16.04. Plauen – Naziaufmarsch verhindern

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Am 16. April wollen Nazis aus dem Umfeld der „Freien Kräfte“ in Plauen/Vogtland einen Trauermarsch anlässlich der Bombardierung Plauens 1945 veranstalten. Dagegen regt sich mittlerweile vielfältiger Widerstand.

  • Vorgeschichte

  • Plauen im Nationalsozialismus

  • Nazistrukturen in Plauen und Umland

  • Stören - Blockieren - Verhindern

 

 1.  Vorgeschichte

 

Dresden am 13.02. und 19.02., Cottbus am 15.02., Dessau am 12.03.2011. Sogenannte Trauermärsche scheinen sich langsam zum bevorzugten Aktionsfeld von Nazis, vor allem im ostdeutschen Raum, zu entwickeln. Die Liste von Städten, die in den vergangenen Jahren zum Aufmarschplatz brauner Umtriebe wurden, ist lang. Mittels geschichtsrevisionistischer Argumentation und der gezielten Verdrehung historischer Fakten wird ein immer gleicher Opfermythos konstruiert – die Tatsache, dass der zweite Weltkrieg von deutschem Boden ausging, wird ebenso unterschlagen wie der Fakt, dass der Nationalsozialismus bis zum Schluss von erheblichen Teilen der deutschen Bevölkerung getragen wurde. Der Mythos vom „unschuldigen Deutschland“ kann nicht zuletzt an unreflektierte Gedenkmechanismen der heutigen deutschen Bevölkerung und die noch immer nicht konsequent erfolgte Aufarbeitung des Nationalsozialismus in Politik und Zivilgesellschaft Deutschlands anknüpfen. Forderungen nach einem „Schlussstrich“ unter der Geschichte und nach einem „neuen, unverkrampften“ Nationalbewusstsein bereiten den Boden, auf dem sich NPD und Kameradschaften mit Hilfe ihrer Gedenkveranstaltungen ein Anknüpfen an Diskurse der bürgerlichen Mitte erhoffen. In den letzten Jahren blieb es in Plauen in dieser Hinsicht eher ruhig. Jedoch wurde schon im Jahre 2009 einmal versucht, am 10. April einen Trauermarsch in Plauen durchzuführen, was jedoch nach fehlender Genehmigung durch öffentliche Stellen schnell wieder aufgegeben wurde. Nun versuchen Nazis aus dem Plauner Umland ein weiteres Mal, auch hier ein neonazistisches Gedenken zu initiieren. Verantwortlich dafür zeichnet sich die bisher kaum in Erscheinung getretene Kameradschaft „RNJ“, welche Recherchen zufolge von jungen Neonazis aus dem ländlichen Raum, bspw. Ellefeld/Auerbach, getragen wird.

 

2. Plauen im Nationalsozialismus

 

Das in Westsachsen gelegene Plauen, größte Stadt des Vogtlandes, wurde am 10. April 1945 durch einen alliierten Luftangriff erheblich getroffen. Ziel der Bombardierung war es, in Plauen gelegene kriegswichtige Industrien des NS-Regimes unschädlich zu machen. Tatsächlich hatte Plauen in der Schlussphase des zweiten Weltkrieges eine immense Bedeutung für die nationalsozialistische Kriegsmaschinerie. In den letzten Jahren des Krieges waren die VOMAG-Werke eine der bedeutendsten Produktionsstätten für Panzer der Wehrmacht. So wurde im Jahre 1943 eigenes eine neue Montagehalle errichtet – bis Ende des Jahres 1943 liefen dort bereits über 800 Kampfpanzerwagen vom Band. 1944 wurden von der VOMAG schließlich fast 1200 Exemplare des neuen Jagdpanzers IV produziert. In einem Außenlager des KZ Flossenbürg beschäftigte die VOMAG zudem etwa 350 Zwangsarbeiterinnen.

 

