Die heute (1.3.) verhandelte Berufung im Fall eines Teilnehmers der polizeikritischen Demonstration vom 10.4. ist zufriedenstellend zu Ende gegangen. Alle Parteien ließen sich auf eine Einstellung des Verfahrens mit 180 Euro Geldauflage ein. Dem Angeklagten, ein Bochumer Antifaschist, wurde vorgeworfen, die Festnahme eines anderen Demo-Teilnehmers zu vereiteln versucht zu haben, indem er ihn zurückgezogen und den festnehmenden Beamten angegriffen habe. Bei seiner eigenen Festnahme hätte er sich dann gewaltsam zur Wehr gesetzt. Am 3.11.2010 wurde er vom Amtsgericht Bochum zunächst zu eine Geldstrafe von 900 Euro verurteilt.
Nach der erneuten Beweisaufnahme mit den Aussagen des Angeklagten und dreier mehr oder weniger beteiligter Beamter, und der Inaugenscheinnahme eines Polizei-Videos, ließen die Vorwürfe sich nicht erhärten. Insbesondere die Unübersichtlichkeit in der damals tumultartigen Szenerie und die unterschiedlichen Standpunkte der Polizeizeugen brachten für Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung genug Gründe für den Zweifel an der Tatsächlichkeit eines gewalttätigen Verhaltens seitens des Angeklagten. Den Richter der ersten Instanz interessierten die Bilder auf dem Video kaum und nahm ohne Federlesen die Zwischenrufe („Da war der Tritt“) der damals im Zuschauerraum ebenfalls anwesenden Staatsschützer auf.
Vernommen wurden die selben Beamten, wie in der ersten Instanz, und wieder brachten sie mehr Wahrnehmungen an den Tag, als sie Augenpaare im Kopf haben.
Da war der erste Zeuge P., welcher sich nur erinnern konnte, an seiner Festnahme gehindert und geschlagen worden zu sein, aber nicht von wem.
Der zweite Zeuge Ingo V. wusste ganz genau, dass der Angeklagte sowohl seinen Kollegen P. als auch ihn selbst geschlagen habe, konnte aber weder sich selbst noch den übrigen Prozessbeteiligten die Widersprüchlichkeit seiner Aussage zur betreffenden Sequenz im Polzei-Video erklären.
Der dritte Zeuge wiederum, welcher erst im Geschehen eintraf, als der Angeklagte bereits festgenommen wurde, wollte zuerst eindeutig gesehen haben, wie der Angeklagte getreten und geschlagen habe. Zwei Minuten später wandelte er seine Überzeugung in eine vage Vermutung um.
Einzig blieb immer noch die Frage offen und strittig, in welcher Absicht der Angeklagte den anderen Demoteilnehmer an sich ziehen wollte. Laut Anklage habe er versucht seine Festnahme zu vereiteln. Der Angeklagte selbst widerspricht dem, da er den Anderen lediglich zur Räson bringen wollte. Bei einer weiteren Erwägung dieses Sachverhalts wäre eventuell sogar ein Freispruch möglich gewesen. An diesem Punkt des Verfahrens entschied sich der Angeklagte, der den Druck dieses „gerichtlichen Nachspiels“ seiner Demoteilnahme schon seit fast 11 Monaten zu spüren bekam, gegen das Pokerspielen um ein gerechtes Urteil – Freispruch – , und stimmte dem Vorschlag einer Einstellung zu.
Die UnterstützerInnen, u. a. von der Antifaschistischen Jugend Bochum, sehen diese Entscheidung voll und ganz begründet, da die zur Verfügung stehenden Mittel auf dem juristischen Wege letztlich immer auf einer Kosten-Nutzen-Rechnung und auf Taktieren beruhen. In diesem Fall konnten die maximalen Kosten aus der ersten Instanz (90 Tagessätze à 10 Euro + Verfahrenskosten) und eine Vorstrafe für den Angeklagten glücklicherweise noch einmal abgewendet werden.