Kommt Bewegung in den baskischen Friedensprozess?

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Für Wirbel sorgen, dass sich ein Führer der spanischen Sozialisten für Batasuna einsetzt und deren Ex-Ministerpräsident eingesteht, über die Aktionen der Todesschwadrone entschieden zu haben.

 

Es scheint Bewegung in die Bemühungen der baskischen Linken zu kommen, erneut einen Prozess zur friedlichen Konfliktslösung in Spanien auf den Weg zu bringen. Am Freitag gab der südafrikanische Friedensexperte Brian Currin in Bilbao bekannt, dass eine "Internationale Kontaktgruppe" gebildet wird, um die politische Normalisierung im Baskenland "zu fördern, zu erleichtern und zu ermöglichen". Erwartet wurde, dass der Anwalt, hinter dem unter anderem die Friedensnobelpreisträger wie Desmond Tutu, Frederik de Klerk und die Mandela-Stiftung aus Südafrika sowie die irischen Preisträger Betty Williams und John Hume stehen, die Mitglieder nennen würde, doch dazu kam es bei seinem erneuten Besuch im Baskenland nicht.

Currin stellte nach den "erfolgreichen Gesprächen" mit den Parteien im Baskenland, nur die ultrakonservative spanische Volkspartei (PP) verweigerte ein Treffen mit ihm, eine Bedingung an die Untergrundorganisation ETA. Deren bisherige Waffenruhe, seit 15 Monaten werden keine Anschläge verübt, reiche nicht. Sie müsse zunächst die Anforderungen der "Brüsseler Erklärung" voll erfüllen. Die von Currin repräsentierte Initiative hatte eine "permanente und voll verifizierbare Waffenruhe" nach dem irischen Vorbild verlangt, die letztlich zur Entwaffnung der IRA führte. Diesen Schritt fordert auch die baskische Linke von der ETA. In der Erklärung von Gernika hatten die verbotene Partei Batasuna (Einheit), die Baskische Solidaritätspartei (EA), Aralar (Abspaltung von Batasuna) und Alternatiba (Abspaltung der Vereinten Linken) im September gemeinsam mit Gewerkschaften und anderen Organisationen eine durch die "internationale Gemeinschaft" nachprüfbare Waffenruhe als "Ausdruck des Willens" der ETA gefordert, "bewaffnete Aktivitäten definitiv zu beenden."

Da sich die ETA grundsätzlich bereit erklärt hat, diesen Weg gehen zu wollen, erwartet Currin diese Erklärung noch vor Weihnachten. Diese Einschätzung vertritt auch der Präsident der baskischen Sozialisten (PSE), Sektion der spanischen Sozialisten (PSOE) im Baskenland, der im gescheiterten Friedensprozess 2006/2007 die Verhandlungen Madrids mit der ETA führte. Er ist zwar in seiner Partei weitgehend isoliert, das hindert Jesús Egiguren aber nicht daran, sich für einen Friedensprozess und für den inhaftierten Batasuna-Sprecher Arnaldo Otegi einzusetzen.

Am Freitag sagte Egiguren auch im Prozess gegen Otegi als Zeuge der Verteidigung aus. Neben Otegi sind auch der Ko-Sprecher der Partei, Joseba Permach und der Auslandssprecher Joseba Álvarez angeklagt, den "Terrorismus zu verherrlichen". Das sei auf einer Veranstaltung im November 2004 in Donostia-San Sebastian geschehen, als Batasuna vor 15.000 Menschen ihre Friedensinitiative vorstellte, die zu den Verhandlungen geführt hatte. Doch auch der PSE-Chef durfte vor dem Nationalen Gerichtshof in Madrid nicht auf die Fragen zum Kontext antworten. Dass die Gespräche zur Beilegung des bewaffneten Konflikts dienten, der seit 51 Jahren besteht, und er davon überzeugt ist, dass sich Batasuna nur mit friedlichen Mitteln für ihre politischen Ziele einsetze, hatte er aber zuvor in diversen Interviews erklärt und für viel Wirbel auch in seiner Partei gesorgt. Wie er fordert auch Currin indirekt von der spanischen Regierung, Batasuna schnell zu legalisieren, um den Prozess zu befördern. Doch gerade hat die PSOE mit der PP sogar eine Verschärfung des Parteiengesetzes auf den Weg gebracht, um Batasuna trotz der Absage an die Gewalt weiter ausschließen zu können. Trotzdem bewegt sich etwas. Allparteiengespräche, die Currin ebenfalls angeregt hat, schließt die PSE inzwischen nicht mehr definitiv aus.

