Mit der Knastgesellschaft brechen – Tage gegen Knäste und eine Welt, die sie schafft

Mit der Knastgesellschaft brechen

Die sozialen Angriffe auf unser aller Leben nehmen weiter zu. Während immer größere Teile der Bevölkerung ihrer Lebensgrundlagen durch Kürzungen im Sozialbereich und Gesundheitswesen mit gleichzeitigen befristeten Niedrigstlohnbeschäftigungen beraubt und an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, nehmen staatlich organisierte Eingriffe in unser Leben ständig zu.


Wir leben in einer Zeit, in der das Arbeitsamt mehr über uns weiß als unsere direkten Nachbar_innen und Kontrolle über uns ausübt, die vor ein paar Jahren noch undenkbar erschien. Aufenthaltsbestimmungen, Kontrolle bis hin zur Größe und Lage unserer Wohnung, Ein-Eurojobs und die Möglichkeit uns am langen Arm verhungern zu lassen, wenn wir uns dagegen wehren oder uns dieser Verwertungslogik verweigern, sind Beispiele dieser Eingriffe. Prekäre Lohnbeschäftigung mit mangelnder sozialer Absicherung sind Realität für viele. Noch schlimmer trifft es die, die sich hier ohne Papiere und sicheren Aufenthaltsstatus ein Leben aufbauen wollen. Menschen mit migrantischem Hintergrund schlägt die Härte institutionalisierten Rassismus direkt ins Gesicht und gipfelt darin, dass Leute, ohne sich auch nur irgendeines „Verbrechens“ schuldig gemacht zu haben, eingesperrt und abgeschoben werden. Die, die nicht abgeschoben werden können, dürfen ihre Wohnorte nur mit Genehmigung verlassen und sollen mit Gutscheinen statt Bargeld einkaufen gehen. Das sind nur die offensichtlichsten Beispiele der Angriffe, denen Menschen, die an den Rande der Gesellschaft gedrängt werden, tagtäglich ausgesetzt sind.

 

Als Beispiel: Neukölln/Berlin


Kurzerhand werden im größeren Kontext ganze Stadtteile zu Problemzonen deklariert und erhalten ihre ganz besondere eigene Fürsorge. Als Beispiel wollen wir kurz auf Neukölln in Berlin eingehen. Dieser Stadtteil eignet sich bestens für einen solch konstruierten Problemfall und weiterer Möglichkeiten die Mauern der Knastgesellschaft höher und dicker zu bauen und die soziale Kontrolle zu verschärfen. Da es hier viele Menschen mit migrantischem Hintergrund, sowie eine hohe Arbeitslosigkeit gibt muss es vor Problemen nur so wimmeln. Kameraüberwachung an sämtlichen öffentlichen Orten und die Säuberung des Straßenbildes von unliebsamen Elementen werden zum Haupttätigkeitsfeld staatlichen und privatwirtschaftlichen Handelns. Die Jugend- und Bandenkriminalität sei sehr hoch, deshalb braucht es vermehrte Polizeipräsenz im Kiez, genauso wie private Wachdienste an Schulen und öffentlichen Orten. Der Stadtteil gilt als Experimentierfeld für repressive Maßnahmen und gleichzeitig als Aushängeschild für positives Engagement gegen die Missstände innerhalb unserer Gesellschaft und souveränes Handeln gegen unangepasstes Verhalten.


Die Rütli-Schule konnte dank des massiven Eingreifens von Sozialarbeiter_innen befriedet und die Ordnung wieder hergestellt werden. Unter der Oberfläche brodelt es jedoch weiter. Die kosmetischen Verbesserungen und Befriedungsstrategien können nur deckeln was irgendwann überkochen muss. Integration und Assimilation werden zu Voraussetzungen um überhaupt existieren zu dürfen. Unterdrückungsmechanismen auf allen Ebenen werden vorbereitet und in Stellung gebracht. Soziale Ungerechtigkeiten werden weggewischt und Gründe für existierende Probleme weder benannt noch angegangen. Doch die Verantwortlichen für alle Probleme sind schnell gefunden.


Verdächtige Jugendgruppen verschwinden aufgrund des Drucks durch Polizei und anderer Sicherheitskräfte von der Bildfläche; Bänke werden aus Parks entfernt, sodass auch niemand diese zum Schlafen nutzen kann. Neue Techniken der Bestrafung finden hier ihre erste Anwendung. So zum Beispiel ein Konzept für härtere Strafen für jugendliche Straffällige. Diese sollen in einem beschleunigten Verfahren zu Kurzhaftstrafen verurteilt und abgeschreckt werden. Mit ihnen gleich alle anderen auch. Das Konzept fand Anklang und wird nun auf die ganze Stadt ausgeweitet werden. Vorurteile gegen Migrant_innen werden geschürt, sie sollen sich entweder integrieren oder verschwinden. Wie schon gesagt, es handelt sich hierbei um ein Beispiel aber nicht um einen Einzelfall.


Ehemals ein Arbeiter_innenquartier wird dieser Stadtteil mit der durch Aufwertung bedingten Veränderung der Stadt nun auch für die kapitalistische Ausbeutung interessanter. Durch die Stadt geförderte Initiativen wie die Task-Force Okerstraße haben sich die Problemlösung auf die Fahnen geschrieben. Alles was nicht dem gewünschten Stadtbild entspricht soll verschwinden. Wie schon zuvor genannt sind die Feinde klar ausgemacht: Herumlungernde, Migrant_innen und trinkende Menschen an Kiosken. Einkommensstärkeren soll der Zuzug schmackhaft gemacht werden. Die folgen sind klar. Modernisierungen und Mietsteigerungen, und die Menschen mit kleinem Geldbeutel müssen über kurz oder lang gehen.

