In Kreuzberg ist es am Mittwochabend zu schweren Krawallen gekommen. Autonome zogen nach einem Konzert der Punkband Slime im Club SO 36 randalierend durch die Straßen. Die Polizei war offenbar überrascht.
Vermummte zogen am Mittwochabend durch den Kiez, bewarfen Polizeiwagen mit Steinen, zündelten auf der Straße, zerschlugen Schaufenster und Bankautomaten. Und weil am Tag danach, am späten Donnerstagabend, ein zweites Slime-Konzert im SO 36 anstand, wurde eine Randale-Zugabe befürchtet.
Von den Ausschreitungen in der Nacht zu Donnerstag wurde die Polizei offenbar überrumpelt. Knapp 100 Autonome hatten die Autohäuser an der Mariannen- und Skalitzer Straße fast ungestört angegriffen. Sie zertrümmerten nicht nur Scheiben, es soll auch ein Brandsatz in die Ausstellungsräume geworfen worden sein – neben einem hochwertigen Auto waren lodernde Flammen zu sehen.
Der Brandsatz erlosch aber noch vor Eintreffen der Feuerwehr von selbst.
Vor dem SO 36 brannten Mülltonnen, die auf die Oranienstraße gerollt worden waren. Die Polizei teilte mit, dass um die Ecke in der Mariannenstraße zwei kleine Geschosse die Scheiben eines Einsatzwagens durchschlugen. Im Fahrzeug hätten die Beamten einen „gläsernen Gegenstand“ sichergestellt. Der Staatsschutz ermittelt. Am Donnerstag bezogen Polizisten schon am frühen Abend rund um das Kottbusser Tor in Kreuzberg Stellung. Die Polizei wolle in der Nacht zu Freitag mit „ausreichend Kräften“ vor Ort sein, teilte das Präsidium mit. Das Konzert endete nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe.
Auch der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Robbin Juhnke war überzeugt, dass die Polizei überrascht worden ist. „Dies wäre erschreckend“, der Senat müsse seine Sicherheitspolitik überdenken. Juhnke forderte, „endlich mehr Polizisten einzustellen“. Wie die Gewerkschaft der Polizei wies auch der CDU-Politiker darauf hin, dass bei derzeit rund 16 000 Beamten in der Stadt etwa 4000 Einsatzkräfte fehlten.
Besonders vor den beiden Autohäusern zwischen SO 36 und Kottbusser Tor dürften die eingesetzten Polizisten in der Nacht zu Freitag massive Präsenz zeigen. Seit 50 Jahren gibt es die Filiale in der Skalitzer Straße, seit 15 die in der Mariannenstraße. Es handelt sich um einen Seat- und einen Audi-Händler. Zerschlagene Scheiben waren vor allem am 1. Mai üblich. Ob die Häuser gegen Krawallschäden versichert sind, teilten die Autohändler auf Nachfrage nicht mit.
Die Musikgruppe Slime gilt als einer einflussreichsten deutsche Punkbands. Von 1979 bis zur Auflösung 1994 trat die Gruppe bundesweit in zahlreichen Clubs auf, die Lieder der Band gehörten schnell zum Soundtrack linker Demonstration. In diesem Jahr gab die Gruppe anlässlich ihres 30-jährigen Bandjubiläum einige Konzerte. Slime positionierte sich in Songs wie „Sand im Getriebe“ als linksradikal. Die Lieder „Nazis Raus“ und „Schweineherbst“ entstanden als Reaktion auf die rassistischen Pogrome von Rostock-Lichtenhagen 1992. Zu heftigen Debatten führte das Lied „Deutschland muss sterben (… damit wir leben können)“. Hannes Heine