Verfassungsbeschwerde gegen DNA-Entnahme

Erstveröffentlicht: 
03.12.2010

Ist jemand ein Krimineller, dem „weitere Straftaten von erheblicher Bedeutung“ zuzutrauen sind, der während einer Demonstration einen Silvesterkracher zündet? Das Landgericht Göttingen sagt ja. Das sei ein Fall gefährlicher Körperverletzung.

 

Deshalb ordnete es die von der Staatsanwaltschaft beantragte zwangsweise Entnahme von Körperzellen (DNA) an. Der Fall wird demnächst das Verfassungsgericht beschäftigen.

 

Die Entscheidung ist deshalb pikant, weil der junge Mann dunklen Teint hat. Ein Täter mit dunklem Teint wurde auch im Zusammenhang mit dem Brandanschlag am 22. Januar im Gebäude des Landkreises gesucht. Die Ermittler verdächtigten den 20-Jährigen, so dass sie sich Fotos von ihm aus dem Einwohnermeldeamt beschafften, um sie heimlich als Lichtbildvorlage für Zeugen zu benutzen. Ob das überhaupt rechtmäßig war, beschäftigt immer noch das Amtsgericht.

 

Aus dem Verdacht gegen seinen Mandanten schließt Rechtsanwalt Sven Adam, dass die Polizei in Wahrheit die DNA des 20-Jährigen analysieren will, um sie mit Spuren des Kreishaus-Anschlages zu vergleichen, obwohl diese Ermittlungen längst eingestellt sind und der 20-Jährige auch nicht mehr im Verdacht steht.

 

Begründet wird die DNA-Entnahme ganz anders: Der Mann soll „gefährliche Körperverletzung“ begangen haben, weil er einen Böller gezündet habe. Ein Verdacht, der nicht einmal bewiesen ist. Andere Knallkörper wurden bei ihm nicht gefunden. Ein Polizist hatte nach einer Demo behauptet, Ohrgeräusche zu spüren. Dies wurde als Knalltrauma angesehen; eine gefährliche Körperverletzung. Eine Vorstrafe und eingestellte Verfahren wegen Widerstandshandlungen bei Demos der linken Szene reichten aus, um dem 20-Jährigen zu unterstellen, es seien von ihm weitere erhebliche Straftaten zu erwarten.

 

Während das Amtsgericht es noch ablehnte, eine DNA-Abgabe anzuordnen, denn die Körperverletzung sei nur einfach und seine weiteren Taten nicht erheblich, legte die Staatsanwaltschaft dagegen Beschwerde ein. Das Landgericht entschied nun: Er habe „wiederholt Gewalt gegen Polizeibeamte“ ausgeübt, und er habe den „Böller auf Polizeibeamte“ geworfen. Das aber sagt sein Anwalt, gehe aus der Ermittlungsakte gar nicht hervor.

 

Adam wird gegen den Gerichtsbeschluss Verfassungsbeschwerde einreichen. Sollte die DNA-Abgabe erzwungen werden, will er parallel Eilantrag im Verwaltungsgericht stellen.