 

Knäste bedeuten für viele den Endpunkt sozialer und wirtschaftlicher Ungerechtigkeiten


Die Verflechtung von staatlichen und kapitalistischen Interessen führt auch auf anderen Ebenen zur Verschärfung der Lebensbedingungen. Knäste bedeuten für viele den Endpunkt sozialer und wirtschaftlicher Ungerechtigkeiten. Eindrucksvoll hierfür stehen die vielen Berliner Gefangenen, die auf Grund nicht beglichener Geldforderungen in Folge nicht bezahlter BVG-Tickets in Gefängnissen einsitzen. Dazu kommen steigende Belegungszahlen bei gleichzeitigem Rückgang von Kriminalität. Gefängnisse werden privatisiert und Insass_innen dort zu Arbeiten für die Wirtschaft gezwungen. Eine Entwicklung, die in Deutschland zwar neu ist jedoch auf ihr erfolgreiches Vorbild in den USA zurückblicken kann.


Um sich der Probleme endgültig zu entledigen wird nun hitzig über die Langzeitverwahrung von Intensivstraftäter_innen diskutiert, die sog. Sicherungsverwahrung. Hierbei handelt es sich entgegen der öffentlichen Diskussionen jedoch nicht überwiegend um Sexualstraftäter_innen und Mörder_innen. Viele Wiederholungstäter_innen unterschiedlichster Delikte sind mit dem Damoklesschwert des Für-immer-weggesperrtseins konfrontiert. Das Gesetz fand seine erste Anwendung in den Gerichtssälen Nazideutschlands. Ähnlich sieht es mit geschlossenen Kinderheimen für straffällig gewordene Jugendliche aus. Mindestens drei Jahrzehnte nach der durch massive Proteste erwirkten Reformen bezüglich Kinder- und Jugendeinrichtungen ist bis heute immer noch keine wirkliche Aufarbeitung der Vorkommnisse und deren Auswirkungen für die Insass_innen geschehen, Politiker_innen jeglicher Seiten fordern trotzdem wieder deren Einführung.


Die einen sollen verdrängt oder abgeschoben, die anderen für immer weggesperrt werden. Alle anderen sind angehalten sich unter ständiger Kontrolle ihres Verhaltens auf Video oder ihrer Kommunikation über Telefon und Internet nichts zu Schulde kommen zu lassen. Die/der gläserne Bürger_in wird nicht nur zur staatlichen Idee des funktionierenden Untertans, oft genug wird auch das Selbstbild einiger „Ich habe ja nichts zu verbergen“ zur Gefahr für die, die das ganz anders sehen. Wer sich nicht anpasst fällt in ein Raster was von ablehnend, kritischer Beobachtung seiner Mitmenschen bis hin zu staatlicher Überwachung und Verfolgung führen kann.

 

Gemeinsam nachdenken, gemeinsam handeln!


Soziale Kontrolle ist nicht länger Institutionen abhängig, sondern breitet sich in einem ganzen Arsenal lokaler Programme und Projekte aus. So wird sie zum „selbstverständlichem“ und „unverzichtbarem“ Bestandteil des Alltagslebens.

 

Auf Widerstand folgt Repression – der Sinn umfassender Infos über die verschiedenen repressiven Angriffe ist, die verschiedenen Wirkweisen der Repression einzuschätzen und zu erkennen, dass sie an unterschiedlichen Orten zu verschiedenen Zeitpunkten abgestuft agiert um dieselben Ziele zu erreichen.


Dem staatlichen Interesse uns zu kontrollieren, sanktionieren und einzuschüchtern wollen wir unseren Willen für eine herrschaftsfreie Gesellschaft ohne Zwangsanstalten und Repression zu kämpfen entgegensetzen.


Wir laden ein zu einer Suche nach Antworten auf Kontrolltechniken, -politiken und -strategien. Was bedeutet es auf herrschende Kontrollpolitiken zu antworten, sie zurückzuweisen und vor allem: Wie kann Widerstand gegen Kontrolle aussehen? Was können wir gegen die sich ausweitende Repression tun? Das wird uns nicht individuell gelingen, sondern nur kollektiv.

 

Die Anti-Knast-Tage sollen ein Ort des Kennenlernens, des Austausches und des Vernetzens sein. Wir wollen produktiv streiten, und gemeinsam Perspektiven und Widerstand gegen Repression entwickeln. Wir laden euch alle ein zu einem Wochenende mit Diskussionen, Workshops, Veranstaltungen und Filmen ein.

 

Wann: 26. bis 28. November 2010
Wo: im New Yorck / Bethanien (Mariannenplatz 2, Berlin-Kreuzberg)

 

Weitere Infos könnt ihr auf www.mitderknastgesellschaftbrechen.wordpress.com nachlesen.
Informiert Euch und andere, macht den Termin bekannt, bereitet eigene Aktionen vor und was euch sonst noch einfällt!

 

Die Vorbereitungsgruppe

 

 

Freiheit für alle!
Für eine Gesellschaft ohne Knäste!
Weg mit allen Zwangsanstalten!