Doch auch Ereignisse aus den vorangegangenen Jahren zeigen, dass Plauen hinsichtlich Aufstieg und Konsolidierung der NS-Herrschaft keinesfalls ein unbeschriebenes Blatt war. Bereits 1923 gründete sich in Plauen der sogenannte „Jungsturm“. Als im Jahre 1926 in Plauen der zweite Reichsparteitag der NSDAP stattfand, wurde der „Jungsturm“ zur offiziellen Jugendorganisation der NSDAP erhoben. Bald darauf erfolgte die Umbenennung zur Hitlerjugend, deren Reichsleitung bis 1931 in Plauen verblieb. Im Jahre 1925 konnte Adolf Hitler trotz Verbotes vor ca. 3000 Besuchern in der städtischen Festhalle eine Rede halten. Und auch in den folgenden Jahren gab sich in Plauen die hohe Nazi-Prominenz die Klinke in die Hand – als Redner traten zum Beispiel Joseph Goebbels (1925, 1926, 1930, 1931), Hermann Göring (1931, 1932), Rudolf Heß (1936) Robert Ley (1926, 1927), Julius Streicher (1926, 1927, 1934) und Fritz Saukel (1928) auf. Auch Hitler besuchte Plauen 1928, 1930 und 1932 erneut. Die genannten Besuche dürften nicht ohne Grund erfolgt sein – die Nationalsozialisten bezeichneten zu Beginn der 30er Jahre Plauen als ihre Hochburg und erreichten zu den Reichstagswahlen 1932 die absolute Mehrheit in Plauen. Die Epoche nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 erzählt eine Geschichte der willigen Eingliederung und Mitwirkung Plauens und seiner Bevölkerung ins NS-Herrschaftssystem. Schon Ende 1933 wurden Adolf Hitler sowie der Gauleiter Mutschmann zu Ehrenbürgern der Stadt ernannt. Es folgten eine Reihe nationalsozialistischer Großaufmärsche, welche sich bis Ende der 30er Jahre mit Teilnehmerzahlen von bis zu 40.000 hinzogen. In der Pogromnacht vom 9. November 1938 brannte schließlich auch die Plauner Synagoge.

 

3. Nazistrukturen in Plauen und Umland

 

In den vergangenen Jahren haben sich zunehmend auch in Plauen und Umland neonazistische Strukturen verankern können. Im Gegensatz zu manchen stärker ländlich geprägten Regionen Sachsen ist es (noch) nicht berechtigt, von einer „braunen Homezone“ zu sprechen – immerhin existieren zumindest Grundzüge einer bürgerlichen Zivilgesellschaft, die gegen rassistische und faschistische Strukturen Stellung bezieht, ebenso wie in den letzten Jahren zumindest vereinzelte antifaschistische Interventionen stattfanden. Dennoch bieten einige aktuelle Entwicklungen Anlass zur Sorge.

 

Auch im Vogtland konnte sich die NPD im Zuge der letzten Kreistagswahlen im Kommunalparlament verankern. Mittlerweile eröffnete in der Plauner Innenstadt ein NPD-Bürgerbüro. Nach einigen personellen Umbrüchen im NPD-Kreisverband ereignete sich Ende 2008 die Auflösung der lokalen Kreistagsfraktion. Die Mandatsträger, wie z.B. der mehrfach vorbestrafte Olaf Martin, verblieben jedoch als parteilose Kreistagsmitglieder im Parlament. Währenddessen zeichnet sich der lokale NPD-Kreisverband glücklicherweise durch weitestgehende Untätigkeit aus, abgesehen von einigen schlecht recherchierten und in teils haarsträubender Grammatik verfassten Artikeln zu kommunalpolitischen Themen auf der eigenen Homepage.

 

Eine größere Gefahr geht hingegen von lokalen kameradschaftsähnlichen Strukturen aus, welche sich entsprechend dem bundesweiten Trend auch im Vogtland verankern konnten. Beispiele dafür sind die „Braunen Teufel Vogtland“ oder die „Rechte Aktionsfront“, welche in den letzten Jahren vor allem im Raum Reichenbach-Greiz aktiv waren. Unter anderem wird in der Greizer Umgebung seit langem jährlich ohne nennenswerte Gegenwehr ein sogenanntes „Rudolf-Heß-Gedenkturnier“ abgehalten. Auch 2010 mobilisierte dies wieder bis zu 100 Nazis aus dem Umland. In Plauen selbst existiert die Gruppierung „Haselbrunner Jungss“ – diese traten jedoch bisher nur als Gäste beim letztjährigen NPD-Festival „Rock für Deutschland“ in Gera in Erscheinung. Zu nennen wäre ferner noch die im Raum Auerbach-Ellefeld angesiedelte „RNJ“, deren Kürzel für „Revolutionäre Nationale Jugend“ steht. Seit Beginn des Jahres 2011 gibt es zudem eine Homepage des „Freien Netzes Vogtland“, die jedoch keine Aktualisierungen, geschweige denn nennenswerte Inhalte, zu verzeichnen hat.

