Im Vorlauf der "Stadt selber machen"-Aktionstage produzieren Aktivisten aus der Freiraumszene eine eigene Video-Castingshow im Netz. Unter dem Titel "Freiburg sucht den Supersquat" wird das nächste Objekt der Besetzerbegierde ermittelt. Wer, wie und warum? Konstantin hat nachgefragt.
Mit
rosa Schrift auf pinkem Grund stechen derzeit einige Aufkleber ganz
besonders aus dem Altpapiermeer, das unsere Ampelmasten ziert, hervor.
Sie werben für „Freiburg sucht den Superquat“ – eine pseudo-interaktive Freiraumcastingshow. Abgestimmt wird auf supersquat.org, aber das letzte Wort hat die Jury. Fast wie im richtigen Leben.
„Es
geht darum, die bestehenden Verhältnisse auf dem Wohnungsmarkt und
überall in Frage zu stellen", bringen es die Aktivisten von
P.H.A.Infotainment auf den Punkt. P.H.A. erinnert kaum zufällig an die
Freirauminitiative „Plätze.Häuser.Alles“. Wenn vom 13. bis 17. Juli 2011
die „Stadt-selber-machen“-Aktionstage stattfinden, geht auch das Finale von „Freiburg sucht den Supersquat“ über die Videoportale.
Doch
die Show, das merkt man schon beim Betrachten der Introfolge, ist
anders, als die Originale aus dem Privatfernsehen: „Bei uns geht’s nicht
darum, sich als möglichst konforme Schaufenstermarionette den
Erwartungen des Marktes gemäß zu verwerten. Im Gegenteil: Wir wollen,
dass möglichst viele Menschen selbstbestimmt leben können und wir uns
die Voraussetzungen dafür selbst schaffen.“
Freiburg sucht den Superquat - Introfolge
Quelle: Vimeo
Bei diesen Voraussetzungen handelt es sich um Freiräume.
Davon gibt es in Freiburg schon einige, beispielsweise mehrere
Wagenplätze, die seit über einem Jahr besetzte Gartenstraße 19 und ein
großes, etabliertes Autonomes Zentrum, die KTS.
Das reicht nach
Meinung der Aktivistinnen und Aktivisten nicht aus: „Es braucht mehr
Freiräume, weil die gesellschaftlichen Zustände so gestaltet sind, dass
Menschen sich allzuoft nicht frei bewegen können, nicht selbstbestimmt
in Erscheinung treten können und sich nicht frei entfalten können.
Freiräume dienen dazu, die überall vorherrschende Verwertungslogik
grundsätzlich hinterfragen zu können und andere, freiere
Organisationsweisen erfahrbar zu machen.“
Dabei geht es um mehr,
als sich an öffentlichen Orten aufhalten zu können, ohne dabei einen
Kaffee kaufen zu müssen: „Menschen wollen Räume in ihren Stadtteilen, um
sich zu treffen, auszutauschen und zu organisieren. Sie wollen diese
Räume auch nach ihren Ideen und Vorstellungen gestalten können. Wir
wollen, dass es für alle Menschen, auch und gerade für Flüchtlinge,
Obdachlose und andere sozial Ausgegrenzte, verfügbare Räume für soziale
Aktivitäten gibt: Proberäume, Ausstellungsräume, Werkstätten, Cafés,
etc. Und natürlich einen Platz zum Wohnen.“
Freiburg sucht den Superquat - Runde 1
Quelle: Vimeo
Mit der Wohnraumfrage stellen sie die Frage der Gentrifizierung.
Die eingedeutschte „gentrification“ aus dem englischen kommt von der
„gentry“, also etwa der Klasse der Landeigentümer, und bezeichnet die
Aufwertung eines Wohngebietes durch Sanierungen, die mit drastischen
Mietsteigerungen und dadurch auch einer Verdrängung der ursprünglichen
Bevölkerung einhergeht. Das bekannteste Beispiel dürfte der Berliner
Stadtbezirk Prenzlauer Berg sein.
Aber auch in Freiburg haben die
Freiraumaktivisten die Gentrifizierung schon entdeckt, und zwar auf
zwei Ebenen. Einerseits greifen sie Oberbürgermeister Salomon an, der –
bezogen auf Gewerbeimmobilien – sagte: „Freiburg ist so teuer, weil es attraktiv ist. Sorry, das ist eben Marktwirtschaft.“
Die Supersquat-Macher haben insbesondere Wohnimmobilien im Blick: „Auch
eine 'effiziente' marktwirtschaftliche Stadtpolitik, deren Interesse
dem Standortmarketing und nicht den Stadtbewohnern gilt, führt
systematisch zu Aufwertung und Verdrängung.“
Andererseits gäbe
es auch Freiburg, wenn auch in kleinerem Maßstab, systematische
Aufwertungen ganzer Wohnviertel. Als Beispiele sei das Quartier
„westlich der Merzhauser Straße“, das sogenannte „Heldenviertel“, zu
nennen. Hier wie andernorts in Freiburg werden die jetzigen Bewohner in
Zukunft durchschnittlich 44% ihres Einkommens allein für die Miete
aufwenden müssen. „Hier kann nur weiterhin wohnen, wer seinen
Lebensstandard massiv einschränkt. Diese Verdrängung aus dem Lebensstil
hat hohe soziale Kosten und ist eines der Glieder im
Gentrifizierungsprozess.“
Was kann man also tun? Eine Menge.
Freiräume könne man sich beispielsweise einfach nehmen, wenn man sie
denn findet. Und genau da setzt „Freiburg sucht den Superquat“ an: „Bei
Hausbesetzungen geht es nicht darum, dass sich einzelne Personen etwas
aneignen, sondern dass Raum aus den Zwängen des Marktes befreit und der
Gesellschaft zugeführt wird und somit alle daran teilhaben können.“
Dieses Vorgehen ist für die Aktivisten mehr als "nur" ein kalkulierter Rechtsbruch; sie wollen ihr Handeln als fundementale Systemkritik verstanden
sehen: „In unseren Zusammenhängen versuchen wir, direkt und
selbstbestimmt zu handeln. Anstelle derFremdbestimmung durch eine starre
Rechtssprechung, die stets bestehende Macht- und Eigentumsverhältnisse
festschreibt und reproduziert, geht’s uns um die Etablierung freier
Vereinbarungen, die ein solidarisches Zusammenleben ermöglichen. Dass
das funktioniert, sehen wir immer wieder an bestehenden Freiräumen und
solidarischen Strukturen.“
Ist die Freiraumshow also ein Aufruf
zu Straftaten? „Uns ist vollkommen bewusst, dass nach geltendem Recht
Hausbesetzungen eine Straftat darstellen. Es könnte aber auch anders
sein. Beispielsweise sind Gesetzesübertretungen als politisches Mittel
bei Castortransporten, dem Protest gegen Stuttgart21, bei der Blockade
von Nazi-Demonstrationen oder in anderen Bereichen schon längst
gesellschaftlich etabliert. Warum also nicht auch bei Hausbesetzungen?“
Freiburg sucht den Supersquat - Runde 2
Quelle: Vimeo
- fudder: Mietest Du noch oder squattest Du schon?
- Badische Zeitung: Gentrifizierung in Freiburg
- Badische Zeitung - Vereinsportal: Freiburg sucht den Supersquat