert nicht, dass die ETA kurz nach der Konferenz ihr Ende verkündet hat. Am 11. November sagte sie im Interview mit der baskischen Tageszeitung Gara dann, auch die "Entwaffnung auf der Agenda" zu haben. Sie hatte den Dialog bestätigt und behauptet, auch die konservative Volkspartei (PP) sei informiert, die nun Spanien regieren wird.

Den neuen Dialog hat der Sozialistenführer José Blanco dementiert.  Egiguren "weiß nicht von was er redet", sagte er. "Das ist falsch und Punkt."  Doch es gibt kaum jemanden, der die Vorgänge besser kennt. Er hat im Buch offen gelegt, über Regierungssprecher Blanco sei 2004 der erste Kontakt zwischen der ETA und der Regierung aufgebaut worden, nachdem die PSOE die Wahlen gewann.

 

Man habe dann über Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba einen Kommunikationskanal aufgebaut, wie es Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero wollte. "Ich bin nach Frankreich gefahren", sagte Egiguren, um vom französischen Sozialistenführer François Maitia eine Brief der ETA an die spanische Regierung in Empfang zu nehmen. Nachdem Zapatero spanische Truppen aus dem Irak abzog, schrieb die ETA, dass sie "solch starke und mutige Gesten auch für das Baskenland" erwarte, um "einen Frieden zu erreichen, der auf Dialog und der Anerkennung der Rechte der Basken basiert.

Auch damals wurden zunächst diese Kontakte dementiert. Erst ein Jahr danach ließ sich Zapatero vom Parlament das Plazet für einen "Dialog" geben, der längst im Gang war. Das erste direkte Gespräch war für den 31. Mai in Genf anberaumt. Mit der ETA hat Egiguren dann die weitere Marschroute abgestimmt. Vereinbart worden sei, die müsse eine Waffenruhe verkünden, was sie am 22. März 2006 erfüllte, und dürfe bis dahin keine Anschläge begehen.

Die Regierung hat die Abmachungen aber nicht eingehalten, wird aus dem Buch des Sozialistenführers deutlich. Die Polizeipräsenz im Baskenland wurde nicht spürbar reduziert und Verhaftungen nicht eingestellt.  Ein Beispiel dafür war, dass wenige Tage nach der Erklärung einer "dauerhaften Waffenruhe" der Sprecher der Partei Batasuna (Einheit) verhaftet wurde. Doch mit Arnaldo Otegi hatte Egiguren diesen Prozess auf den Weg gebracht. Auch die Organisationen der baskischen Linken konnten weiterhin nicht legal politisch arbeiten. Statt krank Gefangene frei zu lassen, wie es das spanische Strafrecht vorsieht, wurden sogar Gefangene nach Verbüßung der Strafe erneut inhaftiert, weil sie im Gefängnis für die ETA gearbeitet hätten.

 

Egiguren macht angesichts des neuen Friedensprozesses deutlich, wie der letzte in eine Sackgasse geriet. Denn darin drohte die ETA bald mit Anschlägen, wenn die Repression andauere. 19 Tage bevor sie zum Jahreswechsel das Parkhaus am Madrid Flughafen sprengte, wobei zwei Menschen ums Leben kamen. Dabei hatte die ETA eine Stunde vorher gewarnt und sogar das Modell der Autobombe und die Autonummer durchgegeben. Wie die Überwachungskameras auf dem Flughafen zeigen, hier in dieser neuen Reportage erneut, waren trotz allem nicht einmal die Zugänge zum Parkhaus abgesperrt. Zuvor hatte die ETA im Dialog gewarnt: "Wir werden auf Verhaftungen mit einem Anschlag in Spanien antworten." Trotz allem hatte Zapatero am Vortag in seiner Ansprache zum Jahreswechsel bilanziert, man sei weit gekommen und "in einem Jahr werden wir noch weiter sein". Egiguren fordert seine Partei nach der Wahlschlappe auf, Farbe zu bekennen. Schon vor den Wahlen hatte er sie hart kritisiert. "Als Sozialisten haben wir eine Möglichkeit verpasst, dem Frieden eine Fahne zu geben", hatte er einen offensiven Umgang gefordert, um die historische Chance zur Konfliktlösung zu nutzen. Schließlich schwelt der bewaffnete Konflikt nun schon seit 52 Jahren.

 

Ralf Streck, den 05.12.2011