Heidenheim: Remembering means fighting!

Heidenheim: Remembering means fighting! 1

Am Sonntag den 19.12.2010 jährte sich die Ermordung von Viktor, Waldemar und Alex durch den Neonazi Leonhard Schmidt zum 7. Mal. Die drei jugendlichen Spätaussiedler waren 2003 mit Schmidt und seinen Begleitern vor der damaligen Diskothek K2 in der Innenstadt aneinandergeraten, woraufhin Schmidt ohne jede Vorwarnung sein Messer zog und alle drei mit gezielten Stichen tötete.

 

Aus diesem Anlass versammelten sich letzten Sonntag in den frühen Abendstunden ca. 30 Menschen am Ort des Verbrechens, um bei einer Mahnwache gemeinsam mit Angehörigen den drei Ermordeten zu gedenken. Neben autonomen Antifas waren auch einige Anhänger lokaler linker Parteien und Jugendgruppen erschienen.

 

Nach einer Schweigeminute, während der zahlreiche Kerzen und Teelichter entzündet wurden, begab sich eine größere Gruppe auf die angrenzende Hauptstraße, wo sich spontan ein Demonstrationszug formierte. Bengalische Feuer wurden entzündet und unter lautstarken Parolen setzte man sich in Richtung Eugen-Jaeckle-Platz in Bewegung. Hier wurden zahlreiche Flugblätter an Passanten und Besucher des Heidenheimer Weihnachtsdorfes verteilt, die mit regem Interesse entgegengenommen wurden.

 

Im Anschluss hielt eine Aktivistin folgenden Redebeitrag:

 

"Es ist nunmehr 7 Jahre her, dass Viktor, Waldemar und Alex von dem einschlägig bekannten Neonazi Leonhard Schmid kaltblütig ermordet wurden.

In der Nacht auf den 20. Dezember taucht Leonhard Schmidt vor der Diskothek K2 auf, wo ihm aus gutem Grund der Einlass verwehrt wurde. Erst wenige Monate zuvor hatte Schmidt gemeinsam mit einer Gruppe anderer Neonazis vor dem K2 politischen Gegnern aufgelauert - mit rechten Parolen wurden mehrere Personen ins Freie gelockt und von den Nazis  überfallen. Schmidt schlug damals einen Punk mit einem Schlagstock nieder - eine Tat, für die er sich noch zu verantworten hatte, als er schließlich vorm K2 zum Mörder wurde.

Eine halbe Stunde nachdem Schmidt sich vergeblich um Zutritt ins K2 bemüht hatte, taucht er gemeinsam mit seiner Freundin und einem weiteren Begleiter wieder vor der Diskothek auf, wo die Gruppe auf die drei jugendlichen Spätaussiedler Viktor, Waldemar und Alex
trifft. Es kommt zur verbalen Auseinandersetzung zwischen Schmidts Begleiter und den drei 15, 16 und 17jährigen. Völlig unvermittelt zieht Schmidt sein Messer und tötet alle drei Jugendlichen mit gezielten Stichen in Herz und Hals.

Heute erinnert an dem Ort des Verbrechens nur noch eine kleine Tafel an das Geschehen - fast unlesbar in großer Höhe angebracht, ist dort der undifferenzierte Schriftzug "Heidenheim sagt NEIN zu Gewalt" angebracht.
Nichts ist auf der Gedenktafel, die in der Vergangenheit bereits von Unbekannten entwendet wurde, vom neo-nazistischen Hintergrund des Täters zu lesen.
Eine Auseinandersetzung mit den Problem rechter Gewalt und Ideologie, wie sie bezeichnend ist für eine Stadtführung, die sich auf beschwichtigen, verharmlosen und wegsehen spezialisiert hat.

