Tödliche Paketbombe: Der Fall Kerstin Winter schockte 1993 Freiburg

Das Opfer: Kerstin Winter starb am 22. Januar 1993 in Freiburg durch eine Paketbombe. Foto: dpa/Repro: BZ
Erstveröffentlicht: 
09.02.2011

In Rheinfelden hat eine Paketbombe eine Frau schwer verletzt. Schon einmal gab es einen ähnlichen Fall in Südbaden. Am 22. Januar 1993 starb Kerstin Winter in Freiburg – durch ein explodiertes Paket, das vor ihrer Wohnungstür lag.

 

Der Täter war ein Ex-Freund der Ermordeten. Eindeutige Indizien überführten den Fernmeldehandwerker als Bombenbauer. Er hatte den Sprengsatz aus einer Hochdruck-Gasflasche für Feuerlöscher, Teilen einer Mausefalle, Klingeldraht und Neun-Volt-Batterien gebastelt. Sein Motiv: enttäuschte Liebe. Am 3. März 1994 fällte das Landgericht sein Urteil und ordnete die Unterbringung des damals 39-Jährigen in der Psychiatrie an – zwei Gutachten attestierten ihm eine paranoid halluzinatorische Schizophrenie. Der schuldunfähige Mann ging in Revision, die der Bundesgerichtshof verwarf. Im November 1994 war der Fall Winter abgeschlossen.

 

Aufgeheizte Stimmung und viele Gerüchte


Es gibt nur wenige Kriminalfälle, die in Freiburg so hohe Wogen schlugen wie dieser Paketbombenanschlag – auch deshalb, weil das Opfer der antifaschistischen Szene angehörte. Schnell machten Gerüchte die Runde, Neonazis könnten ihr den Sprengsatz vor die Tür gelegt haben. 4000 Menschen beteiligten sich drei Tage nach Winters Tod an einem Protestmarsch durch die Innenstadt und machten in Redebeiträgen Rechtsextremisten für die Tat verantwortlich. Auch in anderen Städten gibt es wegen des Mordes Demonstrationen.

 

Das Landeskriminalamt und die Staatsanwaltschaft goss weiteres Öl ins Feuer. Sie nahm den damaligen Freund der Toten fest, vermutete Beziehungsprobleme. Kurz darauf kam er wieder frei. Ein Schriftgutachten entlastete ihn – jemand anderes hatte wohl von Hand die Adresse auf das explosive Paket geschrieben.

Freiburgs linke Szene deckte die Behörden danach mit Vorwürfen ein, sie ermittle einseitig und tendenziös. Das Opfer drohte instrumentalisiert zu werden: "Niemand weiß, woher die Paketbombe kam, doch schon wird das Verbrechen zu einem gefährlichen Politikum", kommentierte "Die Zeit" den bundesweit beachteten Fall.

Das änderte sich auch nicht, als die Polizei den Täter gefasst hatte – sieben Wochen, nachdem die Bombe im zweiten Obergeschoss eines Hauses im Stühlinger explodiert war. "Nach wie vor sind für uns alle Hinweise, die auf einen Anschlag aus dem neofaschistischen Lager deuten, noch nicht widerlegt. Sie scheinen das LKA nicht weiter zu interessieren [...] Wir erinnern in diesem Zusammenhang an die einseitige Ermittlung des LKA in Richtung politische und soziales Umfeld Kerstins, mit weit über 50 Vernehmungen mit dem Ziel, eine ’Beziehungstat’ feststellen zu wollen", kommentierte die beim linken Radio Dreyeckland angesiedelte "Info Gruppe Kerstin" die Verhaftung.

 

Fehlerhaftes Kabel und eine verdächtige Zange

 

Genau darum handelte es sich aber doch. Beim Ex-Freund wurden exakt solche Batterien und ein Kabel mit Materialfehler gefunden, wie sie auch für die Paketbombe verwenden wurden. Ein Gutachten belegte, dass eine Zange aus dem Werkzeugkasten des Mannes beim Bau des Sprengkörpers verwendet wurde – aus der Sicht der Staatsanwaltschaft ein Beweis, "als habe er auf der Bombe einen Fingerabdruck hinterlassen."

 

Leugnen bis zuletzt


Der Pflichtverteidiger des Mannes beantragte damals Freispruch, da die Verhandlung nicht zum Ergebnis geführt habe, dass sein Mandant "zweifelsfrei der Täter ist". Der Angeklagte selbst leugnete die Tat bis zuletzt und sagte in seinem Schlusswort: "Wenn ich verurteilt werde, kann ich nur hoffen, dass der, der die Bombe gebaut hat, noch mehr Bomben baut und eventuell noch mehr Menschen tötet."