Ein Abend auf der Polizeiwache in München endet für eine 59-jährige Dolmetscherin mit einer Schädelprellung. Haben die Polizisten sie misshandelt oder hat die Frau sich unkooperativ verhalten und Widerstand geleistet? Was genau geschah, ist strittig. Die Frau hat nun einen Strafbefehl erhalten.
Eine Frau betritt eine Polizeiinspektion, weil sie dolmetschen soll. Zwei Stunden später verlässt sie die Wache wieder. An der Stirn hat sie eine große Beule, ihre Hose ist nass, ein Arzt diagnostiziert unmittelbar danach eine Schädelprellung, Verstauchungen, Schleudertrauma, Hämatome. Was ist geschehen am Abend des Rosenmontag 2011 auf dem Revier im Hauptbahnhof?
Franka Schneider (Name geändert), 59 Jahre alt, seit 40 Jahren in Deutschland lebend, Dolmetscherin für Rumänisch, sagt, sie sei misshandelt worden von zwei Polizisten, grundlos.
Die Beamten bestreiten dies und erklären, Schneider habe sich geweigert, ihre Personalien anzugeben, weshalb unmittelbarer Zwang geboten gewesen sei.
Schneider und die Polizisten zeigten sich gegenseitig an. Die Ermittlungen gegen die Beamten wurden eingestellt - Franka Schneider aber erhielt einen Strafbefehl: wegen versuchter Strafvereitelung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, vorsätzlicher Körperverletzung, Beleidigung und falscher Verdächtigung.
Unstrittig ist nur dies: Frau Schneider sollte auf Wunsch zweier Rumänen dolmetschen, weil die in die Bahnhofswache einbestellt worden waren, um eine Messerstecherei zu klären. Die beiden Arbeiter sollen Opfer eines Landsmannes gewesen sein, und das auf einer Baustelle, die zuvor der Zoll kontrolliert hatte wegen Verdachts auf Schwarzarbeit. Auch für den Zoll hatte Schneider übersetzt, nun also bei der Polizei.
In der kleinen Wache eskalierte die Situation.
Die Polizisten erklären es so: Schneider habe zu verstehen gegeben, dass sie den Namen des angeblichen Messerstechers kenne, sie habe sogar einen Zettel mit dessen Namen dabei gehabt. Trotz Aufforderung habe sie diesen Namen aber nicht verraten und auch nicht ihre Personalien. Die hätten die Beamten aber benötigt, weil Schneider eine Zeugin in dem Fall sei.
Weil sie trotz mehrfacher Androhung stur geblieben sei, habe man sie in den Polizeigriff genommen, um an den Ausweis in ihrer Handtasche zu kommen. Dabei habe die Frau sich so gewehrt und dem Griff entwunden, dass sie mit der Stirn gegen eine Wand gestoßen sei, daher die Beule. Außerdem habe sie die Polizisten beschimpft und nach ihnen getreten.
Mit dem Kopf gegen die Wand
Frau Schneider dagegen berichtet von einer bereits angespannten Stimmung auf der Wache, als sie eintraf. Ein wütender Beamter habe sie zur Zoll-Vernehmung befragt, aufgrund ihrer Schweigepflicht habe sie dazu aber nichts sagen dürfen. Man habe sie der Mitwisserschaft einer Straftat beschuldigt. Weil sie nichts verbrochen habe, habe sie ihre Personalien nicht angegeben.
Die Polizisten hätten sie deshalb angeschrien und ihr den Arm auf den Rücken gedreht. Ein Beamter habe sie dreimal mit dem Kopf gegen eine Wand oder Tür gestoßen. Trotz mehrmals geäußerter Bitte, aufs Klo zu dürfen, sei dies nicht erlaubt worden, weshalb sie in der großen Aufregung auch noch eingenässt habe.
Nun soll Schneider gemäß Strafbefehl 2700 Euro Strafe zahlen, 90 Tagessätze zu 30 Euro. Das will sie nicht akzeptieren. Ihre Anwältin Angelika Lex hat Beschwerde eingelegt gegen die Einstellung der Ermittlungen gegen die Polizisten. Sie sieht deutliche Abweichungen in den Aussagen der beschuldigen Polizisten und zweier damals herbeigerufener Kolleginnen von der Bundespolizei.
Vor allem hält Lex es für unglaubwürdig, dass zwei junge, kräftige und trainierte männliche Polizisten nicht in der Lage gewesen sein sollen, einer deutlich älteren Frau die Handtasche wegzunehmen. Und dass diese Frau sich auch noch aus dem Polizeigriff habe befreien können.
Während die Staatsanwaltschaft von umfangreichen Ermittlungen spricht, kritisiert Lex, dass drei Rumänen, die die ganze Zeit über auf der Wache waren, nicht als Zeugen vernommen wurden. Stattdessen stützt sich der Strafbefehl fast ausschließlich auf Aussagen der Beamten. Lex jedenfalls will eine Hauptverhandlung vor Gericht erreichen, um dort den merkwürdigen Abend auf der Bahnhofs-Inspektion zu klären.