Bereits kurz nach den Morden war für OB Bernhard Illg der Fall klar: Ein "Deutscher hatte drei andere Deutsche" ermordet und die "Stadt dürfe sich nun nicht in rechts und links spalten lassen".
Eine Haltung, die er bis zu dem Heidenheimer Nazi-Aufmarsch 2005 stur weiterverfolgte, als er während einer drei Tage vor der eigentlichen Demo abgehaltenen "Protestkundgebung" von der Rednertribüne herunter gegen "die Rechten und die Linken" hetzte, die seinen heißgeliebten städtischen Frieden zu erschüttern drohten.  Obwohl Illg alles daran setzte, seine Bürger zum Wegschauen und Ignorieren zu bewegen und linke Gegendemonstranten mit Faschisten gleichzusetzen, stellten sich an dem Tag zahlreiche Heidenheimer gemeinsam mit autonomen Antifas dem Nazi-Mob in den Weg.

Leonhard Schmidt wurde für seine Tat zu 9 Jahren Jugendstrafe verurteilt - eine rechten Hintergrund des Verbrechens wollte die Staatsanwaltschaft hierbei nicht erkennen. Für die Justiz blieb er ein Einzeltäter,obwohl er auf seiner Flucht Unterstützung von Kameraden bekam und schließlich bei einem Freund in Dillingen Unterschlupf fand.

Sieben Jahre nach der Tat ist von Neonazi-Aktivitäten auf Heidenheims Straßen, abgesehen von gelegentlichen Sprühereien und Aufklebern, auf den ersten Blick nicht viel zu sehen. Doch die rechte Szene der Region lebt weiter, trifft sich in den Bauwägen, Jugendclubs und Bierzelten des Härtsfeldes, in Orten wie Kösingen oder Dischingen. Auf der Ostalb machen die Nazis in erster Linie mit der Verbreitung von Rechtsrock und Schlägereien in Fußballstadien von sich reden. In der Region Ulm, insbesondere in Langenau und Umgebung, sind Neonazis dabei, unter den Augen der jeweiligen Gemeinden rechte Erlebniswelten für empfängliche Jugendliche aufzubauen.  Ihre menschenverachtende Propaganda verbreiten sie hierbei mittlerweile sogar auf Schulhöfen.

Bundesweit wurden allein im ersten Halbjahr 2010 nach offiziellen Angaben 387 rechte Gewalttaten registriert. Bedenkt man, wieviele aus Gründen des öffentlichen Ansehens vertuscht oder zu unpolitischen Auseinandersetzungen umgelogen werden, dürfte die Dunkelziffer um ein vielfaches höher liegen.

Doch für uns sind Waldemar, Viktor, Alex und all die anderen Opfer rechter Gewalt keine Statistik. Das Gedenken an sie ist keine Pflichtübung und ganz gewiss keine Image-Pflege im Namen eines angeblich geläuterten "besseren Deutschlands". Gerade in Zeiten sozialen Umbruchs ist die Gefahr, dass sich Ängste und Unzufriedenheit in Gestalt reaktionärer Denkmuster äußern, immer vorhanden. "Mainstream-Rassismus" der Marke Sarrazin und Co. zeigt hierbei nur allzu deutlich, wie kapitalistische Logik und Hetze gegen Sündenböcke gepaart mit einem nationalistischen Wir-Gefühl Hand in Hand gehen.

Gegen diese verkehrten Lösungsansätze stellen wir unser Ideal eines solidarischen Kampfes gegen die Zumutungen des  globalen Kapitalismus. Denn eine Perspektive gegen Ausbeutung, Herrschaft und Gewalt lässt sich nur grenzübergreifend erstreiten, abseits aller nationaler Beschränktheit.

 

Wir haben nicht vergessen und wir werden nicht vergeben. Unversöhnlich stehen wir gegen den neo-faschistischen Terror ebenso wie gegen die politischen und wirtschaftlichen
Verhältnisse, die ihn hervorbringen.

Kein Vergeben – kein Vergessen! Nie wieder Faschismus!"