Gericht erlaubt "Spiegel Online" Link zu Burschenschaftler-Mails

Erstveröffentlicht: 
05.10.2011

Richter räumen Informationsinteresse der Öffentlichkeit Vorrang ein
Braunschweig (dapd). Das Internetportal "Spiegel Online" hat im Streit um die Veröffentlichung eines Links zu internen E-Mails von Burschenschaftlern recht bekommen. Das Landgericht Braunschweig wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen "Spiegel Online" am Mittwoch zurück.


Geklagt hatte ein Mitglied der Burschenschaft Tuiskonia Karlsruhe, das in Braunschweig wohnt. Der Kläger sah seine Persönlichkeitsrechte verletzt, weil die E-Mails Interna enthielten und gegen seinen Willen abgefangen worden waren. Ins Internet wurden sie von Antifaschisten gestellt. Inhaltlich ging es um strategische Überlegungen zur Ausrichtung der Bünde. Hintergrund war die Debatte über Zugangsbeschränkungen zu Burschenschaften.

Die Richter der 9. Zivilkammer werteten sowohl "die Diskussion innerhalb der Deutschen Burschenschaft über eventuelle Zugangsverschärfungen zu den einzelnen Vereinen" als öffentlich interessant wie auch die Berichterstattung in den Medien darüber. Sie räumten deshalb dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit Vorrang gegenüber den Persönlichkeitsrechten des Klägers ein.

Der Artikel, in dem "Spiegel Online" den strittigen Link untergebracht hatte, stammt vom 15. Juli. Der Autor Florian Diekmann schreibt darin von einer "desolaten Lage" der Studentenbünde. Die internen Protokolle und Strategiepapiere zeigten unter anderem die "Unfähigkeit, rechtsextremen Brüdern Einhalt zu gebieten".

Auslöser der Diskussion um Zugangsbeschränkungen war die Forderung einer konservativen Burschenschaft aus Bonn gewesen, den Beitritt von der Abstammung abhängig zu machen. "Spiegel Online" schrieb über den Streit eines "Ariernachweises".

Am Burschenschaftstag im Juni war auch der Ausschluss der Burschenschaft Hansea Mannheim aus dem Verband Deutsche Burschenschaft (DB) besprochen worden, weil diese einen chinesischstämmigen Studenten aufgenommen hatte. Beide Vorhaben konnten allerdings nicht durchgesetzt werden.

Der Berliner Medienrechtsanwalt Niko Härting betonte auf dapd-Anfrage, dass es keinen absoluten Schutz gegen die Veröffentlichung von E-Mails gebe. Es existiere kein Postgeheimnis bei E-Mails. Gerichte müssten stets abwägen, ob das öffentliche Interesse oder die Persönlichkeitsrechte eines E-Mail-Schreibers stärker wiegten. Das Landgericht Braunschweig ließ eine Berufung zu.

(Aktenzeichen: 9 O 1956/11)

dapd