 

Die Präsenz der Nazis im öffentlichen Raum wurde in den vergangenen Jahren vor allem durch mehrere versuchte oder tatsächlich durchgeführte Immobilienkäufe sowie verschiedene Musik- und Bekleidungsgeschäfte verstärkt sichtbar. Nach der Schließung des „Ragnarök“ in Mylau versorgt nun das Geschäft „Nordlicht“, mitten im Zentrum der Kleinstadt Netzschkau gelegen, die lokalen Nazis mit Ausrüstungsgegenständen aller Art. In Plauen schlug die Etablierung eines rechten Szeneladens letztmalig mit der Pleite des „Broken Dreams“ fehl. Dennoch existiert schon seit über einem Jahr ein Thor Steinar-Geschäft im Einkaufszentrum „Kollonaden“ – die laufende Räumungsklage wird sich voraussichtlich noch eine Weile hinziehen. Zwar war der Versuch, im sogenannten „Drei-Mädle-Haus“, einem ehemaligen Gasthof an der B92, direkt vor den Toren von Plauen ein Nazizentrum zu etablieren, von keinem langfristigen Erfolg gekrönt. Doch nun gelang es Nazis, in Oberprex bei Regnitzlosau an der bayrisch-sächsischen Landesgrenze einen ehemaligen Gasthof zu erwerben, wo nun seit Mitte 2010 regelmäßig Schulungsveranstaltungen und Kameradschaftsabende stattfinden. Auch die Chronik der Kontaktstelle gegen Rechtsextremismus „Move“ in Plauen zeigt, dass die Neonaziaktivitäten im Vogtland keinesfalls zu verharmlosen sind - für das Jahr 2010 wurden zwölf Fälle rechter Übergriffe, zudem 16 Sachbeschädigungen und 31 Veranstaltungen bzw. Aktionen dokumentiert.

 

4. Stören – Blockieren – Verhindern

 

Mit der Veranstaltung eines „Trauermarsches“ am 16. April versuchen nun Nazis aus dem Plauner Umland, einen weiteren Termin auf der bundesweiten Karte der GeschichtsverdreherInnen zu installieren. Interessant ist dabei besonders das Datum: Plauen wurde am 10. April bombardiert, am 16. April hingegen ereignete sich die Befreiung Plauens durch US-amerikanische Truppen. Dass nun Nazis ausgerechnet am Datum der Befreiung Plauens einen Anlass zum Trauern suchen, spricht Bände über ihre politische Interpretation der Ereignisse. Deutlich ist: es wird tatsächlich getrauert, jedoch um den Untergang des nationalsozialistischen Regimes. Als Rechtfertigung dafür dient ein dreister Opfermythos, welcher die deutsche Kriegsschuld leugnet und stattdessen die Befreiung vom Faschismus zum „Verbrechen am deutschen Volk“ umdeutet. Auf der Mobilisierungsseite fantasieren die OrganisatorInnen der RNJ unterdessen nach wie vor von einem „ehrenvollen Gedenken“.

Inzwischen regt sich in Plauen Protest gegen den Naziaufmarsch. Unter dem Namen „Plauen Nazifrei“ hat sich ein breites Bündnis aus Parteien, Gewerkschaften, Vereinen und auch kirchlichen Gruppen formiert, welches zu bunten und vielfältigen Gegenaktionen am 16. April in der Plauner Innenstadt aufruft. Entgegen der von der Stadt favorisierten Variante einer stationären Gegenkundgebung abseits der Naziroute hat das Bündnis beschlossen, zwei Gegendemonstrationszüge in der Innenstadt anzumelden. Auch regionale Antifagruppen mobilisieren mittlerweile zu Gegenaktionen. Im Aufruf der antifaschistischen Gruppen des Vogtlands heißt es: „In Plauen konnten Nazis bisher ungestört ihre menschenfeindliche Propaganda verbreiten. Dies gilt es dieses Jahr zu verhindern. Im Februar 2011 wurde es zuletzt in Dresden deutlich: durch spektrenübergreifende Zusammenarbeit, entschlossenes Handeln und vielfältige Protestformen können Naziaufmärsche verhindert werden. Das neu gegründete Bündnis „Plauen Nazifrei“ will mit unterschiedlichen Aktionsformen gegen den anstehenden Naziaufmarsch vorgehen. Wir, ein unabhängiger Zusammenschluss von Antifaschist_innen, unterstützen dies. Lasst uns mit allen Mitteln den Aufmarsch der Heulsusen und Trauerklöße verhindern!“



Im Gegensatz zu vorangegangenen Naziaufmärschen in Plauen scheint das Bewusstsein für eine Notwendigkeit antifaschistischer Intervention mittlerweile auch in der lokalen Zivilgesellschaft und Politik angekommen zu sein. Dies wird von ansässigen AntifaschistInnen begrüßt. Wenn es am 16.04.2011 tatsächlich gelingt, eine große Zahl von Menschen verschiedenster Spektren und Hintergründe auf die Straße zu bringen, so wird es möglich sein, den Naziaufmarsch entscheidend zu stören und ein Zeichen gegen die Ausbreitung geschichtsrevisionistischer, antisemitischer, rassistischer und nationalistischer Strukturen im Vogtland zu setzen.

 

 


Quellen/Infos zu Gegenaktivitäten:

- agv.blogsport.de
- www.plauen-nazifrei.de