Nach der Liebig 14 nun Haus 14
Die Flugblätter waren vergangene Woche im Studentendorf aufgetaucht, einige klebten an den Häusern, andere lagen im Studentenclub A18 aus. Sie zeigten eine Hinrichtung und waren auf Englisch beschriftet - übersetzt mit "Demokratie 2.0, stolz präsentiert von ihrer freundlichen Verwaltung".
von Claudia Fuchs
Die Flugblätter waren vergangene Woche im Studentendorf 
aufgetaucht, einige klebten an den Häusern, andere lagen im 
Studentenclub A18 aus. Sie zeigten eine Hinrichtung und waren auf 
Englisch beschriftet - übersetzt mit "Demokratie 2.0, stolz präsentiert 
von ihrer freundlichen Verwaltung". 
Die orangen Zettelchen, 
deren Herkunft unbekannt ist, sind vorläufiger Höhepunkt einer seit 2004
 schwelenden Auseinandersetzung zwischen der Genossenschaft, die das 
Studentendorf betreibt, und dem Verein "Selbstverwaltung des 
Studentendorfs" (SV), der sich als Interessenvertretung der Bewohner 
versteht. Am 14. März kommt dieser Streit vor Gericht, und wenn die 
Genossenschaft mit ihrer Klage recht bekommt, läuft alles auf eine 
Zwangsräumung hinaus - notfalls mit Polizeieinsatz, wie 
Genossenschaftsvorstand Andreas Barz bekräftigt. Die SV, die im Dorf 
unter anderem einen Studentenclub, einen Fitness-Raum und einen 
Waschsalon betreibt, hofft in letzter Minute auf eine gütliche Einigung.
 Juristisch gesehen, das wissen sie jedoch, haben sie keine Chance. 
Im
 Kern der Auseinandersetzung, die viele kleine Nebenkriegsschauplätze 
hat, geht es darum, wer mehr Einfluss hat: der SV, der bereits seit 38 
Jahren im Dorf aktiv ist und zurzeit 300 Mitglieder hat, oder die 
Genossenschaft, die - absurderweise - aus eben diesem Verein 
hervorgegangen ist und seinem jahrelangen Engagement um den Erhalt des 
Studentendorfes. Als die Studenten das Dorf im Jahr 2003 vom Land Berlin
 kaufen konnten, gründeten sie eine Genossenschaft. "Um sich neu zu 
sortieren, wurden dann 2005 alle Verträge mit uns gekündigt", sagt Erik 
Wegner von der SV. Allerdings seien dann mehrere Anläufe, neue Verträge 
abzuschließen, an der Genossenschaft gescheitert. Auch der Einsatz eines
 Vermittlers blieb folgenlos. Die Genossenschaft reichte schließlich 
Räumungsklage ein - die SV soll Haus 14 verlassen. 
Dass dieser 
Streit mit einer Zwangsräumung enden könnte, klingt dieser Tage immer 
ein wenig nach Liebigstraße 14, und auch Genossenschaftsvorstand Andreas
 Barz sieht gewisse Parallelen zwischen dem Streit im Dorf und dem in 
Friedrichshain. "Die Leute von der studentischen Selbstverwaltung sind 
egoistisch, sie betreiben Besitzstandswahrung", sagt er. Obwohl sich die
 Bedingungen geändert hätten - das Dorf muss nun wirtschaftlich arbeiten
 - würden sie zu alten Konditionen arbeiten wollen und "am liebsten 
nichts tun, aber Geld dafür nehmen". Den Vorwurf, er wolle Mitbestimmung
 oder gar Demokratie beschneiden, weist Barz zurück. "Darum geht es hier
 nicht, es geht darum, Geld für ein 59 Jahre altes Dorf aufzutreiben, 
das nicht mehr zeitgemäß ist." Sonst gehe das Dorf vor die Hunde. 
Aus
 Sicht vieler Studenten ist das längst geschehen. Abgesehen davon, dass 
das Dorf im Internet vernichtende Bewertungen bekommt ("der Alptraum 
Berlins, unfassbar übel"), geht es auch um die Arbeit der 
Genossenschaft. Kritikern würden Zwangsräumungen angedroht und Wohnungen
 ohne Erlaubnis betreten. Bewohnern, die wegen Mietmängeln ihre Miete 
senken, werde erklärt, das Studentendorf unterliege nicht geltendem 
Mietrecht. Vorstand Barz weist das zurück: "Das sind Behauptungen." 
Tatsächlich aber steht er inzwischen im Mittelpunkt der Kritik. "Dem 
bekommt der Posten nicht", heißt es hinter vorgehaltener Hand. Nach 
mehreren Versammlungen hat die SV nun beschlossen, mit Aktionen auf sich
 aufmerksam machen. 
Christa Markl-Vieto, 
Aufsichtsratsvorsitzende der Genossenschaft, langjährige Bewohnerin des 
Dorfes und heute Fraktionschefin der Grünen im Bezirksparlament 
Steglitz-Zehlendorf, bemüht sich um Schadensbegrenzung. "Der Konflikt 
ist keiner, den man brauchen kann", sagt sie. Jetzt stünden die einen 
als die Guten da, "und wir ein wenig als die Kapitalisten". Dabei sei 
das Dorf ein "unglaublich tolles Projekt". Sie hoffe deshalb, "dass wir 
uns da einig werden".
Geschenk an Berlin
Das Studentendorf Schlachtensee
 befindet sich in Zehlendorf zwischen Spanischer Allee und Potsdamer 
Chaussee. Die Häuser, einst ein Geschenk der amerikanischen Regierung, 
sind im Stil eines amerikanischen Universitäts-Campus angeordnet.
Grundstein wurde am 20. Oktober 1957 gelegt. 1977 wurde die Anlage erweitert. Heute bietet das Gelände Platz für etwa 800 Studenten. 
Der Senat
 wollte die Häuser Ende der 90er- Jahre abreißen. Studenten besetzten 
die Anlage, 2003 stimmte das Land einem Verkauf an sie zu. Um den Kauf 
zu finanzieren, wurden Teile des Grundstücks an Investoren abgetreten.
Bis 2022 soll das Studentendorf für 25 Millionen Euro saniert sein.
Berliner Zeitung, 05.02.2011
