Freiheit oder Sicherheitsverwahrung

thomas meyer falk

Eine persönliche Erklärung

Vor wenigen Wochen wurde in den deutschen Medien breit flächig über ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sicherungsverwahrung berichtet (vgl. auch meine Besprechung). Da ich auch selbst von der SV (Antrittstermin Juli 2013) bedroht bin, hatte ich – zugegebenermaßen – kurz die Phantasie, von dem Urteil unmittelbar zu profitieren und frei zu kommen. Nach fast 15 Jahren Knast mag das verständlich, verzeihlich erscheinen – ich beantragte deshalb bei dem zuständigen Gericht (Landgericht Karlsruhe, dort: Strafvollstreckungskammer) Freilassung.

 

Im Folgenden möchte ich erklären, weshalb ich am 07. Juni 2011 diesen Antrag zurück genommen habe (a.) und wie sich deshalb voraussichtlich die nächste Zeit gestalten wird (b.).

 

a.) Antragsrücknahme vom 07. Juni 2011

 

In dem Schreiben an die Richter verwies ich auf die durchaus wesentliche Tatsache, dass die Gefangenen mit den Kosten für Pflichtverteidiger und Gutachter auch dann belastet würden, wenn die Entlassung versagt werde. In einem Nebensatz erwähnte ich die vergleichbare Praxis der Nationalsozialisten bei den zum Tode Verurteilten, bzw. deren Erben, die Kosten für die Exekution einzutreiben.

Wer meint, dies sei ein vielleicht unpassendes Argument, den möchte ich darauf verweisen, dass die Sicherungsverwahrung 1933 von den Nationalsozialisten eingeführt wurde (auch die schon in der Weimarer Zeit erfolgte Vorarbeit ändert an diesem Faktum nicht das Geringste) und noch heute Sicherungsverwahrte im Gefängnisjargon „lebende Tote“ genannt werden, in Anlehnung an die in den USA übliche Praxis, wenn Todeszellengefangene ihre Zelle verlassen, Wärter rufen zu lassen (als Warnung an ihre Kollegen) „Dead man walking“.

 

Des weiteren schrieb ich an die Strafvollstreckungskammer, es lasse Rückschlüsse auf die Gesinnung von Richtern zu, welche „kritiklos ein Gesetz der Nationalsozialisten vollstrecken“ würden; gerade diese Kammer, fuhr ich fort, zeichnet sich durch besonderes Desinteresse aus, da schon ein vor Jahren mal gestellter Antrag auf Freilassung letztlich über zwei Jahre herum gelegen sei.

 

Abschließend teilte ich mit, bei der von Amts wegen noch erfolgenden Prüfung 2013 (vgl. § 67 c StGB) würde ich weder mit den Richtern sprechen, noch mit einem Gutachter, man könne sich also diesbezügliche Anhörungen sparen.

 

b.) Wie sieht der weitere Vollzugsverlauf aus?

 

Bis Juli 2013 werde ich in der JVA Bruchsal einsitzen müssen, um dann in die JVA Freiburg verlegt zu werden, denn dort werden in Baden-Württemberg zentral alle Sicherungsverwahrten untergebracht.

Um den vielleicht auftauchenden Einwand oder auch Vorwurf, ich wolle eine Märtyrerrolle einnehmen gleich an dieser Stelle aufzugreifen: Ich bin kein Märtyrer und möchte auch keiner sein. Dazu liebe ich das Leben zu sehr. Aber ich sehe sie hier Tag für Tag, all die Inhaftierten, die sich verbiegen, verbeugen, alle Spiele der Vollzugsbeamtinnen und -beamten mitspielen, gehetzt von dem Funken Hoffnung, zu dem geringen Prozentsatz von Gefangenen zu gehören, der dann doch frei gelassen wird (nach Statistiken des Statistischen Bundesamtes werden nur 30 % der Gefangenen „vorzeitig“ entlassen. Das heißt, 70 % verbüßten ihre Strafen bis zum letzten Tag. Und bei den Sicherungsverwahrten sehen die Zahlen noch schlechter aus.).

 

Diesem Prozedere entziehe und verweigere ich mich. Ich springe nicht über die Stöckchen, die man den Gefangenen hinhält, Jahr um Jahr, bis zur völligen Selbstaufgabe und des Verlustes des letzten Restes von Würde.

Aber ich igele mich andererseits auch nicht ein, sondern ich denke, es ist wichtig, über das zu berichten, was hinter den Mauern passiert, zumindest ein bisschen „Öffentlichkeit“ zu erreichen, abseits von den Hochglanz-Internetauftritten der Knäste, die sich selbst loben (und mitunter im selben Atemzug die Gefangenen verhöhnen: Hierfür bietet der baden-württembergische Strafvollzug ein anschauliches Beispiel. Er bewirbt die von den Inhaftierten zu leistende Zwangsarbeit mit dem Slogan: „Wir lassen Sie nicht sitzen!“. Zu finden auf Plastiktüten, Kalendern, Werbeflyern. Denn schließlich müssen Aufträge an Land gezogen werden).

 

Knastleben ist weder leicht noch erfreulich, meist ist es ziemlich beschissen, um es mal deutlich zu formulieren; aber es ist auch nicht derart unerträglich, als dass es schon aus Gründen des nackten Überlebens erforderlich wäre, die „Spielchen“ der Anstalt mitzuspielen.

Wer weiß, möglicherweise könnte ich „draußen“ mehr tun oder erreichen, als hier von Zelle 3113 aus, aber das sind Gedankenspiele, denn, und das schreibe ich seit Jahren, es kommt nicht nur darauf an, „raus zu kommen“ aus dem Knast, sondern auch auf den Weg dort hin.

 

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA – Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal

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