Für Wirbel sorgte die Tage allerdings auch der ehemalige spanische Ministerpräsident. Der Sozialist Felipe González hat in einem Interview zugegeben, über Aktivitäten der staatlichen Killerkommandos entschieden zu haben. Bei den Ermittlungen gegen die Todesschwadrone, die vor allem in den 1980er Jahren agierten, wurde stets nach einem "Herr X" gesucht, der im Hintergrund die Entscheidungen fällte. Dass diese Person weit oben in der damaligen sozialistischen Regierung zu suchen war, zeigte, dass sogar frühere Innenminister José Barrionuevo und der Staatssekretär für Sicherheit Rafael Vera zu hohen Haftstrafen für Verbrechen der sogenannten “Antiterroristischen Gruppe zur Befreiung” (GAL) verurteilt wurden.

González hatte in einem Interview mit El País nahe gelegt, dass er die wichtigen Entscheidungen traf. Zum Beispiel als ihn 1989 oder 1990, darin wollte er sich nicht festlegen, "Informationen erreicht haben, die wegen ihrer Implikationen zu mir gelangen mussten". Es habe es sich um keine "einfache Operation im Kampf gegen den Terrorismus" gehandelt, erklärte González: "Ich hatte die einzige Möglichkeit in meinem Leben, den Befehl zu geben, die gesamte Führung der ETA zu liquidieren", sagte er. Dass der Ministerpräsident eingeweiht war, wurde auch vom Ex-Staatssekretär und GAL-Mitglied Rafael Vera bestätigt. In einem Interview sagte er auf die Frage, ob der Präsident die "Aktionen des Staatsterrorismus" genehmigt habe: "Der Ministerpräsident war an den Fragen beteiligt, die mit der Regierungsführung zu tun hatten." Darum ging es, denn die im "Süden Frankreichs" geplante Aktion gegen die ETA-Führung hätte zu diplomatischen Verwerfungen mit Paris geführt. Er habe er sich dagegen entschieden, "sie alle zusammen in dem Haus in die Luft zu jagen, in dem sie sich trafen".

Obwohl auch der "Schmutzige Krieg" gegen die linke baskische Unabhängigkeitsbewegung, bei dem auch Politiker und Journalisten ermordet wurden, den bewaffneten Konflikt über 51 Jahre bis heute in die Länge gezogen hat, erklärt González: "Ich weiß noch immer nicht, ob ich richtig oder falsch gehandelt habe." Von der Tatsache, dass es sich um schwere Straftaten handelt, gar nicht zu sprechen. Die Witwe von García Martín, den die GAL 1987 in Hendaye in die Luft gejagt hat, weil sie ihn irrtümlich für ein Mitglied der ETA hielten, fordert nun, González für die GAL-Morde auf die Anklagebank zu setzen.

 

Über die Vorgänge kann auf den Veranstaltungen in Nürnberg (auf der Literaturmesse am Samstag den 20.), Heidelberg und Freiburg diskutiert werden.


© Ralf Streck den 16.11.2010

 

 

23.11.2010 | Heidelberg-Neuenheim | Vortrag
Repression im Baskenland

Ort: ZEP, Zeppelinstraße 1, | Uhrzeit: 19:30 Uhr

Mit der Veranstaltung sollen die aktuellen Vorgänge und die Wurzeln und die Hintergründe des Konflikts im Baskenland beleuchtet werden, über die man in Deutschland zumeist nur wenig erfährt. Als Referenten wurde der im Baskenland lebenden Journalisten Ralf Streck eingeladen.



24.11.2010 | Freiburg | Veranstaltung
Repression und Friedensverhandlungen im Baskenland

Ort: KTS Freiburg, Baslerstraße 103 | Uhrzeit: 20:00 Uhr

Infoveranstaltung mit Ralf Streck am 24.11.2010 um 20 Uhr in der KTS Freiburg